Personaldienstleister Marcel Keller schaut optimistisch in die Zukunft. Der Kadermann von Adecco Schweiz rechnet dieses Jahr mit satten Lohnsprüngen. Um gut 2,5 Prozent sollen die Schweizer Salärkonten im Schnitt wachsen. Profitieren werden Fachkräfte quer durch alle Branchen. Die Trendwende in der Schweizer Lohnlandschaft widerspiegelt sich auch im BILANZ-Online-Lohnrechner. Seit März 2010 ist der Medianlohn von 6100 auf 6200 Franken pro Monat gestiegen – ein Plus von 1,6 Prozent. Damit hat er die Stagnation der Vorjahresperiode hinter sich gelassen. Auch der Durchschnittslohn hat sich aus dem Tief gelöst. In den letzten zwölf Monaten legte er um ein Prozent auf 6900 Franken zu. In der Vorperiode war er um 0,8 Prozent gestiegen.

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Dass es bei den Salären wieder aufwärtsgeht, lässt sich an einigen neueren Trends ablesen. Die Löhne für Berufseinsteiger etwa haben sich markant nach oben bewegt, um 3,7 Prozent auf 4269 Franken. Die Vergütungen für Nachwuchskräfte sind für Arbeitsmarktexperten ein zuverlässiges Abbild für die Entwicklung im Arbeitsmarkt. Gestiegen sind auch die Löhne für die Jungen. Die unter 20-Jährigen haben sich innert Jahresfrist um 1,5 Prozent verbessert, und die Alterskohorte von 20 bis 29 legte ähnlich zu. Ausgeprägt hochgeschnellt sind auch einige Boni. In der Medtech-Branche war der Anstieg mit 19,4 Prozent sehr deutlich. Aber auch die Boni in der Nahrungsmittelindustrie stiegen um 6,1 Prozent, während die Uhren- und Feinmechanikbranche auf ein Plus von 4 Prozent kam.

Aufbruch zu neuen Ufern: Dies ist das Fazit der jüngsten Lohnentwicklung in der Schweiz. Die Wirtschaft hat sich nachhaltig aus der Finanzkrise hochgerappelt. Die Firmen erwarten im laufenden Jahr steigende Umsätze und Gewinne – trotz anhaltend starkem Franken. «Die Schweizer Wirtschaft boomt in allen Branchen gleichermassen», sagt Urs Schüpbach, CEO von Manpower Schweiz. Die Kapazitätsauslastung in der verarbeitenden Industrie stieg gemäss KOF-Umfrage auf 84,3 Prozent und lag damit wieder leicht über dem langjährigen Mittel. Die Binnennachfrage ist anhaltend robust. Die Wirtschaft dürfte in diesem und im kommenden Jahr gegen 3 Prozent wachsen – von Abschwächung ist keine Rede mehr. Die Arbeitslosenzahlen sinken gemäss KOF bis 2012 gar auf 2,8 Prozent. Es werden wieder Stellen geschaffen.

Frauenlöhne steigen, aber ... Die optimistischen Prognosen finden in der neusten Auswertung des BILANZ-Online-Lohnvergleichs ihren Niederschlag. Sowohl bei den Berufen wie bei den Branchen wurde der Abwärtstrend der Vorperiode durchbrochen. Bei den Top 15 der Berufe mussten nur Geschäftsführer einen Lohnabbau hinnehmen, bei den Branchen sind es lediglich die Saläre bei den Revisionsgesellschaften und im Grosshandel, die rund ein Prozent nachgaben. Der Lohnvergleich beruht auf 98 662 individuellen Lohneinträgen. Stichdatum war der 31. März. Binnen Jahresfrist ist der Datensatz um 24 709 Einträge angestiegen. Alle Daten wurden auf ihre Plausibilität eingehend überprüft. Ausreisser wurden aus dem Datenpool entfernt.

Weniger Anlass zu Jubel geben die Frauenlöhne. Die Lohnschere hat sich zum dritten Mal in Folge geöffnet. Die Differenz liegt nun bei 29,2 Prozent, im Frühjahr 2009 hatte sie noch bei 28,3 Prozent gelegen. Immerhin sind die Durchschnittslöhne der Frauen innert Jahresfrist um ein Prozent auf 5375 Franken gestiegen. Dennoch ist die Differenz schwer erklärbar. Manpower-CEO Schüpbach weist auf ein besonderes Phänomen bei den Kaderfrauen hin: «Sie sind oft besser ausgebildet als die Männer und beziehen dennoch weniger Lohn.»

Nicht gelohnt hat sich die Betriebstreue. Wer zehn und mehr Jahre beim selben Arbeitgeber ausharrte, musste gar eine kleine Saläreinbusse hinnehmen. Und Lohnempfänger mit fünf bis zehn Jahren Firmenzugehörigkeit verbesserten sich nur unwesentlich. Um gut 1,2 Prozent auf 6296 Franken hingegen stiegen die Löhne bei einer Zugehörigkeit von bis zu fünf Jahren. Wieder gedreht hat auch der Lohntrend bei der Generation 50 plus, die als zweifache Verliererin dasteht. Das Salär dieser Altersgruppe sank um 39 auf 8056 Franken. Es liegt nun gar leicht tiefer als jenes der 40- bis 49-Jährigen, die 8082 Franken verdienen.

