Buffett vs Gold: Wer gewinnt das Duell?

Warren Buffett ist eine Investorenlegende. In diesem Sommer feiert er seinen 92. Geburtstag, reicher als je zuvor. Sein Vermögen wird auf über 100 Milliarden Dollar geschätzt. Damit gehört er zu den zehn reichsten Personen auf dem Planeten. Die erste Million machte Buffett in den 1960er Jahren. Dreissig Jahre später mutierte er zum Milliardär. Nochmals dreissig Jahre später hat er die Schwelle zum dreistelligen Milliardär überschritten. Eine Wahnsinnsleistung, die ihm den Beinamen «Das Orakel von Omaha» eingebracht hat. Doch hat Buffett wirklich so ein Goldhändchen? Ein kleines Fragezeichen setzte nun Charlie Bilello: Letzte Woche rechnete der CEO einer New Yorker Vermögensberatungsfirma aus, dass der Goldpreis – in Dollar – in den vergangenen zwanzig Jahren um 548,2 Prozent nach oben geklettert ist. Und die Aktie von Warren Buffetts Berkshire Hathaway ist im gleichen Zeitraum um ebenfalls 548,2 Prozent gestiegen. Die verblüffende Koinzidenz ist für Freunde solider Anlagen interessant. Denn die Fans des «Value Investing» können zu Buffetts Verteidigung nicht einmal anführen, dass sie immerhin einen Dividendentitel im Depot hatten: Berkshire Hathaway schüttet keine Gewinne aus – sondern investiert sie jeweils in weitere Wachstumswerte. Auf der Gegenseite ist das Gold ein unfruchtbares Material, dessen Wert daraus erwächst, dass die Menschheit es als soliden Wertspeicher betrachtet. Es ist – in langfristiger Perspektive – quasi der Nullmeridian der Unternehmensbewertung, und das macht Bilellos Vergleich so bedeutungsvoll. Denn er besagt: Nicht einmal Warren Buffett schafft es. Nicht einmal der Mann, den viele als grösstes Investmentgenie unserer Epoche betrachten, schlägt den natürlichen Benchmark. Und der Langfristdenker unter Millionen Kurzsichtinvestoren ist nicht in der Lage, über zwanzig Jahre hinweg den Goldpreis abzuhängen. Das Goldwürfel-Gleichnis Ist diese Argumentation fair? Zumindest greift sie Buffett mit seiner eigenen Logik an. Das «Orakel von Omaha» hat für Goldanlegerinnen und Goldanleger bekanntlich nur Verachtung übrig. Und berühmt wurde ein Vergleich, den Buffett in einem seiner legendären Aktionärsbriefe machte: Im Mai 2011 rechnete er vor, dass alles Gold der Welt zusammengeschmolzen einen Würfel von etwa zwanzig Meter Kantenbreite ergäbe. Für den Gegenwert dieses Würfels – so Buffetts damalige Kalkulation – bekäme man 16 Konzerne von der Grösse von Exxonmobil, obendrein das gesamte Farmland der USA. Und man hätte am Ende immer noch 1000 Milliarden Dollar Cash auf der Seite. Diese 16 Exxons, das Agrarland und auch das Bargeld würden dann Jahr für Jahr Milliardenerträge abwerfen. Der Goldwürfel hingegen wäre auch Jahrzehnte später noch ein Goldwürfel im Format zwanzig mal zwanzig Meter. Buffett und sein Compagnon Charlie Munger, 98, sind erfahren und gewitzt. Sie haben ein Topinvestmentteam zur Verfügung. Obendrein können sie Fremdkapital zu Konditionen aufnehmen, die andere Unternehmen vor Neid erblassen lassen. Und trotzdem: Wie die von Charlie Bilello ausgewählten Charts zeigen, war der Kurs der Berkshire-Hathaway-Aktie in diesen zwanzig Jahren fast immer schlechter dran als der Goldpreis.Theorie der effizienten Märkte Buffetts Gold-Vergleich ist Wasser auf die Mühlen jener, die sagen, dass es auf lange Sicht niemanden gebe, der den Markt schlagen könne. Die Idee ist bekannt als Theorie der effizienten Märkte, eine mathematisch-statistische Theorie der Finanzökonomik. Sie wird seit Jahrzehnten an allen Business Schools gelehrt. Zu den ideologischen Vätern gehören die beiden