Das Schlachtfeld moderner Wirtschaftskriege ist das Internet, manchmal auch der Mensch, der mit hinterhältigen Mitteln und getarnter Freundlichkeit Fehlinformationen streut. Digitaler Datenklau und Cyber-Sabotage zählen inzwischen zu den grössten Problemen westlicher Unternehmen. Der Cyberwar ist ein immer wichtigeres Gebiet der Wirtschaftsspionage, die vor allem international tätigen Unternehmen zusetzt. Auch in der Schweiz. «Increased Cyber War Security Can Save Global Economy Trillions» sorgte denn auch als hochaktuelles Thema am diesjährigen World Economic Forum (WEF) letzte Woche in Davos für Diskussionen.
Schon vor Jahren begannen sich die Franzosen auf eine Abwehrschlacht vorzubereiten. Sie gründeten 1997 die Ecole de Guerre Economique (EGE), die Schule für Wirtschaftskrieg. Die staatlich anerkannte Einrichtung entstand als Antwort auf die Praktiken amerikanischer Unternehmen, denen Frankreich vorwarf, im Globalisierungswettlauf auf fiese Tricks zurückzugreifen. Finanziell unterstützt wird die EGE vom französischen Verteidigungsministerium und der Rüstungsberatungsfirma Défense Conseil International. Die Dozenten sind Geheimdienstler, Militärexperten und Top-Manager, welche Studenten in Seminaren unter anderem gemäss Studienlehrgang «Kognitive Kampftechniken » beibringen. Unter den Studenten finden sich Finanzmanager, IT-Spezialisten, Berater, Juristen, Analysten, Informatiker und Headhunter, die vor allem eines vereint: Sie möchten die beiden Seiten der Kunst der Desinformation lernen.
Die Schule liegt im feinen VII. Pariser Arrondissement, nahe dem Eiffelturm und der ehrwürdigen Militärschule. Gegründet wurde sie vom früheren General Jean Pichot-Duclos sowie Christian Harbulot und Benoît de Saint Sernin. Harbulot ist heute Direktor der Schule. Seine Warnung: «Die westliche Welt wird durcheinandergewirbelt, der Wettbewerb wird immer härter.» Es genüge nicht mehr, ein Superprodukt auf den Markt zu werfen, die Firmen müssten lernen, sich vor allem gegen Informationsattacken zu schützen. Noch grösser sei die Gefahr, das Image eines anderen anzugreifen, seinen Aktienkurs zum Straucheln zu bringen und Zweifel in den Köpfen der Menschen zu säen.
Als ein Beispiel aus Frankreich nennt Harbulot die einst in China stark vertretene französische Supermarktkette Carrefour. Nach den Attacken auf die olympische Fackel in Paris vor den Sommerspielen in Peking war das Unternehmen in China Ziel von Boykottaufrufen via SMS und Internet geworden. «Ein Grossteil der Attacken ist jedoch gar nicht aus China gekommen, wie in der Öffentlichkeit kolportiert wird, sondern von der westlichen Konkurrenz», ist Harbulot überzeugt. Er rechtfertigt die französische Industriespionage damit, dass Frankreich mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln mit sehr begrenzten Zielen taktiert. Aktueller Hintergrund: Die noch immer schwelende Diskussion um die Abhörpraktiken USamerikanischer Geheimdienste.
Auch die Schweiz im Wirtschaftskrieg
«Es weht ein rauer Wind. Die Schweiz wird von den USA erpresst, unser nördlicher Nachbar Deutschland hat mit der Kavallerie gedroht, wenn die Schweiz nicht in die Knie gehe, und im Westen will Frankreich seine leeren Staatskassen mit Erbschaftssteuern auf Schweizer Immobilien füllen», so ein Bericht in einer Ausgabe von «Zeit-Fragen» aus dem vergangenen Jahr. Als Wirtschaftsmedien vor zwei Jahren über Angriffe auf das Schweizer Bankgeheimnis berichteten, reagierte UBS-Chef Sergio Ermotti im Interview mit der «Sonntags- Zeitung» genervt: «Die Schweiz steckt mitten in einem Wirtschaftskrieg.» Das Land werde seit 2008 attackiert mit dem Ziel, den Finanzplatz zu schwächen. Nicht nur ausländische Politiker hätten ein Interesse an den Angriffen auf die Schweiz, sondern auch «unsere Konkurrenten».
