Farfetch: Diese Aktie profitiert trotz Corona-Krise

Die Schlangen sind zurück. Vor den Louis-Vuitton-Shops in den deutschen Grossstädten stehen die Menschen wieder an. Nach den wochenlangen Ladenschliessungen im Frühjahr läuft das Geschäft, wie auch bei den diversen anderen Luxusmarken. Die Aktien der Unternehmen haben sich ebenfalls deutlich erholt. Der Rubel rollt. Wobei: der eher nicht. Russische und chinesische Touristen sind es nicht, die derzeit die Umsätze bringen. Die Schlangen entstehen vor allem deshalb, weil sich in den Läden nicht mehr so viele Menschen aufhalten dürfen. Doch die Luxusgüterbranche profitiert dafür von einem ganz anderen Trend, der durch die Corona-Pandemie verstärkt wurde. Amazon der Luxusgüter Denn auch hier gehen die Konsumenten nun immer mehr dazu über, online einzukaufen. Das treibt die Umsätze der verschiedenen Marken zusätzlich, vor allem aber profitiert davon eine Firma, die bisher die wenigsten kennen. Sie hat das Zeug dazu, in den kommenden Jahren zum Amazon der Luxusgüterbranche zu werden. Louis Vuitton zeigt bisher am eindrücklichsten, wie wenig die Pandemie der Branche anhaben konnte. In der vergangenen Woche veröffentlichte der Dach-Konzern LVMH, zu dem auch Moët und Hennessy sowie eine ganze Reihe weiterer Luxusmarken von Dior bis Givenchy gehören, seine Zahlen. Zwar sind die Umsätze gegenüber demselben Vorjahreszeitraum um sieben Prozent zurückgegangen. Doch die Branchenexperten hatten weit mehr erwartet. Zudem legten die Verkäufe im Segment Mode und Lederwaren sogar um zwölf Prozent zu. Einige Marken wie Hermès und Bottega Veneta berichteten sogar bereits wieder insgesamt Zahlen über dem Vorjahr. «Trotz des grossen kurzfristigen Gegenwinds aus einer globalen Pandemie, makroökonomischer Unsicherheit, den US-Wahlen und dem Ausfall des globalen Tourismus normalisieren sich die Einnahmen des Luxussektors», schlussfolgern die Experten der Bank of America. Das lässt sich auch an den Aktienkursen ablesen. Der S&P Global Luxury Index, der die 80 grössten Luxusmarkenanbieter umfasst, brach zwar im März rund 40 Prozent ein, erholte sich aber genauso schnell wieder und steht inzwischen 24 Prozent höher als vor zwölf Monaten. Offenbar kann die Wirtschaftskrise den Käufern teurer Luxusartikel wenig anhaben. Das zeigt auch eine aktuelle Umfrage der UBS in China, Frankreich und Italien. So gab in Italien die Hälfte der Befragten an, ihre Ausgaben für solche Konsumgüter seien in den vergangenen sechs Monaten unverändert geblieben, in Frankreich und China war es jeweils rund ein Drittel. Viel wichtiger jedoch: In Italien hat ein Viertel die Ausgaben seit März gesteigert, in China waren es 35 Prozent und in Frankreich sogar 40 Prozent. Luxus-Uhr statt USA-Reise Das hängt letztlich auch damit zusammen, dass die Menschen nicht mehr oder nur noch wenig verreisen können. Das Geld, das sie normalerweise dafür ausgeben würden, fliesst nun eben in den Kauf einer neuen Handtasche, eines teuren Outfits oder einer Luxus-Uhr. Zudem wirken die weltpolitischen und gesundheitlichen Unsicherheiten sogar unterstützend. «Es ist allgemein bekannt, dass die Konsumenten in unsicheren Zeiten auf die Dinge setzen, die sie kennen und denen sie vertrauen», sagt Swetha Ramachandran, Anlageexpertin für Luxusaktien beim Schweizer Vermögensverwalter GAM. «Der Konsum von Luxusmarken vermittelt ihnen in diesen unsicheren Zeiten ein gutes Gefühl.» Doch selbst wenn die Zeiten wieder ruhiger werden, dürfte sich der Trend nicht umkehren. Denn dieser spricht auch langfristig für die Branche. Das liegt vor allem an der Nachfrage aus Asien, insbesondere aus China. Eine Untersuchung der Unternehmensberatung PwC stellt fest, dass chinesische Haushalte ihre Ausgaben für Luxusgüter zwischen 2016 und 2018 um 13 Prozent steigerten. Von 2014 bis 2016 lag das Plus erst bei sieben Prozent. Und der Anteil der Chinesen, der sich Luxusartikel leisten kann, steigt weiter. Laut OECD wird die chinesische Mittelschicht allein in diesem Jahrzehnt um 370 Millionen Menschen wachsen, ihre Kaufkraft werde um 14,5 Billionen Dollar steigen. Luxus-Shopping im Internet