Beat Burkard hatte im luzernischen Eschenbach Grosses vor. «Wir wollten nicht nur bezahlbaren Wohnraum schaffen», sagt der Investor und VR Präsident der Zentrum Oberhof AG. Niedrige Leerstands und Umzugsquoten, tiefe Betriebs und Unterhaltskosten sind ihm ein Anliegen. Das Projekt soll die Umwelt schonen und für die Bevölkerung ein gesundheitlich förderndes und erst noch attraktives Umfeld schaffen. Jetzt steht die Überbauung – und Burkard ist stolz: «Der Oberhof in Eschenbach ist eine aussergewöhnliche Überbauung.»
Bauvorhaben wie dieses werden für die kommende Generation entwickelt – also jene, die heute 15 bis 25 Jahre alt sind. Diese Generation hat neue Anforderungen an moderne Technologien, legt aber auch grossen Wert auf den schonenden Umgang mit der Umwelt und Ethik. Die Nachhaltigkeit des Projekts Oberhof ist schwarz auf weiss belegt: Es ist nach den Regeln des Standards Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) zertifiziert.
«Mit dem SNBS haben Planerinnen und Bauherren ein Instrument, um in den Bereichen Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt nachhaltig zu bauen», sagt Joe Luthiger, Geschäftsführer vom Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz (NNBS). Jeder der Bereiche ist in vier Themen unterteilt.
Diese werden mit 45 Indikatoren bewertet. Wie in der Schule: Wer überall mindestens eine 4 erreicht, erhält das begehrte Zertifikat. Wer eine 5,5 bis 6 schafft, wird mit Platin ausgezeichnet (siehe Box).
Im Mittelpunkt steht der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes. Zum Beispiel die umweltschonende Erstellung, der Wohnkomfort, die Lebenszykluskosten einer Immobilie, aber auch die Anbindung an die Verkehrsnetze. Eine gute Erreichbarkeit zu Fuss, mit dem ÖV oder dem Velo ist aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht für Mitarbeitende und Arbeitgeber von grosser Bedeutung.
«Der Oberhof in Eschenbach ist das zehnte Projekt in der Schweiz, welches das SNBS-Zertifikat erhalten hat», sagt Beat Burkard. Gemäss Luthiger stehen weitere 60 Bauvorhaben mit einer Energiebezugsfläche von fast 1 Million Quadratmetern in der Zertifizierung – das entspricht etwa der Grösse von 130 Fussballplätzen. Dazu kommen 400 Objekte, die nach SNBS-Standard gebaut, aber nicht zertifiziert worden sind. Einige Elemente der Oberhof Überbauung zeigen, worum es beim SNBS-Zertifikat geht: Für ein solches Objekt braucht es riesige Mengen an Kies und Beton. In Eschenbach lieferte das gemeindeeigene Kieswerk das Material. Und die Bauarbeiter deponierten 25 000 Kubikmeter Aushubmaterial in der Kiesgrube – ein Beispiel für regionale Wertschöpfung. Es wird kein fossiler Brennstoff verbrannt – die zentrale Holzschnitzelfeuerung beim Kieswerk sorgt für die Wärmeerzeugung Die leicht geneigten Dächer bieten ideale Voraussetzungen für die Installation einer 450 Quadratmeter grossen Photovoltaik Anlage. Diese deckt 40 Prozent des elektrischen Energieverbrauchs der 15 Miet- und 34 Eigentumswohnungen ab. Die Bauherren verwendeten 440 Kubikmeter Schweizer Holz für die Fassade.
«Der Oberhof schont die Umwelt und schafft für die Bevölkerung ein attraktives Umfeld»
Ein Supermarkt auf über 1000 Quadratmetern macht den Wocheneinkauf möglich, eine Gemeinschaftspraxis versorgt Patientinnen und Patienten, die Kita «Puumaja» vereint Job und Kinderbetreuung, und die nach Feng Shui gestaltete Hof-Beiz ist Treff der Bewohnerinnen und Bewohner. Für die Inneneinrichtung verwendeten die Macher zum Teil Holz des ehemaligen Bauernhauses Oberhof von 1820. Hinzu kommen eine öffentliche E-Ladestation und ein Mobility-Standort: Mieter und Eigentümerinnen erhalten das Jahresabonnement kostenlos.
Diese Beispiele zeigen, dass die Bereiche Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt umfassend einbezogen werden. Der SNBS-Standard ist für Joe Luthiger eine Weiterentwicklung der Labels Minergie und MinergieEco. Die Schwerpunkte von Minergie sind der effiziente Energieeinsatz, die breite Nutzung erneuerbarer Energien und der Komfort. Der SNBS ergänzt diese Anforderungen und bildet als erster Schweizer Standard im Baubereich sämtliche Aspekte der Nachhaltigkeit ab.
Das Praktische: Auch ohne grosse Fachkenntnisse können sich Planerinnen und Bauherren ans nachhaltige Bauen machen. «Dafür gibts den SNBS-Pre-Check», sagt Adrian Grossenbacher, Fachspezialist Gebäude im Bundesamt für Energie (BFE). Dieser erlaube bereits ab der frühen strategischen Phase einen raschen Überblick über Stärken und Schwächen eines Projekts. «Es zeigt das Potenzial, aber auch mögliche Stolpersteine.»
Den Pre-Check kann man kostenlos auf shop.nnbs.ch herunterladen. Ein praktisches Arbeitsinstrument, das wertvolle Unterstützung bietet, ein einfacher Einstieg in das nachhaltige Bauen.
Dafür steht der SNBS
Der Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) entspringt der bundesrätlichen Strategie für die nachhaltige Entwicklung der Schweiz. Der SNBS umfasst die drei Bereiche Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft mit je vier Themen. Diese werden mit insgesamt 45 Indikatoren bewertet. Und nur wer überall mindestens die Note 4 erreicht, erhält das begehrte Zertifikat. Für die Allerbesten gibt es Platin – gefolgt von den Auszeichnungen Gold und Silber. In der Schweiz stehen heute schon zehn Gebäude, die nach dem SNBS zertifiziert sind. Dazu gehört zum Beispiel das im letzten Jahr eingeweihte Maison Olympique in Lausanne, Hauptsitz des Internationalen Olympischen Komitees und neuer Heimatort der olympischen Bewegung.