Herr Botschafter, reisen Sie gern durch Schweiz? Ja, ich reise gerne. Wo hat es Ihnen am besten gefallen? Ich mag Bern, wo ich arbeite und lebe. Und natürlich mag ich auch die Landschaft der Schweiz. Welche kulinarischen Spezialitäten mögen Sie am meisten? Von Asiaten heisst es oft, das Schweizer Essen sei ihnen zu schwer, wegen des vielen Rahms und Käses. Ich persönlich finde das Schweizer Essen in Ordnung. Ich mag typisch schweizerische Milchprodukte und Schokolade. Welchen Teil unseres Landes kennen Sie noch nicht? Inzwischen habe ich schon mehrere Kantone besucht. Allerdings habe ich angesichts der epidemiologischen Lage noch nicht die Chance, Reise in Kantone zu unternehmen, die weit weg von Bern liegen, wie beispielsweise diejenigen der Ost- und Zentralschweiz.Die acht Hauptthemen des Interviews Teil 1: Minderheitenpolitik Chinas Teil 2: Das Abseitsstehen der Schweiz bei Sanktionen Teil 3: Mangelnde Rechtssicherheit von Schweizer Firmen in China Teil 4: Wie Schweizer Geschäftsleute sich klugerweise in China verhalten Teil 5: Chinas «andere» Aktivitäten in der Schweiz Teil 6: «Evergrande», Online-Gaming, Privatunterricht und die Taiwanfrage Teil 7: Die Erwartungen Chinas an die Schweiz Teil 8: Die Klimafrage China kennt keine Reisefreiheit. Wenn ein Schweizer in die Uiguren-Provinz Xinjiang reist, wird er von Sicherheitsleuten beschattet, freie Gespräche mit Einheimischen sind kaum möglich. Mir ist diese Situation nicht bekannt. Xinjiang ist ein offenes Gebiet, wohin ausländische Touristen ganz normal reisen können. Vor Ausbruch der Epidemie hiess Xinjiang jedes Jahr mehr als zwei Millionen ausländische Touristen willkommen. Zu Ihrer Behauptung: Glauben Sie wirklich, dass es möglich ist, jeden einzelnen Touristen zu beschatten? Warum will die chinesische Regierung nicht, dass Ausländer mit Einwohnern sprechen? Wie ich gerade gesagt habe, wir begrüssen es, wenn Freundinnen und Freunde aus dem Ausland eine Reise nach Xinjiang unternehmen. Auf Videoplattformen wie Youtube und Tiktok sind viele Videos von ausländischen Touristen zu sehen, die nach Xinjiang reisen. Sie geniessen das gute Essen, machen Fotos von touristischen Sehenswürdigkeiten und sprechen mit Einheimischen. Es gibt kein Problem. Die Schweiz ist ein sehr diverses Land, mit vier verschiedenen Sprachen und Kulturen. Ein Modell für China? Meines Erachtens steht China der Schweiz diesbezüglich in nichts nach. In Regionen wie Xinjiang, Tibet und Innerer Mongolei wird der Schulunterricht zweisprachig geführt, sowohl in Chinesisch als auch in der Sprache der jeweiligen Ethnien. Auch Strassennamen, Namen von Geschäften und Ausweisdokumente sind zweisprachig. Kultur und Brauchtum dieser ethnischen Minderheiten werden gut geschützt. Im Übrigen sind unsere Renminbi-Banknoten nicht nur auf Chinesisch, sondern in vier weiteren Sprachen beschriftet, nämlich in Tibetisch, Uigurisch, Mongolisch und der Zhuang-Sprache. In diesem Punkt sind die chinesischen und die Schweizer Banknoten einander sehr ähnlich. Muslimische und tibetische Bürger werden diskriminiert und in Lager gebracht. Warum geniessen sie nicht die gleichen Rechte wie die Han-Chinesen? Ihre Frage zeigt, wie wenige das Schweizer Publikum China kennt. Das Gegenteil ist der Fall: Regionen mit ethnischen Minderheiten, beispielsweise Xinjiang, werden von der Regierung in vielen Bereichen bevorzugt behandelt, beispielsweise wenn es um die Finanzpolitik geht, den Zahlungsverkehr, die Geburtenpolitik oder die Zulassung an Universitäten. Ein uigurischer Maturant respektive eine Maturandin aus Xinjiang braucht im Vergleich zu Han-chinesischen Mitschülerinnen und Mitschülern eine niedrigere Note, um einen Studienplatz an einer der besten Universitäten Chinas zu bekommen.Wan Shihting 54, verheiratet, eine Tochter. Ausbildung BA Geschichte, Shandong Normal University LBB, China Foreign Affairs University Master Internationale Politik, George Washington University Berufliche Karriere 2006 bis 2007 Botschaftsrat in Südafrika 2008 bis 2012 Afrika-Abteilung des Aussenministeriums 2013 bis 2014 stellvertretender Generaldirektor der Afrika-Abteilung 2015 bis 2016 Botschafter in Malawi 2017 bis 2020 Botschafter in Ghana Seit August 2020 Botschafter in der Schweiz Wir lesen hier über Wang Junzheng. Er war bis vor kurzem Sicherheitschef der Region Xinjiang. Er gelte als «einer der Architekten des Lagersystems, in dem Hunderttausende Menschen weggesperrt, indoktriniert und