Die Menschen haben immer mehr Freizeit», sagt Raphaël Grandjean (30), und folglich nehme das Bedürfnis nach Unterhaltung zu. Er sitzt im Chefsessel in seinem Büro, auf dem Fenstersims steht ein Aquarium mit Plastik-fischen, hinter ihm sieht man das Zentrum von La Chaux-de-Fonds. Man sieht Kamine, aus denen Rauch emporsteigt. Das ist ein schöner Anblick für Industrienostalgiker. Doch industrienostalgisch ist nur die Kulisse, nicht aber das Business Grandjeans. Er produziert und vermarktet Marken wie Konami, Dreamcatcher, Lexibook, RosArt und NGS, die den Kategorien Videospiele, Spielzeuge und Elektronik angehören.

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Während die Sekretärin Kaffee bringt, erklärt er die Struktur seiner vor zehn Jahren gegründeten RG Group, die in drei Unterfirmen unterteilt ist: Die Firma Ifrec vertreibt Computer- und Videospiele, elektronisches Zubehör und herkömmliche Spielwaren verschiedener Hersteller in der Schweiz, und dies ausschliesslich an weitere Verkäufer, nicht an Endkonsumenten. Die Firma RG Innovation ist auf die Herstellung von Spielzeugen spezialisiert. Entwicklung, Design und rechtliche Abklärungen finden in La Chaux-de-Fonds statt, produziert wird in Asien. Die Firma Le Sixième Continent konzipiert und vermarktet Inhalte für Kinder- und Computerspiele. Einen solchen Inhalt bildet beispielsweise Harry Potter, aus dem dann Kinder- und Videospiele entwickelt werden. Die drei Unterfirmen sind autonome Aktiengesellschaften, alle eigenfinanziert, wie Raphaël Grandjean betont. Eine respektable Erfolgsgeschichte für einen Dreissigjährigen. Wie hat sie angefangen?

«Schon während meines Ingenieurstudiums in St-Imier handelte ich mit gebrauchten Computern», sagt er. So konnte er Geld für die Firmengründung auf die Seite legen. Er hatte schon immer das Ziel, einmal eine eigene Firma zu führen – es war ein Ziel und kein Traum. Nicht unbedingt der Unabhängigkeit halber, meint er, sondern eher, um etwas Eigenes zu kreieren und selbst Teil einer Veränderung zu sein. «Ich hatte von Anfang an eine klare Vision und setzte meine Ziele möglichst schnell mit einem Businessplan um.»

Der Zeitpunkt der Firmengründung vor zehn Jahren war ideal. Zuvor waren Computer-Games ein Nischenmarkt von Nerds. Inzwischen hat sich dieser Markt virulent entwickelt. Computerspiele sind in westlichen Gesellschaften demokratisiert. Dabei sind neue Zielgruppen determiniert worden – beispielsweise junge, spielende Väter. Heute verzeichnen die Hersteller von Computer-Games mehr Umsatz als die Filmindustrie in Hollywood. Weshalb passiv vor der Leinwand sitzen, wenn man als Protagonist dem virtuellen Bösewicht selbst das Handwerk legen kann?

Mit dem Markt ist auch die RG Group gewachsen: Vor fünf Jahren beschäftigte Raphaël Grandjean noch sieben Leute, heute ein 20-köpfiges Team aus Ökonomen und Technikern. Darunter zwei Chinesinnen, die in der Schweiz aufgewachsen sind. Das hat Vorteile, zumal viele Kontakte nach China bestehen. Als Folge dieses Wachstums haben sich die Aufgaben des Jungunternehmers verändert. Er hat vermehrt Kontrollaufgaben zu erfüllen. Die Human Resources nehmen sehr viel Zeit in Anspruch. «Oft fehlt mir dadurch die Zeit für Kreation und Entwicklung, leider.»

Zudem sei es eine komplexe Angelegenheit, die richtigen Leute einzustellen. Natürlich habe er Tests, um sich ein Bild von der Persönlichkeit eines potenziellen Mitarbeitenden zu machen. Aber dies sei nur beschränkt aussagekräftig. «Wenn es um Zwischenmenschliches geht, kommen wir mit Rationalität nicht weiter. Es wäre zu schön, wenn man das alles binär codieren könnte.»

Sein Führungsstil entspreche seinem Charakter, sagt Raphaël Grandjean: fordernd, direkt und diszipliniert. Folglich erwartet er auch Disziplin. Die Zeiten sind wohl vorbei, in denen in Firmen der Unterhaltungsindustrie in den Fluren Frisbee gespielt wurde. Möglicherweise war es auch früher schon ein Mythos. Wenn aber seine Kaderleute einmal sein Vertrauen gewonnen hätten, dann lasse er ihnen viel Autonomie.

