Egal, wohin sich der Amazon-Nutzer bewegt, Alexa soll schon da sein. Das steckt hinter der Strategie des Internetunternehmens, seinen digitalen Assistenten künftig überall einzubauen. Wie das künftig funktionieren soll, hat Amazon vergangene Woche dargelegt: Bis auf den E-Reader Kindle gibt es bald kein elektronisches Amazon-Gerät mehr, in das Alexa nicht eingebaut ist.
«Wir wollen, dass Alexa ein Teil der Familie unserer Nutzer wird», sagte David Limp, Chef der Gerätesparte bei Amazon, im Gespräch mit der «Welt». Der digitale Assistent habe bereits eine Persönlichkeit. Nun soll diese Persönlichkeit auch überall präsent sein: im Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Garage, Auto. Amazon will auf diese Weise omnipräsent sein.
Sorgt für Karaoke-Spass
Am Konzernsitz in Seattle zeigte Amazon, wie das geschehen soll. Eine Vielzahl von Geräten soll den digitalen Assistenten in alle Welt tragen. Zu Amazons neuen Geräten gehören auch die ersten Echo-Lautsprecher mit einem Display. Echo Show wird seit Mitte des Jahres bereits in den USA verkauft und soll im Oktober auch nach Deutschland kommen.
Zwar ist sein Design nicht sonderlich innovativ, er erinnert sehr an kleine Röhrenfernseher. Doch eine Darstellung von Informationen auf dem sieben Zoll grossen Display ist bei vielen Anwendungen sinnvoll. Unter anderem wird er in der Lage sein, YouTube-Videos, Trailer und Filme von Amazon Video abzuspielen. Was viele Tester überzeugte: Spielt Echo Musik von Amazon Music, werden die Songtexte auf dem Display angezeigt.
Für das US-Weihnachtsgeschäft
Mit dem Echo Spot zeigte Amazon einen kleineren Lautsprecher mit einem 2,5 Zoll grossen und runden Display, dessen Form an einen Wecker erinnert. Dieser Echo wird ebenso wie der Echo Show in der Lage sein, mit einer kleinen eingebauten Kamera Videoanrufe zu machen. Nach Deutschland soll der Echo Spot im nächsten Jahr kommen, im Dezember wird es ihn bereits in den USA geben.
Echo-Geräte gibt es künftig in vielen Formen und Farben. Nach drei Jahren ohne Veränderung hat Amazon nun die zweite Echo-Generation vorgestellt. Dabei werden die Lautsprecher kompakter, erkennen die Sprache ihrer Nutzer besser und liefern eine bessere Tonqualität als bisher.
Auf Tablets und Streaminggeräte
Der Echo und Echo Plus haben nach wie vor die Form eines Zylinders. Beim grösseren Echo Plus, der dem bisherigen Echo sehr ähnlich sieht, ist künftig ein ein Smart Home Hub eingebaut. Damit lassen sich beispielsweise Hue-Lampen von Philipps, Schlösser, Steckdosen und Schalter direkt verbinden, um das vernetzte Zuhause zu steuern.
Bereits in der vergangenen Woche hatte Amazon bekannt gegeben, seinen digitalen Assistenten auch auf Fire-Tablets zu bringen. Die USA und Grossbritannien sollen den Start machen, doch noch in diesem Jahr soll Alexa auf den Fire-Tablets auch in Deutschland verfügbar sein. Das gilt für alle Tablets, die seit Ende 2014 verkauft wurden. Damit dürfte Alexa mit einem Schlag auf mehreren Millionen Geräten verfügbar sein. Auch auf den Streaminggeräten Fire TV und Fire TV Stick ist Alexa verfügbar.
Facetime à la Amazon
Um seine Echo-Geräte attraktiver zu machen, wird Amazon in den kommenden Tagen auch in Deutschland eine Telefoniefunktion einführen. Wer einen Echo besitzt, kann andere Nutzer damit kostenlos anrufen. Vorausgesetzt, sie haben sich vorher für diesen Dienst registriert. Um ein solches Gespräch zu führen, ist im Grunde noch nicht einmal ein Echo notwendig. Auch über die Alexa-Smartphone-App sind solche Anrufe möglich. Mit dem Echo Show und Echo Spot können später sogar Videotelefonate geführt werden. Amazon führt damit also ein eigenes Facetime ein.
Darüber hinaus können auf jedem Echo künftig Audionachrichten hinterlassen werden. Im kommenden Jahr sollen sogar Anrufe vom Echo auf normale Telefone möglich werden. Dazu muss eine Box mit der Bezeichnung Echo Connect mit dem Router und der Telefonanschlussbuchse der Nutzer verbunden werden. Gespräche werden dann entweder über das normale Festnetz oder über das Internet geführt.