in Zwangsarbeitsprogramme genötigt wurden», schrieb die China-Korrespondentin des «Tages-Anzeiger» Ende Oktober. Was sagen Sie dazu? Es gibt keine «Umerziehungslager» in Xinjiang. Das ist eine politische Lüge, die die USA und anti-chinesische Akademiker wie Adrian Zenz zusammengebraut haben, mit dem Ziel, China zu diffamieren und zu verunglimpfen (Anmerkung der Redaktion: Zenz ist ein deutscher Anthropologe mit religiösem Hintergrund, der sich seit zwanzig Jahren mit der Minderheitenpolitik Chinas befasst). Richtig ist, dass in der Vergangenheit in Xinjiang Berufsbildungszentren eingerichtet wurden, in denen Sprache und Schrift, Rechtskenntnisse und berufliches Handwerk vermittelt wurden. Mit «Zwangsarbeit» hatte das nichts zu tun. Bis Oktober 2019 haben alle Teilnehmenden die Ausbildung erfolgreich absolviert. Momentan gibt es kein einziges Ausbildungszentrum dieser Art. Wang Junzheng, der Architekt der Lager, steht wegen seiner Tätigkeit in Xinjiang auf Sanktionslisten der EU, der USA, Kanadas und Grossbritanniens. Haben sich all diese gewichtigen Länder in der Einschätzung getäuscht? Derartige Sanktionen beruhen auf Lügen und Fake News, sie sind rein politisch motiviert. Diese Sanktionen sind eine grobe Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas. Wir protestieren mit Nachdruck gegen diese Sanktionen und verurteilen diese aufs Schärfste. China hat Sanktionen gegen einige Institutionen und Einzelpersonen aus den oben genannten Ländern verhängt. Sie beeinträchtigen die Souveränität und die Interessen Chinas. Die Schweiz hat sich den Sanktionen nicht angeschlossen. Sie wird dafür im Westen und von linken Parteien als Opportunistin gescholten. Zu Recht? Die Schweiz ist weder Mitglied der EU noch der NATO. Als neutrales Land verdient die Schweiz Respekt für ihre Entscheidungen. Die Hauptkritik: Die Wirtschaftsbeziehung mit China sei ihr wichtiger als das Einstehen für universelle Menschenrechte auf der Welt. Wie ich gerade gesagt habe: Die Schweiz ist ein souveräner Staat und betont immer wieder, dass sie in der Aussenpolitik einen unabhängigen und selbstbestimmten Kurs verfolgt. Ich glaube, dass man die Entscheidungen der Schweizer respektieren soll. Welche Vorteile haben Schweizer in China, wenn sich die Schweiz nicht an international beschlossenen Sanktionen beteiligt? Dass einige wenige Länder böswillig gegen China vorgehen, wie kann man es als international beschlossene Sanktionen bezeichnen? Wenn sich einige westliche Länder als die internationale Gemeinschaft bezeichnen, dann ist das schlicht falsch. Asiatische, afrikanische und lateinamerikanische Länder haben sich diesen sogenannten Sanktionen gegen China nicht angeschlossen. Im UN-Menschenrechtsrat und im Ausschuss 3 der UN-Generalversammlung haben mehr als neunzig Länder China unterstützt und dagegen protestiert, dass andere Länder Menschenrechte als Vorwand nehmen, um sich in die inneren Angelegenheiten Chinas einzumischen. Das ist die Stimme der internationalen Gemeinschaft. Das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat die Wirtschaft aufgefordert, ihre Lieferketten in China zu überprüfen und Produkte, etwa Baumwolle aus Xinjiang, nicht mehr zu verwenden. Weil sie aus Zwangsarbeit stammen könnten. Zu Unrecht? In Xinjiang gibt es gar keine Zwangsarbeit. Mit solchen Massnahmen wird Baumwolle aus Xinjiang diskriminiert. Gegenwärtig ist die Baumwollproduktion in Xinjiang hochgradig automatisiert: Das Aussäen wird hundertprozentig maschinell durchgeführt, und beim Ernten beträgt der Anteil der maschinellen Anwendung 70 Prozent. Fast all diese Arbeiten werden von Maschinen erledigt. Wie soll es da Zwangsarbeit geben? Einige Leute im Westen behaupten gerne, dass sie gegen die Zwangsarbeit seien. Gleichzeitig boykottieren sie aber die Baumwolle aus Xinjiang, was künstlich erzeugte Zwangsarbeitslosigkeit und Zwangsarmut verursacht. Wir protestieren dagegen. Auch sollen Schweizer Firmen keine Maschinen nach Xinjiang mehr liefern. Zu Unrecht? Einige wenige anti-chinesische Akteure und Medienschaffende fabrizieren Lügen über Xinjiang und nutzen dies, um Druck auf Regierungen und Unternehmen auszuüben. Das ist eine Manipulation der Meinungsbildung. Gerade haben Sie viele Fragen über Xinjiang gestellt, was impliziert, dass Sie uns schon Verbrechen unterstellen. Also typisch in dubio contra reum, wie es Juristen zu sagen pflegen. Das Wesen der Xinjiang-Fragen liegt aber darin, dass es um Lügen geht, die von anti-chinesischen Kräften und Terroristen der Ostturkestan-Bewegung (Anm. d. Red.: Islamistische Autonomiebewegung im Westen Chinas) fabriziert sind, mit dem Ziel, China zu diffamieren und zu schwächen und Propaganda für Terroristen sowie Separatisten zu machen. 