Starke Ausschläge bei Boni. Eine deutliche Verbesserung gegenüber der Vorperiode zeichnet sich bei den Top 15 der Berufe ab. Ein merklicher Trend aufwärts ist bei fünf Berufen feststellbar, leicht verbessert haben sich weitere vier Berufe. Am meisten zugelegt haben die Informatiker mit einem Zuwachs von 2 Prozent, gefolgt von den Bankangestellten mit 1,8 Prozent.

Unter den Top 30 der Berufe gehen die kaufmännischen Angestellten als Sieger hervor. Ihr Bruttosalär zog um 2,9 Prozent auf 5775 Franken an. Trotz Trendwende sind die Nachwehen der Krise noch feststellbar. Bei 17 Berufen der Top 30 stagniert die Entwicklung mehr oder weniger, aber immerhin geht es bei 12 deutlich aufwärts.

Bei den Branchen ist der Lohntrend nach oben eindeutiger sichtbar als bei den Berufen. Bei den Top 15 steigen die Saläre in neun Sektoren, in vier stagnieren sie, und in nur zweien geht es leicht abwärts. Obenaus schwingen das Unterrichtswesen (1,8%), die Banken (1,5%), die Medizinaltechnik (1,4%) sowie die Informatik und die Pharmaindustrie mit je 1,2 Prozent. Bei den Top 30 glänzen die Nahrungsmittel- und die Textilindustrie mit einer Performance von über zwei Prozent. Outperformer ist hingegen die Sicherheitsbranche mit um 4,1 Prozent höherem Durchschnittlohn.

Am stärksten sind die Ausschläge bei den Bonuszahlungen. Rund die Hälfte der Boni ist im grünen, die andere Hälfte im roten Bereich. Fest steht indessen, dass ihre Bedeutung in jüngster Zeit markant zugenommen hat. Seit dem Frühjahr 2010 sind die Einträge mit Bonus beim BILANZ-Lohnvergleich um 67 Prozent hochgeschossen. Der variable Lohnbestandteil wird immer bedeutender in der Schweizer Salärlandschaft. Diesen Befund bestätigt Manpower-CEO Schüpbach aus der praktischen Erfahrung: «Die Bonussysteme wurden in jüngster Zeit auf eine weitere Kaderstufe ausgedehnt.»

Für einmal sind es nicht die Banker, die abkassierten. Ihr Bonus stieg von 26 373 auf 26 463 Franken. Sie belegen indessen nach wie vor den Spitzenrang vor der Beratung und dem Grosshandel. Richtiggehend abgehoben hat die Medizinaltechnik, deren Durchschnittsbonus von 13 930 auf 16 636 explodierte. Vorgearbeitet haben sich auch die Uhren- und Feinmechanikbranche, die Nahrungsmittel- und die Pharmaindustrie sowie die Versicherungen. Die Kaderlöhne sind kaum in Bewegung geraten. Profitiert haben nur das mittlere Kader, das knapp ein Prozent zugelegt hat und nun im Durchschnitt 8591 Franken verdient, wie auch die Lohnbezüger ohne Leitungsfunktion, die auf 5852 Franken kommen.

Schöne Aussichten. Dass Ausbildung sich lohnt, belegen die Lohnunterschiede zwischen Uniabsolventen und Lehrabgängern. Die Berufsleute haben sich zwar um ein Prozent auf 5378 Franken verbessert. Doch die Uniabgänger liegen mit 9095 Franken fast doppelt so hoch – und nähern sich damit bis auf wenige Franken den Absolventen eines Nachdiplomstudiums.

Die regionalen Lohnunterschiede sind nach wie vor erheblich. Ein Ostschweizer verdient im Schnitt 1500 Franken weniger als ein Genfer Lohnbezüger, wobei in der Genferseeregion die Saläre seit zwei Jahren nicht mehr vom Fleck kommen. Zürich und die Nordwestschweiz legten moderat zu, während das Tessin mit einem Ruck von 2,1 Prozent auf den dritten Platz vorstiess.

Für 2011, aber auch für das kommende Jahr geben die Arbeitsmarktexperten eine hervorragende Prognose ab. Schon im vierten Quartal 2010 wurden saisonbereinigt rund 12 700 neue Stellen geschaffen, die Zahl der Beschäftigten stieg um 1,3 Prozent – in beiden Segmenten, der Industrie und den Dienstleistungen. Schon zeichnet sich wieder ein Mangel an Fachkräften ab. «Er spitzt sich dramatisch zu», schreibt die Online-Platform Monster.ch in einer neuen Studie. Innerhalb weniger Monate hat der Arbeitsmarkt gedreht. «Die Trendwende hat im Mai 2010 begonnen», sagt Marcel Keller von Adecco. In allen Bereichen sei die Nachfrage nach Spezialisten gestiegen.

Der «Kampf um Talente» ist für Keller keine Leerformel. Für die nächsten Jahre gehöre dieser zu den wichtigsten Strategien. «Man muss die richtigen Leute haben», sagt er, «und zwar entlang der zentralen Wertschöpfungsketten.» Die Firmen verfolgen bei der Rekrutierung deshalb eine zum Teil sehr aggressive Lohnpolitik. Besonders gefragt seien IT-Fachleute, aber auch Spezialisten aus den Bereichen Finanz, Life Sciences, Engineering, Gesundheitswesen, beim Bau und in der Industrie, wobei die Erfahrung wieder eine grosse Rolle spielt. Diese Arbeitnehmer könnten überdurchschnittliche Lohnsteigerungen realisieren. Kellers Fazit: «Wir haben ganz klar wieder einen Arbeitnehmermarkt.»

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