Viele Frauen und Männer arbeiten in geschlechtstypischen Berufen. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass Männer selektiv aus Berufen aussteigen, die vermehrt von Frauen ergriffen werden. Das zeigt eine neue Studie, die die Uni Zürich veröffentlicht hat. 

Das Problem: Der Arbeitsmarkt teilt sich noch immer in typische Frauen- und Männerberufe auf, obwohl sie auf dem Papier gleichberechtigt sind. So ist die Pflege vor allem von Frauen dominiert. Doch innerhalb von solchen Berufsfeldern gibt es auch Unterschiede in Spezialisierungen. Hebammen und Wochenbettstationen sind im Einklang mit dem Berufsfeld – vor allem Frauen arbeiten hier. Doch in der Radiologieabteilung von Spitälern dominieren Männer. 

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Doch woran liegt das? Die Forschung hat sich das bis anhin so erklärt, dass die Berufswahl genderstereotypen Fähigkeiten folgt – sprich: Männer wählen lieber Berufe aus, in denen mathematische und analytische Fähigkeiten gefragt sind, während Frauen sich für soziale und feinmotorische Berufe entscheiden. Weitere Faktoren sollen sein, dass Männer den Vorteil haben in besser bezahlte Berufe zu kommen und Frauen eher Berufe wählen, in denen flexible oder reduzierte Arbeitszeiten möglich sind.

Geschlechteranteile lösen einander ab

Ein Phänomen, das sich mit diesen drei Gründen nicht erklären lässt, ist der Wandel des Geschlechteranteils in Berufen und Spezialisierungen über die Jahre, wie beispielsweise Lehrer, Apotheker und Tierarzt.

Während früher mehrheitlich Männer Lehrer waren, dominieren in den Schulen heute vor allem Frauen. Besonders auf dem Primarstufenniveau waren laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) im Schuljahr 2020/2021 fast 95 Prozent der Lehrkräfte Frauen. Auch in Apotheken hat sich das Blatt gewendet. So sind gemäss BFS 2021 an den Universitäten Zürich, Genf und Basel rund 80 Prozent der ausgehändigten, eidgenössischen Pharmaziediplome an Frauenhände überreicht worden. 1970 hielten noch 60 Prozent der Apotheker-Stellen Männer inne.

Den grössten Wandel vollbrachte wohl die Veterinärmedizin: 1970 waren laut BFS 95 Prozent der Stellen von Tierärzten besetzt, heute sind es noch magere 35 Prozent. Wenn doch geschlechtstypische Merkmale die Wahl für ein Berufsfeld sind, wieso gibt es dann Bereiche, in denen Männer «flüchten»? Schreckt der zunehmende Frauenanteil die Männer ab?

Empirische Studie soll Klarheit schaffen

Per Block, Professor für Soziologie an der Universität Zürich, hat die Theorie, dass Männer selektiv aus Berufen aussteigen, die sich feminisieren, empirisch geprüft. In seinen Ergebnissen wird deutlich: Männer bleiben mit geringer Wahrscheinlichkeit in Berufen, in die mehr Frauen wechseln. 

Die Studie bediente sich der Netzwerkforschung, dabei wird der Arbeitsmarkt als eine Art Netz gesehen, in dem Arbeitnehmende mit ihren Entscheidungen den Beruf zu wechseln, verschiedene Berufe verbinden. Am Ende entsteht wie ein Spinnennetz zwischen Berufen. So konnte analysiert werden, ob Männer Berufe mit wachsendem Frauenanteil verlassen. 

Im Forschungsprozess wurden unter anderem zwei hypothetische Berufe verglichen, die in allen Merkmalen identisch sind, ausser beim Frauenanteil. In einem Beruf sind 25 Prozent der Arbeitnehmenden weiblich, im anderen 75 Prozent. «Die Analyse zeigt, dass Männer mit doppelter Wahrscheinlichkeit aus dem sich feminisierenden Beruf aussteigen», kommentiert Block seine Ergebnisse. Die untersuchten Daten stammen aus Grossbritannien. Der britische Arbeitsmarkt weist viele Kongruenzen mit dem europäischen und nordamerikanischen auf.

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Geschlechtsanteil beeinflusst das Berufsbild

Die Forschungsarbeit folgert, dass Geschlechtertrennung nicht nur von geschlechtstypischen Berufsattributen wie Empathie, Feinmotorik oder analytischen Fähigkeiten verursacht wird, sondern auch von Männern (und Frauen), die sich bewusst oder unbewusst gegen eine Durchmischung stellen.

Für die Arbeitswelt bedeutet das, dass stereotypisierte Berufe möglicherweise auch eine Konsequenz der Geschlechteranteile sind und nicht nur deren Ursache. Als Beispiel führt Per Block an: «Der Pflegeberuf wird eher mit stereotyp weiblichen Attributen beschrieben: sozial, empathisch, kümmernd. Wären die meisten Pflegepersonen Männer, würden wir den Beruf vielleicht ganz anders wahrnehmen, zum Beispiel als verantwortungsbewusst, durchsetzungsstark oder körperlich anstrengend.»

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Taten statt Quoten

Die Ringier-Initiative treibt die Gleichstellung von Männern und Frauen voran.