2014 wurde das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China abgeschlossen und feierlich unterzeichnet. Schweizer Unternehmer hatten damals grosse Hoffnungen, dass Chinas Regierung gute Bedingungen für hiesige Firmen in China schaffen werde: Abbau von Bürokratie, die Abschaffung von Zöllen und die Möglichkeit, sich mehrheitlich an Tochterfirmen in China zu beteiligen. Welche Bilanz ziehen Sie nach sieben Jahren? Laut einer Analyse von 2018 beträgt die Nutzungsrate des Freihandelsabkommens etwa 50 Prozent und chinesische sowie schweizerische Unternehmen sind zufrieden mit der Umsetzung des Abkommens. In den vergangenen Jahren verzeichneten die Handelsvolumen zwischen China und der Schweiz ein ständiges stabiles Wachstum. 2020 erreichte es 30,8 Milliarden Franken, 9 Prozent mehr als im Vorjahr. Unter dem Einfluss der Epidemie war der Handel zwischen der Schweiz und anderen wichtigen Handelspartnern rückläufig, während der Handel mit China angestiegen ist. Dies zeigt deutlich, dass das Freihandelsabkommen eine positive Rolle bei der Förderung der Wirtschafts- und Handelszusammenarbeit zwischen den beiden Ländern spielt. Schweizer Exporteure beklagen, das Freihandelsabkommen sei oft toter Buchstabe, weil die Hürden zur Geltendmachung von Zollreduktionen in China enorm seien. Ein Vertreter der Pharmaindustrie sagte mir kürzlich, er zahle lieber Zölle, als auf die Zollreduktionen zu pochen, denn bis diese bewilligt seien, daure es zu lange. Was sagen Sie dazu? Das höre ich zum ersten Mal so. Bisher fiel die Bewertung von fast allen Schweizer Unternehmen und Regierungsinstanzen nur positiv aus. Man sollte nicht Beschwerden von einzelnen Unternehmen der Ansicht einer ganzen Branche gleichsetzen. Das ist kein Einzelfall. Die Nahrungsmittelindustrie beklagt, dass Firmen jahrelang auf eine chinesische Inspektion ihrer Produktionsstätten in der Schweiz warten. Einzelne Unternehmen, die sich darüber beschweren, repräsentieren nicht die Schweizer Wirtschaft. Wäre die Situation so schlimm, wie Sie erwähnt haben, wäre der Handel zwischen China und der Schweiz schon lange ins Stocken geraten. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Laut Statistik erreichte das chinesisch-schweizerische Handelsvolumen von Januar bis Juli 2021 19,4 Milliarden Franken. Das entspricht einem Anstieg von 12,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Schweizer Exporte nach China beliefen sich auf 9,3 Milliarden Franken, ein Anstieg von 21,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ich insistiere: Einzelne Unternehmen mögen sich darüber beschweren, was aber nicht bedeutet, dass andere Unternehmen das gleiche Problem haben. Generell läuft die Wirtschafts- und Handelskooperation zwischen den beiden Ländern reibungslos. Aus der Finanzierung von «Belt and Road»-Infrastrukturprojekten (BRI) durch Schweizer Banken ist nichts geworden – trotz dem «Memorandum of Understanding», das Finanzminister Ueli Maurer 2017 mit China signiert hatte. Es gab kein einziges Finanzierungsprojekt, sagt die Bankenbranche. Warum? Das stimmt nicht. Im Jahr 2019 lancierte Vontobel zusammen mit der China Construction Bank ein Finanzprodukt im Rahmen der BRI. Es war das allererste Produkt dieser Art. Seit April des vergangenen Jahres verbindet die Schweiz und China ein Containerzug, der einmal wöchentlich fährt. Hersteller von Markenartikeln wie Uhren und Taschenmessern beklagen, dass immer noch sehr viele Fälschungen aus China auf den Markt kommen. Und dies, obwohl China der Schweiz im Freihandelsabkommen zugesichert hat, die Verletzung von Marken- und Patentrechten viel intensiver zu bekämpfen. Die chinesische Gesetzgebung schützt bereits die Herkunftsangabe «Schweiz». Ausserdem überwacht das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) die Markenregistrierungen der Marke «Schweiz» in China systematisch und führt mit uns einen bilateralen Dialog zum geistigen Eigentum. Vom Bundesrat publizierte Daten zeigen: Die Fallzahlen nehmen markant ab. Bis 2017 legte das IGE jeweils über hundert Mal pro Jahr Widerspruch gegen gefälschte Swissness-Marken ein. Zwei Jahre später musste das IGE nur noch in vier Fällen intervenieren, 