Rüsten für den Kampf der digitalen Assistenten
Längst hat sich um die Gunst der Nutzer ein harter Kampf entfesselt, bei dem Amazon gegen Google, Microsoft, Apple und künftig auch Samsung antritt. Dieser Kampf schreibt die grossen Auseinandersetzungen der Technologiewelt weiter. Nach dem Browserkrieg und nach dem Kampf um die Betriebssysteme für Computer und Smartphones treten nun die digitalen Assistenten gegeneinander an.
Mit seinen neuen Geräten Echo Show, Echo Spot und der zweiten Generation der smarten Echo-Lautsprecher erhofft sich Amazon nun einen neuen Schub. Tatsächlich hat Amazon einen zeitlichen Vorsprung. Den ersten Echo-Lautsprecher, in dem Alexa arbeitete, zeigte das Unternehmen bereits 2014. Seitdem hatte sich die Hardware aber nicht mehr verändert.
Apple bald mit dabei
Konkurrent Google kam mit Google Home und dem eingebauten Google Assistant erst zwei Jahre später. Apple hat seinen smarten Lautsprecher im Juni kurz der Öffentlichkeit gezeigt, schweigt aber seitdem. Er soll Ende des Jahres zu kaufen sein. Microsoft hat noch gar keinen eigenen Lautsprecher und setzt vorerst auf fremde Hersteller.
Über die Zahl der verkauften Echo-Geräte schweigt sich Amazon aus. Schätzungen gehen von etwa 15 Millionen Echos aus. Die Geräte werden von dem Unternehmen von Anfang an als grosser Verkaufserfolg gefeiert. Und doch ist Alexa damit nicht der am stärksten verbreitete digitale Assistent. Das liegt daran, dass er nicht auf Smartphones verfügbar ist.
Manko beim Samsung-Assistenten
Apple hatte seinen digitalen Assistenten Siri bereits 2011 auf den iPhones eingeführt. Zwar zeigen sich viele Beobachter von den Siri-Fähigkeiten eher enttäuscht, doch er dürfte inzwischen auf mehreren Hundert Millionen iPhones und iPads verfügbar sein. Und auch Googles Assistant ist inzwischen auf allen neueren Android-Smartphones installiert, auch diese Zahl steigt schnell. Samsungs Assistent Bixby hingegen steht noch ganz am Anfang und versteht nur die Sprachen Englisch und Koreanisch.
Selbst Amazon geht nicht davon aus, am Ende den Markt beherrschen zu können. «Es wird mehrere Assistenten parallel geben», sagte Amazon-Manager David Limp. Nutzer würden dann möglicherweise zu Hause ein anderes System nutzen als im Auto. Doch auch dort will Amazon präsent sein. So hat der Autobauer BMW in Seattle bekannt gegeben, dass künftig Alexa in die BMW-Modelle und in einige Miniversionen eingebaut werden.
Hilfe immer und überall
Auch wenn Amazon nun Alexa verstärkt in den Markt drückt, wird das Unternehmen bei der Zahl der Geräte mit einem digitalen Assistenten weiter zurückfallen. Da hilft es auch nur bedingt, Alexa in die Videostreamingboxen Fire TV und in die Tablets des Konzerns mit einzubauen. Gegen die Smartphone-Konkurrenz kommt Amazon kaum an. Versuche, auch auf diesen Geräten zu landen, sind zu zögerlich. Alexa ist lediglich auf den Smartphones HTC U11 und dem Mate 9 von Huawei verfügbar. Nur Motorola hat weitere Geräte mit Alexa angekündigt.
Dass die digitalen Assistenten zum festen Bestandteil des Alltags werden, wird kaum bezweifelt. Schon jetzt gibt es sie in Smartwatches, Kühlschränken, Fernseher, Autos. Für die Anwender sind sie verlockend. Sie beantworten Fragen nach dem Wetter, nach Verkehrsverbindungen und erfüllen jeden Musikwunsch. Im vernetzten Zuhause schalten sie Lichter an und aus, regeln die Heizung und überwachen die Wohnung.
Wichtige Partnerschaften
Der Marktforscher Ovum geht davon aus, dass bereits in vier Jahren 7,5 Milliarden Geräte mit einem digitalen Assistenten ausgestattet sein werden. Ein grosser Teil davon wird sich dann in Asien befinden, wo der chinesische Konzern Baidu schon jetzt die Entwicklung antreibt. Während den Ovum-Zahlen zufolge 2021 der Google Assistant auf mehr als 23 Prozent Marktanteil kommt, sind es bei Siri gut 13 Prozent. Amazon soll dann nur bei knapp vier Prozent liegen.
Ob es wirklich dazu kommt, ist zumindest fragwürdig. Am Mittwoch hat Amazon noch einmal deutlich gemacht, dass es derzeit keinen anderen Anbieter mit einer solchen Bandbreite von Geräten gibt. Auch bei der Zahl der Partner dürfte Amazon auch dank des frühen Alexa-Starts weit vorn liegen.
In Deutschland gibt es bereits mehr als 2300 Anwendungen, sogenannte Skills, die von fremden Entwicklern programmiert wurden. In den USA sind es schon mehr als 25'000 Skills.
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