Die Lage in La Chaux-de-Fonds ist nicht unproblematisch, wenn es um Personalfragen geht. Mitarbeitende mit der erwünschten Ausbildung zu finden, ist hier eine Herausforderung. Und es sei auch nicht ganz einfach, gute Leute von Lausanne, Genf oder Zürich nach La Chaux-de-Fonds zu holen. Logistisch hingegen ist der Standort vorteilhaft, weil er nahe an der französischen Grenze liegt. 85 Prozent der hergestellten Produkte werden ins Ausland exportiert; am meisten davon nach Frankreich, wo Carrefour den Vertrieb macht. Auch Belgien und Deutschland sind grosse Abnehmer. In der Schweiz vertreibt die RG Group die Produkte selber. Sie liegen bei Migros, Coop und Manor in den Regalen.

Raphaël Grandjean will um jeden Preis wachsen – «und zwar schnell», wie er betont. «Schnell» ist ein Wort, das er sehr oft benutzt. Er mag dieses Wort. Er muss es mögen, denn sonst könnte er in dem enorm schnellen Verdrängungswettbewerb nicht mithalten. Dass sein Unternehmen klein ist, erweist sich diesbezüglich als Vorteil, weil die hemmende Bürokratie nicht so ausgeprägt ist wie in Grossunternehmen. «Innerhalb von wenigen Wochen können wir ein neues Produkt auf den Markt bringen. Nicht schlecht, oder?»

Er habe sowohl in Hongkong wie auch in Japan ausgezeichnete Ingenieure, mit denen er kooperiere. Es sei existenziell, den japanischen Markt zu beobachten, denn dort werden Strömungen antizipiert und Trends gesetzt. Japan ist ein Antreiber von neuen Ideen, Europa hat eher einen «Folgemarkt». Europäische Innovationen von globaler Bedeutung sind selten. Andererseits ist es nicht so, dass sich jede Innovation aus Japan eins zu eins auf Europa übertragen lässt. Bei so genannten pädagogischen beziehungsweise herkömmlichen Spielzeugen sind interkulturelle Adaptionen schwieriger als bei Computer-Games. In der Technologie entfaltet sich die Globalisierung ungebremst.

Die RG Group hat potente Global Players wie Lego, Mattel oder Hasbro als Konkurrenten. Diese seien aber derart gross und mächtig, dass die RG Group eigentlich in erster Linie Marktanteile gewinnen könne, sagt der junge Unternehmer kämpferisch. Natürlich wird in diesem Markt schamlos und äusserst schnell kopiert, vor allem in China. Deshalb sei es wichtig, Rechteinhaber von Marken und Spielen zu sein. Raphaël Grandjean besucht auch Spielzeugmessen – so etwa deren berühmteste in Las Vegas. Dort werden Produkte präsentiert, die erst zwei Jahre danach auf den Markt kommen.

«Wir leben in einer absoluten Konsumwelt», sagt er dann. Man brauche lediglich in eine Media-Markt-Filiale zu gehen und sich umzuschauen. Die Gründe, weshalb Spielen gesellschaftlich an Bedeutung gewinnt, sind komplex: mehr Freizeit, mehr Individualität, Flucht in virtuelle Welten.

«Unterhaltungsprodukte mit globalem Charakter haben enorme Zukunftschancen», glaubt er – gerade in Verbindung mit GPS. Da Unterhaltung zu einem neuen Lebensprinzip werde, entwickle sich die Game-Industrie zu einem integralen Bestandteil des modernen Lebens. Ob man spiele oder nicht, sei zwar bis auf weiteres eine individuelle Entscheidung, aber die Gesellschaft ebne den Weg zum Game. Wer nicht spielt, weicht also vom konformen Verhalten ab.

Raphaël Grandjean spielt nicht. Er ist kein Nerd, der stundenlang in virtuellen Welten grünen Monstern die Köpfe wegschiesst. Dazu fehlt ihm die Zeit. Vor eineinhalb Jahren kam seine Tochter zur Welt. Die spärliche Freizeit verbringt er mit seiner Familie. Sein Spiel ist das Geschäft – in einem Markt, in dem man ähnlich schnell und aufmerksam sein muss wie in virtuellen Ballergames.

RG Group

Gegründet: 1995

Umsatz: 8 Millionen Franken

Anzahl Mitarbeitende: 20 (plus 3 feste in Asien)

Geschäftsleitung: Raphaël Grandjean

Finanzierung: Drei Aktiengesellschaften: Le Sixième Continent (AK 400 000 Franken), Ifrec (AK 300 000 Franken), RG Innovation (AK 100 000 Franken).

Geschäftsidee: Vertrieb, Produktion und Entwicklung von elektronischen, traditionellen und virtuellen Unterhaltungsprodukten.

Firmenphilosophie: «Schnelles Wachstum bei stabiler Qualität.»

Führungsgrundsätze: «Fordernd, direkt sein; wenn das Vertrauen einmal vorhanden ist, lasse ich den Mitarbeitenden viel Autonomie.»

Junior Chamber

BILANZ präsentiert in jeder Ausgabe ein Beispiel von jungem Unternehmertum – in Zusammenarbeit mit der Junior Chamber Switzerland (JCS). Die Chamber ist das grösste Netzwerk von jungen Führungskräften und Unternehmern in der Schweiz. Weitere Infos und Angaben zu JCS-Veranstaltungen auf www.juniorchamber.ch