2020 waren es 14 Fälle. Das ist die Realität. Man soll nicht Behauptungen von Einzelnen als das Problem im Ganzen betrachten. Eine EU-Studie von Ende Oktober 2021 zeigt: 75 Prozent der Artikel aus dem chinesischen Online-Handel im Export in die EU sind Markenfälschungen. Leider kenne ich die Studie nicht. Regierungen aller Länder sind dazu verpflichtet, gegen Fälschungen und minderwertigen Waren vorzugehen. Es gibt auch chinesische Marken, die international bekannt sind und darunter leiden, dass sie gefälscht werden. Deswegen setzt sich auch die chinesische Regierung für die internationale Kooperation ein. Unter bürgerlichen Politikern in der Schweiz herrscht die Überzeugung, dass Chinas Regierung den liberalen Markt in der Schweiz zwar gerne rege nutzt, dass Schweizer Unternehmen in China aber nicht gleichberechtigt sind. Generell gesehen präsentieren sich Handelstätigkeit zwischen China und der Schweiz und gegenseitige Investitionen als ausgewogen. Mehr als tausend Schweizer Unternehmen machen Geschäfte in China. Sie können am besten beurteilen, wie das Geschäftsumfeld in China ist. Laut einer Umfrage, die kürzlich von der Swiss-Chinese Chamber of Commerce in Schanghai publiziert wurde, stellt China trotz verschiedenen Herausforderungen nach wie vor einen attraktiven Investitionsstandort für Schweizer Unternehmen dar. Die befragten Unternehmen bezeichnen das aktuelle Investitionsumfeld in China generell als «gut» oder gar als «besser als vor der Epidemie». Ein Beispiel sind Schweizer Medizinalprodukte. Ein anderes Beispiel Schweizer Nahrungsmittel. Insgesamt gilt die Wirtschaftsbeziehung von China mit der Schweiz als ausgewogen und profitabel für beide. 2020 hat China die USA als das Land mit dem weltgrössten Kapitalzufluss von ausländischem Kapital abgelöst und die ausländischen Direktinvestitionen in China sind gegen den Trend um 4 Prozent gestiegen. Sie beliefen sich auf 163 Milliarden Dollar. Die Schweizer Investitionen betrugen 600 Millionen Dollar, was einem Anstieg von 1,4 Prozent entspricht. Von Januar bis Mai 2021 gab es 18'497 Neugründung von Firmen in China, die von ausländischen Investitionen finanziert sind. Das sind um 48,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Sollte das Geschäftsumfeld in China ungünstig sein, würde eine solche Situation eintreten? Die Gesamtlage lässt sich nicht anhand von Schwierigkeiten einzelner Branchen oder Unternehmen beurteilen. Der Bundesrat führte in einem Bericht 2021 zahlreiche Probleme für Schweizer Unternehmen auf: «Mangelnde Rechtssicherheit, lokaler Protektionismus und enge Verflechtung von Chinas Staat und Wirtschaft». Was ist daran? Wenn Schweizer Unternehmen in China Geschäft treiben, dann müssen sie die dortigen Gesetze und Vorschriften einhalten. Die meisten Schweizer dürften sich wohl daran erinnern, dass Schweizer Grossbanken in einigen Ländern grosse Summen Bussgelder zahlen mussten, weil sie gegen lokale Gesetze verstossen haben. Schweizer Unternehmen müssen, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen, verstärkt an ihrer Compliance arbeiten. Das Schweizer Parlament diskutiert über ein Gesetz, das den Kauf Schweizer Infrastrukturanlagen und wichtiger Firmen durch chinesische Investoren verhindern soll. Zu Unrecht? Laut der China-Strategie des Bundesrates vom Frühjahr weist China bis 2019 einen kumulierten Kapitalbestand von 14,9 Milliarden Franken in der Schweiz aus. Dies entspricht 1,1 Prozent der gesamten ausländischen Direktinvestitionen in der Schweiz. Im gleichen Zeitraum betragen die Direktinvestitionen der USA in der Schweiz 651 Milliarden Franken, mehr als das 40-fache von China; Grossbritannien hat 68,1 Milliarden Franken investiert, das 4,5-fache von China; Japan investierte 38,5 Milliarden Franken, das 2,5-fache von China. Es ist mir schleierhaft, warum das Parlament ein spezielles Gesetz zur Beschränkung der Auslandsinvestitionen erlassen will, die nur 1,1 Prozent der gesamten Investitionen ausmachen. Was macht denn Chinas Regierung ganz konkret, um gleich lange Spiesse für Schweizer Firmen zu schaffen? Bitte zwei aktuelle Beispiele. Der kumulierte Kapitalbestand der schweizerischen Direktinvestitionen in China ist deutlich höher als jener der chinesischen in der Schweiz. Erstere betrugen Ende 2019 rund 22,5 Milliarden Franken. Bitte beurteilen Sie selber: Hat die chinesische Regierung ein günstigeres Geschäftsumfeld für Schweizer Unternehmen geschaffen oder die Schweiz