In der Folge untersuchten HSG-Professoren die Schwierigkeiten, welche in der Schweiz lebende Amerikaner mit Banken haben. Das Fazit: Schweizer Banken agieren vorsichtiger im Umgang mit amerikanischen Kunden. Das hatte zur Folge, dass einige Amerikaner mit Schweizer Wohnsitz die negativen Folgen dieses Konflikts zu spüren bekamen. Die Schweizer Banken verwalteten zu dieser Zeit 2,2 Billionen Franken ausländische Vermögen. «Da wollen sich einige Konkurrenzbanken und ausländische Finanzplätze zusätzliche Marktanteile verschaffen», so Ermotti. Viele hätten ein Interesse daran, dass der Finanzplatz Schweiz in die Knie gezwungen werde. Es sei ein Fehler gewesen, die Umstellung so schnell durchzuführen, denn das bisherige Geschäftsmodell «Bankgeheimnis» habe sich über die letzten 60 Jahre entwickelt.
Schweizer rekrutieren an der EGE
Die Nachfrage nach Studienplätzen in Paris nimmt zu. So meldete Boston Consulting: «Wir rekrutieren an der Ecole de Guerre Economique in Paris.» Gesucht werden Absolventen für das Cabinet de Conseil en Management, Management-Beratung in London und Berlin. Benedikt Hess, Marketing Director Switzerland der Boston Consulting Group, bestätigt, dass er an dieser einzigartigen französischen Elite-Universität rekrutiert.
Interview mit Peter Platzgummer Professor, Centre for Security Economics and Technology, Universität St. Gallen, St. Gallen
Wie definieren Sie den Begriff Wirtschaftskrieg?
Peter Platzgummer:
Wirtschaftskrieg ist für mich in etwa das gleiche Modewort wie Cyberwar. Es ist weder ein richtiger Krieg im engeren Sinne, noch ist es etwas Neues. Bei Cyberwar geht es um Datenspionage und manchmal um Sabotage, bei Wirtschaftskrieg ist es ähnlich bis genau gleich.
Gibt es an der HSG Master-Studiengänge zu diesem aktuellen brisanten Thema?
Nein. Warum Schweizer Universitäten keine Master-Studiengänge dazu anbieten, weiss ich nicht. Ich gehe davon aus, dass in keiner Universität eine Research Community – sprich Forscher und Lehrende – besteht, die gross genug wäre, so einen Studiengang im Alleingang durchzuführen und zu finanzieren. Aber das heisst nicht, dass nicht geforscht wird beziehungsweise Kurse Aspekte dazu beinhalten. Hauptthema an der EGE in Paris ist Business Intelligence, also die Gewinnung von für das Unternehmen wichtigen Daten. Das ist vor allem ein Thema an der IWI-HSG bei den Wirtschaftsinformatikern. An der EGE scheint es ebenfalls wichtig zu sein, wie Firmen auf Intelligence anderer Firmen und Staaten reagieren. Das findet man an der HSG zum Beispiel bei der Forschung zu Krisenkommunikation.
Gibt es an der HSG Professoren, die einen integrierten Ansatz aufzeigen?
Es gibt sehr viele Aspekte zum Thema, zum Beispiel bei Professor Evenetts MIA-Masterkurs, der Studierenden aufzeigt, dass Unternehmen auch Mittel ausserhalb der klassischen Wirtschaftslehrbücher nutzen. Beispielsweise wenn Apple und Samsung juristische Streitigkeiten als Mittel sehen, die Konkurrenz zu behindern.
Sind Studierende nicht schon seit einer Weile an diesen Themen interessiert?
Ja, natürlich. So gibt es als Veranstaltung der Vereine ein Sicherheitspolitisches Forum an der HSG über Corporate Security.