liegt im Trend Der Markt wird also weiter wachsen. Allerdings werden sich die Marktplätze verändern – dies hat gerade die Pandemie gezeigt. «Eine wichtige Veränderung im Verhalten der Verbraucher infolge des Ausbruchs von Covid-19 scheint eine steigende Präferenz für das Luxus-Shopping im Internet zu sein», stellen die Einzelhandelsexperten der Investmentbank UBS in einer aktuellen Analyse fest. Bisher war der Bereich der Luxusgüter noch einigermassen resistent gegenüber der Abwanderung ins Internet. Das liegt einerseits daran, dass für solch hochpreisige Artikel das Vertrauen in den Händler eine grosse Rolle spielt, zum anderen bringen ältere Kunden die grössten Umsätze, und diese waren beim Kauf im Internet bisher deutlich zurückhaltender als die jüngeren. Doch das ändert sich gerade. «Luxuskonsumenten aus der Babyboomer-Generation nehmen im Hinblick auf die Nutzung digitaler Medien zunehmend die Geisteshaltung der Millennials an», sagt Swetha Ramachandran. Farfetch-Aktie verdreifacht ihren Wert Zum einen waren die Geschäfte oft viele Wochen geschlossen, es gab daher keine andere Möglichkeit einzukaufen. Zum anderen ist die ältere Generation in der Pandemie aber auch gefährdeter, diese Menschen bleiben also oft lieber zu Hause und kaufen virtuell ein als im Gedränge des Einzelhandelsgeschäfts. Das tun sie einerseits auf den Internetseiten der jeweiligen Marken. Doch viel häufiger noch auf Plattformen, die eine grosse Bandbreite an Marken anbieten. Diese heissen beispielsweise Luisa Via Roma, Net-a-porter (gehört zum Richemont-Konzern) oder Farfetch. Nur letztere ist börsennotiert, und an deren Kursverlauf lässt sich gut ablesen, wie sich das Geschäft in den vergangenen Monaten entwickelte. Denn seit Oktober vergangenen Jahres hat sich der Wert der Aktie mehr als verdreifacht. «Farfetch hat sich zu einer vertrauenswürdigen Online-Luxusplattform entwickelt und sich Produkte von über 1300 Partnern gesichert, darunter 500 direkt von den Markenherstellern», stellen die Analysten der Bank of America fest. «Das Feedback grosser Luxuskonzerne wird immer positiver, und man hat enge Beziehungen zu wichtigen Partnern wie LVMH, Kering und Prada aufgebaut.» Zwar könne Farfetch zu einem Übernahmeziel werden. Dazu müsste dann allerdings der Gründer und Firmenchef Jose Neves zustimmen, der derzeit noch knapp 70 Prozent der Stimmrechte hält. Farfetch könnte bessere Aktien-Wahl sein Für sie ist daher Farfetch auch einer von drei Top-Picks im Luxusaktiensegment. Die anderen beiden sind LVMH und Burberry. Auf dem absteigenden Ast sehen sie dagegen Richemont, Kering und Hugo Boss. Die Analysten der UBS dagegen favorisieren gerade Kering, neben LVMH, Hermès und Capri. Für sie gehören dagegen Burberry, Tod’s und Swatch eher zu den Verlierern.Luxus im E-Commerce Lesen Sie zum Thema auch den Artikel «Luxus-E-Commerce: Farfetch läuft Richemonts Net-a-Porter den Rang ab». Im Zweifel könnte also Farfetch die bessere Wahl sein – denn die Online-Plattform gewinnt immer, egal, welche Marke bei den Verbrauchern die Nase vorn hat. Immerhin soll der Internethandel mit Luxusgütern nach Schätzungen der Bank of America bis 2025 auf 95 Milliarden Dollar wachsen. 2019 waren es noch 35 Milliarden. Es sei denn Farfetch bekommt neue, mächtige Konkurrenz, beispielsweise Amazon. Der Konzern hat gerade eine Plattform namens Luxury Stores gestartet. Doch bisher sind dort gerade mal zwölf Marken vertreten. Und die Experten von Bank of America glauben nicht, dass daraus wirklich eine Gefahr für Farfetch wird. «Wir zweifeln, dass sich einer der grossen Luxus-Konzerne Luxury Stores anschliessen wird.» Denn diese seien schon in der Vergangenheit gegenüber Partnerschaften mit Amazon sehr ablehnend gewesen. Sie halten Farfetch daher für besser aufgestellt, um vom zu erwartenden Wachstum im Onlinevertrieb von Luxusgütern zu profitieren. Dieser Artikel erschien zuerst im Bezahlangebot der «Welt» unter dem Titel «Luxus trotzt der Krise – Deshalb sollten Sie jetzt diese Aktie kennen».

Farfetch: Diese Aktie profitiert trotz Corona-Krise

Luxus-Titel im Hoch: Diese Aktie boomt trotz Krise