ein gerechteres Umfeld für chinesische? Konkret zu Ihrer Frage: 2018 hat die UBS als das erste ausländische Finanzinstitut die Mehrheitsbeteiligung an einem Wertpapierhaus erhalten. Dann folgte die Credit Suisse. Gibt es kulturelle Eigenheiten, die für Schweizer Manager schwierig zu verstehen sind, wenn sie in China Geschäfte machen? Die Frage müssen Sie Schweizer Unternehmer stellen. China öffnet sich weiter und weiter und Chinas Wirtschaft ist stark in die Weltwirtschaft integriert. Was das Business angeht, sind die Grundregeln in allen Ländern fast gleich. Ich glaube nicht, dass China für erfolgreiche Unternehmer ein besonders hartes Pflaster ist. Es heisst, mit chinesischen Partnern müsse man eine grosse Geduld aufbringen. Das Zwischenmenschliche sei sehr wichtig. Ist das richtig? Nun, anstatt über zwischenmenschliche Beziehungen zu sprechen, ist es zutreffender zu sagen, dass zwischen Geschäftspartnern Vertrauen aufgebaut werden muss. Die Nationalität der Manager spielt dabei kaum eine Rolle, egal von welchem Land sie kommen. Niemand möchte Geschäfte mit jemandem machen, dem man nicht vertraut. Oder sehen Sie das anders? Es heisst, das Geschäftsessen mit chinesischen Partnern am Abend sei sehr wichtig. Dabei werde über Privates gesprochen und man trinke viel. So lerne man einander kennen. Das war früher so. Heute ist das anders. China hat sich in den vergangenen Jahren in einem Tempo entwickelt und verändert, das die Erwartung aller übertroffen hat. Auch die Sitten bei Banketten und Essen haben sich verändert. Worauf ich hinaus will, ist Folgendes: Mit Trinken allein macht man keine Geschäfte. Denn mit der Verbesserung des Lebensstandards streben Chinesinnen und Chinesen einen gesünderen Lebensstil an. Bekannt sind unter Geschäftsleuten insbesondere die Schnäpse Baijiu und Maotai. Letztere gelten auch als offizielle Staatsgeschenke. Die Trinkkultur hat in China eine lange Tradition. Alkoholische Getränke sind Teil der Gastfreundschaft. Eingeladenen etwas Alkoholisches zu servieren, ähnlich wie Whisky oder Brandy, gehörte schon immer dazu. Diese Tradition hat sich bis heute gehalten. Allerdings lässt sich beobachten, dass der Konsum von Spirituosen in China stetig abnimmt, während Wein und andere alkoholische Getränke mit niedrigem Alkoholanteil immer beliebter werden. Heutzutage ist es üblicher, Geschäftsleute zum Sport einzuladen, als mit ihnen ins Restaurant oder in die Bar zu gehen. Zusammen Sport zu treiben und zu schwitzen oder zusammen zu golfen, helfe, sich besser zu verstehen, heisst es. Jemand, der heute in China Geschäfte macht, muss mit diesen Veränderungen Schritt halten. China-Kenner sagen: Chinesen seien vor allem anderen Menschen verpflichtet. Im Geschäft seien es die Vorgesetzten, nicht die Firma, denen man Loyalität schulde. In Institutionen seien es die vorgesetzten Beamten und nicht die Institution, denen man sich verpflichtet fühle. Das Gleiche gelte für die Partei. Deshalb fürchten Schweizer Unternehmer den Wechsel von Parteifunktionären. Denn sie führen immer zu Unsicherheit. Ist da was dran? Das ist eine gute Frage. 2000 Jahre lang herrschte in China der Feudalismus. Der Verhaltenskodex, dass man dem Vorgesetzten verpflichtet ist, war einmal tief in der chinesischen Gesellschaft verankert. Nach der Gründung des neuen Chinas aber, insbesondere seit dem 18. Parteitag, setzt sich die Kommunistische Partei Chinas mit Nachdruck dafür ein, dass Regierungsbeamte in erster Linie dem Volk und dem Land verpflichtet sein sollen. Zugleich wird die Korruptionsbekämpfung vehement vorangetrieben, bei der man grosse Fortschritte und bemerkenswerte Erfolge erzielt hat. Die von Ihnen angesprochene Problematik existiert nun nicht mehr. Ein weiteres Problem für Schweizer Unternehmen ist die Wirtschaftsspionage durch staatliche Akteure Chinas, insbesondere im wissenschaftlichen Austausch. Forschungsresultate werden unerlaubterweise nach China gebracht. Einzelne Forscher seien dem Programm «Made in China 2025» verpflichtet und nicht den Schweizer Forschungsinstituten, für die sie arbeiten. Was sagen Sie? Es gibt Menschen, die China mit Scheuklappen und ideologischen Vorurteilen betrachten und Lügen aller Art erfinden. In China gibt es die Geschichte des vermeintlichen Axtdiebs: Ein Mann fand eines Tages seine Axt nicht mehr. Er verdächtigte den Sohn seines Nachbarn, die Axt genommen zu haben. An diesem Tag beobachtete er den Sohn seines Nachbarn ganz genau. Und