amerikanischen Nobelpreisträger Paul Samuelson und Eugene Fama. Die Theorie besagt im Kern, dass Assetpreise alle verfügbaren Informationen widerspiegeln. Kein Marktteilnehmer kann den Markt langfristig schlagen – ausser durch Glück oder durch Nutzung von nicht öffentlichen Informationen. Interessant in diesem Zusammenhang: Die Entwicklung von Berkshire Hathaway in den letzten zwanzig Jahren deckt in etwa den Verlauf des S&P 500 ab. Der Index umfasst die 500 grössten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen. Die Idee der effizienten Märkte bildet denn auch das Fundament für passive Indexprodukte. Demnach sind Investorinnen und Investoren langfristig am besten bedient, wenn sie ihr Geld auf einen Aktienindex setzen und einige Jahrzehnte liegen lassen. Kurzfristige Kursraketen à la Tesla gehen damit zwar verloren. Aber unterm Strich bleibt trotzdem eine Performance à la Warren Buffett. Es ist also nicht so, dass das etwas trübe Bild für Buffett jetzt bloss von der Pandemiezeit geprägt (und eventuell verfälscht) wurde: Bekanntlich profitierte der Goldpreis massiv von der Dauerkrisenstimmung seit Frühling 2020. Derweil hatte die Berkshire-Aktie eher Mühe: Man spürte zunehmend, dass das Konglomerat die Wachstumsraten der Vergangenheit nur noch schwerlich schafft. Und dass es schwieriger geworden ist, Investmentperlen zu finden. Unfreiwillig und unausgesprochen brachte der Meister selbst das Problem auf den Punkt, als er im Frühjahr 2020 sein Portfolio umgewichtete, dabei viele Bankaktien abstiess – und zum ersten Mal in grösserem Stil bei Goldminenaktien einstieg. It’s the timeframe, stupid! Ein anderer Investmentmanager und -berater, Ben Hunt, nahm den Zwanzigjahresvergleich als Musterbeispiel dafür, wie sehr die Suche nach fundamentalen Werten nur ein «Narrativ» sei. Also eine Geschichte, an die viele glauben – und nicht mehr. Und sicher kein direkter Weg zum Reichtum. Allerdings ist damit doch noch nichts bewiesen. Denn auch in diesem Fall gibt es einen weiteren Faktor, der über Erfolg und Misserfolg massgeblich entscheidet – der zeitliche Ausschnitt. Nur schon in den wenigen Tagen seit Charlie Bilellos pfiffigem Vergleich hat sich das Verhältnis wieder leicht verschoben (Gold: plus 537 Prozent innert zwanzig Jahren – BRK: plus 548 Prozent). Von 114,75 Dollar zu 100 Milliarden Und wählt man andere Ausschnitte, sieht man plötzlich wieder einen fröhlich lächelnden Warren Buffett vor sich. Denn betrachtet man es nur schon über die letzten zehn Jahre, so legte der Unzenpreis des Goldes lediglich um 10 Prozent zu – ein sehr bescheidenes Ergebnis inmitten boomender Aktienmärkte. Derweil konnte die Berkshire-Aktie um satte 311 Prozent steigen. Noch krasser wird es, wenn man den ganz weiten Blick wählt: Im Dreissigjahreszeitraum seit Januar 1992 stieg der Goldpreis zwar um ansehnliche 405 Prozent, doch die A-Aktie von Berkshire Hathaway legte um 4694 Prozent zu. Oder um es sogar mit der Adlerperspektive des Seniors aus Omaha zu sagen: Im Jahr 2018 rechnete Warren Buffett vor, was aus seinem ersten Investment geworden wäre, wenn er sein Leben nicht als aktiver Value-Investor verbracht hätte. 114,75 Dollar investierte der junge Mann aus Nebraska im März 1942 in Aktien. Hätte er auf Gold gesetzt, so wären bis Mai 2018 läppische 4200 Dollar daraus geworden. Ein passiver Indexfonds hätte ihm immerhin 606’800 Dollar gebracht. Millionär wäre er so aber nie geworden. Milliardär schon gar nicht. Und an einen hundertfachen Milliardär ist überhaupt nicht zu denken.

Buffett vs Gold: Wer gewinnt das Duell?

These: Warren Buffett hat gar kein Goldhändchen