tatsächlich: Der Gang des Jungen war der Gang eines Axtdiebs. Die Worte, die jener sprach, waren die Worte eines Axtdiebs. Sein ganzes Wesen und sein Verhalten waren die eines Axtdiebs. Dann fand der Mann aber die Axt durch Zufall auf seinem Feld. Er hatte sie einfach dort liegen lassen. Danach betrachtete er den Sohn seines Nachbars erneut und fand, dass weder in Gang noch in Worten oder seinem Verhalten irgendetwas an einen Axtdieb denken liess. Diese gleichnishafte Geschichte wurde in einem chinesischen Klassiker vor etwa 2000 Jahren aufgezeichnet. Damit möchte ich klarstellen, dass China eine lange Geschichte und eine brillante Kultur hat. Dass sich China bis zum heutigen Zustand entwickelt hat, ist nicht dem «Klauen», sondern unserem Fleiss und unserer Weisheit zu verdanken. An welcher Schweizer Technologie ist China unter dem Programm «Made in China 2025» am meisten interessiert? Chinesische Politik hat vor allem das Ziel, Eigenständigkeit zu erlangen und die Schlüsseltechniken zu beherrschen, sodass wir nicht von anderen abhängig sind. Zugleich wollen wir internationale Kommunikation und Kooperation, auch mit der Schweiz, vorantreiben, und zwar auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts und des Win-win-Prinzips. Der Schweizer Nachrichtendienst schreibt, dass Cyberangriffe aus China am zweithäufigsten sind. Warum unterbindet Chinas Regierung solche Angriffe auf Schweizer Infrastruktur nicht? Man muss immer Beweise vorlegen. Diese Behauptungen sind völlig aus der Luft gegriffen, ohne jegliche faktische Grundlage. Nun, wir wissen alle von Wikileaks, von der Abhöraffäre Prism, die Angela Merkel betraf (Anm. d. Red.: Die USA hörten ihr Handy ab), sowie vom bekannten Abhörskandal manipulierter Chiffriermaschinen der Schweizer Crypto AG. Ich frage Sie also: Welches sind die Länder, die Cyber- sowie Lauschangriffe durchführen? Haben die zuständigen Schweizer Behörden jemals eine Untersuchung durchgeführt? China kontrolliert den gesamten Datenverkehr in China. Ist das falsch? Selbstverständlich ist es falsch. Die chinesische Regierung tut so etwas nicht. Chinesische Bürger werden per Kameras und QR-Code lückenlos verfolgt und bei Fehlverhalten zu Hause für eine gewisse Zeit eingesperrt? Diese Behauptung ist nicht richtig. Die Einrichtung von Kameras im öffentlichen Raum dient, soweit ich weiss, hauptsächlich dazu, die Aufklärungsquote bei Straftaten zu erhöhen und die soziale Sicherheit zu verbessern. Ich verstehe nicht, was Sie mit «zu Hause für eine gewisse Zeit eingesperrt» meinen. Davon habe ich noch nie gehört. Ich würde Ihnen vorschlagen, nach der Epidemie mal nach China zu reisen, am besten bleiben Sie dort ein paar Monate, um das Alltagsleben der normalen Menschen selbst zu erleben. So können Sie sich selbst eine Meinung machen. Richtig ist, dass, wer in Corona-Quarantäne ist, zu Hause bleiben muss. Die Quarantäne ist auch in der Schweiz ein anerkanntes Mittel zur Infektionskontrolle. Die chinesische Regierung hat kürzlich die Online-Zeit fürs Gamen beschränkt. Das würden sich wohl nicht wenige Schweizer Eltern wünschen ... Es handelt sich dabei, wie Sie richtig sagen, lediglich um eine Einschränkung für Minderjährige, Erwachsene sind davon nicht betroffen. Ich glaube, dass es hierzulande Verkaufsverbote respektive Verkaufseinschränkungen von Alkohol und Tabakprodukten an Minderjährige gibt. Prinzipiell steckt dahinter die gleiche Überlegung. Sie sagen ja, dass Schweizer Eltern sich ähnliche Regelungen wünschen würden. So erklärt es sich von selber, warum China diese Entscheidung getroffen hat. Eher erstaunt nahm man hier zur Kenntnis, dass die Kommunistische Partei Chinas den gesamten privaten Sektor für Nachhilfeunterricht verboten hat. Warum das? Das Ziel liegt vor allem darin, die übermässig von Hausaufgaben und Leistungsdruck geplagten Schülerinnen und Schüler zu schützen, die Qualität der Schulbildung zu verbessern und sicherzustellen, dass Schulkinder während des Unterrichts gut lernen. Gleichzeitig geht es um die Regulierung der ausserschulischen Bildungseinrichtungen. Vorher war der Markt von solchen Nachhilfeeinrichtungen überflutet und Kleinkinder hatten viel zu viel Hausaufgaben zu erledigen. Oft gingen sie erst spät nachts, so etwa um 11 oder 12 Uhr, ins Bett, und früh morgens mussten sie schon um 6 Uhr aufstehen. Möchten Sie, dass Ihre Kinder so ein Leben führen? Evergrande ist hier ein grosses Thema: Was lief da schief? Führt Chinas Regierung den Anbieter jetzt kontrolliert in den Konkurs? Erhalten ausländische Schuldner die Zinsen für Obligationen bezahlt? Ich bin kein Experte oder Insider der Immobilienbranche, auch ich habe meine Informationen vor allem aus den Medien. Soweit ich weiss, geht es dabei um einen Einzelfall und generell gesehen ist der externe Effekt kontrollierbar. Der Konzern bemüht sich proaktiv, seine Schulden zurückzuzahlen. Laut Medienberichten hat Evergrande am 22. Oktober Zinsen in Höhe von 83,5 Millionen Dollar bezahlt und damit einen erneuten Zahlungsausfall vermieden. Das ist ein gutes Zeichen. Die Verschuldung des Mittelstandes und von Firmen sei ein Riesenproblem in China, heisst es im China-Bericht des Bundesrates. Was sagen Sie dazu? Wir haben volles Vertrauen, dass die chinesische Regierung die Wirtschaft auf der Makroebene steuern kann. China war das erste Land, das nach Ausbruch der Pandemie wirtschaftlich wieder auf die Beine kam. Wir sind weltweit führend bei der wirtschaftlichen Erholung. Alle Länder sollen Vertrauen in die Zukunft der chinesischen Wirtschaft haben. Was hat China mit Taiwan vor? Der Westen sagt: Taiwan ist ein selbstbestimmtes Land und demokratisch legitimiert. Amerikanische Analysten sagen, dass Chinas Regierung sich die Insel bis 2025 einverleiben wolle. Taiwan ist Teil Chinas. Es ist reine innere Angelegenheit Chinas, weshalb jegliche Einmischung von externen Mächten ausgeschlossen ist. Die Schweizer Regierung hält sich an das Ein-China-Prinzip und erkennt Taiwan nicht als souveränen Staat an. Deshalb ist die Behauptung, Taiwan sei ein selbstbestimmtes Land, komplett falsch. Wir sind der Überzeugung, dass die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes eine historische Aufgabe ist, die auf jeden Fall realisiert werden wird. Die Wiedervereinigung in friedlicher Art und Weise zu erlangen, liegt im gemeinsamen Interesse der chinesischen Nation einschliesslich der Landsleute auf der taiwanesischen Insel. Ist diese historische Begründung nicht revisionistisch? Auch die Region Hochsavoyen und das Veltlin gehörten einmal zur Schweiz. Trotzdem käme niemand auf die Idee, diese wieder der Schweiz zuschlagen zu wollen. Die Taiwan-Frage ist eine historische Hinterlassenschaft, die sich aus dem chinesischen Bürgerkrieg ergeben hat. In völkerrechtlicher Hinsicht hat sich weder an der Souveränität noch am Territorium des Landes jemals etwas geändert. Es gibt keine Spaltung. Die staatliche Souveränität Chinas umfasst das Festland, Taiwan, Hongkong und Macao. Es ist die Gesamtheit des Landes und lässt sich nicht spalten.Wie das Interview mit Botschafter Wang Shihting zustande kam Das Interview wurde über weite Teile schriftlich geführt. Das war eine der Bedingungen der Botschaft. Zudem durften die Antworten nach der Autorisierung nicht gekürzt werden. Nachdem die Fragen schriftlich beantwortet waren, empfing der Botschafter Bundeshausredaktor Andreas Valda in seiner Residenz zu einem zweistündigen Gespräch. Das Gespräch erfolgte mithilfe eines Übersetzers von Französisch auf Chinesisch und zurück und durfte nicht aufgenommen werden. Dem Autor war lediglich erlaubt, handschriftliche Notizen anzufertigen, die er teilweise zu Fragen und Antworten verarbeiten durfte. Daraus entstanden die Passagen zu den Erfahrungen von Schweizer Geschäftsleuten in China und zur Klimapolitik. Am Ende zeigte der Botschafter unserem Autor vier Filme zur Uiguren-Frage. Die Absicht war, Chinas Perspektive zu unterstreichen: Es gibt die volle Reisefreiheit in der Provinz Xinjiang und Berichte zu Zwangslagern sind reine Propaganda der USA. Ein Video war aufschlussreich. Es trägt den Titel «U.S. Admits to Using Uyghurs in Xinjiang to Destabilize China». Darin kommt Lawrence Wilkerson vor, ein pensionierter Oberst der US-Army und früherer Stabschef des früheren Aussenministers Colin Powell. Ein zweites Video ist ebenso sehenswert. Es stammt vom chinesischen Staatssender CGTN in englischer Sprache. Es trägt den Titel «A Retired British Policeman’s Views on Uyghurs in Xinjiang». Will Chinas Regierung eine Erweiterung des bestehenden Freihandelsabkommens – und, falls ja, in welchen Punkten? Mit welcher Hoffnung? Bereits im Jahr 2017 haben China und die Schweiz eine gemeinsame Studie zum Upgrade des Abkommens lanciert. Es war ein Konsens beider Regierungen. Die Schweizer Regierung und Wirtschaft haben zum Ausdruck gebracht, dass sie grosse Erwartungen an die Weiterentwicklung des Abkommens knüpfen. China ist offen dafür. Die Verhandlungen laufen. Welche Erwartungen hat China an das Schweizer Parlament und den Bundesrat? Die Schweiz besteht auf ihrer Neutralität und verfolgt eine unabhängige und selbstbestimmte Politik. Es ist zu hoffen, dass die Schweiz ihre Beziehungen zu China auf den grundlegenden Prinzipien des gegenseitigen Respekts, der Gleichbehandlung, des gegenseitigen Nutzens und der Win-win-Kooperation aufbauen wird. Ich glaube, dass sich die chinesisch-schweizerischen Beziehungen unter Bemühungen von beiden Seiten nachhaltig, gesund und stabil entwickeln werden. Welche Erwartungen hat China an Schweizer Unternehmen in China? Die Entwicklung Chinas wird enorme Chancen mit sich bringen. Wir hoffen, dass die in China tätigen Schweizer Unternehmen die Vorteile, die sich aus der Vertiefung der chinesischen Reform und Öffnung ergeben, nutzen, um höhere Umsätze zu realisieren; dass sie die wirtschaftliche Entwicklung und das Wohlergehen der Bevölkerung befördern. All das unter der Voraussetzung, dass Schweizer Firmen chinesische Gesetze und Vorschriften einhalten. Sie können so als Brücke zwischen zwei Kulturen fungieren, damit sich beide Völker austauschen können und einander besser verstehen. Wo fühlt sich Chinas Regierung von der Schweiz unfair behandelt? Die chinesisch-schweizerischen Beziehungen entwickeln sich im Grossen und Ganzen relativ gut. Wir sind bereit, uns an den Grundsatz der Gleichbehandlung, des gegenseitigen Respekts und des Win-win-Prinzips zu halten. Dies gilt für alle Länder, auch für die Schweiz. Letzte Frage: Präsident Xi Jinping ist nicht nach Glasgow zur Klimakonferenz COP gereist. Obwohl China nach den USA das Land mit den höchsten Treibhausemissionen weltweit ist. Was nützt es, wenn die kleine Schweiz klimaneutral wird, wenn das grosse China kneift. Präsident Xi Jinping hat angekündigt, dass China bis spätestens 2030 den Höhepunkt der CO2-Emissionen erreichen soll. Zudem verpflichtet sich China zur Klimaneutralität bis 2060. China hat etwa 1,4 Milliarden Einwohner, die Schweiz lediglich 8,5 Millionen. Die chinesische Bevölkerung ist also mehr als 160 Mal so gross wie die der Schweiz. Trotzdem wollen wir nur zehn Jahre später klimaneutral werden. China macht eine verantwortungsvolle Klimapolitik, meint es damit ernst und verhält sich verantwortungsbewusst. Das behaupten alle Länder von sich. Was wir versprochen haben, werden wir umsetzen. China ist derzeit das Land mit der weltweit grössten Solar- und Windenergieleistung und mit der grössten Anzahl an Elektrofahrzeugen. Derzeit investieren wir mehr in grüne Energie als jedes andere Land auf der Welt. Damit Sie die Sicht des chinesischen Volkes besser verstehen, kann ich Ihnen auch von meinen persönlichen Erlebnissen erzählen. Ich wurde 1967 in einem kleinen Dorf Chinas geboren. Von dem Begriff Heizung hatte ich nie etwas gehört. Das China von damals war unterentwickelt – und im Winter war es so kalt, dass mir die Hände und Füsse anschwollen. Selbst meine Ohren bekamen Risse. Eine solch schmerzhafte Erfahrung vergisst man nicht so leicht. In der Schweiz läuft die Heizung ja normalerweise automatisch an und die Heizungsanlagen sind vollständig ausgerüstet, viel besser als in China. In der Schweiz muss schon seit Jahrzehnten niemand mehr unter Kälte leiden. In China ist es aber erst seit etwa zwanzig Jahren so, dass alle Menschen sich einen solchen Komfort leisten können. Und noch heute dauert die normale Heizperiode in China nur von November bis März. Trotzdem wird China sein Bestes tun, um grüne Energie auszubauen und den CO2-Ausstoss zu minimieren. Die Europäer denken: Auch China soll massiv CO2 einsparen müssen. Bis 1950 war Europa verantwortlich für mehr als die Hälfte der globalen CO2-Emissionen. Das Kohlendioxid, das vor hundert Jahren emittiert wurde, trägt noch heute zur Erwärmung bei. Die Klimakrise ist das Resultat aller CO2-Emissionen der Vergangenheit. So betrachtet sind die Vereinigten Staaten für ein Fünftel dieser Akkumulation verantwortlich, während der Anteil Chinas nur 11,4 Prozent beträgt; etwa die Hälfte im Vergleich zu den Vereinigten Staaten. Für den grössten Teil des Rests ist Europa verantwortlich. Trotzdem wird China seine Verantwortung wahrnehmen. Seit acht Jahren gilt China als weltweit grösster neuer Markt für Photovoltaikanlagen und die Wind- und Solarenergietechnik sowie die grossangelegte Produktion gehören zur Weltspitze.