Als die BILANZ 2009 zum ersten Mal die 100 wichtigsten Schweizer Banker und Bankerinnen kürte, runzelte manch einer die Stirn. Unter den Top Five war damals ein Mann, den in der Schweiz kaum jemand kannte: Sergio Ermotti. Sergio who? Der Tessiner, der als Trader bei der Cornèr Bank begonnen hatte, amtete weit weg vom Zürcher Bankenplatz, bei der italienischen UniCredit, als Deputy CEO.
2009 war das Jahr nach dem Ausbruch der Finanzkrise. Bestandene Geldinstitute wankten, und viele Chefs waren arg unter die Räder gekommen. Auch UniCredit hatte in der Krise Abschreiber zu verbuchen, war von den Turbulenzen aber deutlich weniger betroffen als die meisten anderen europäischen Grossbanken.
Gesamtsieger der letzten zehn Jahre
Als UBS-Aufräumer Oswald Grübel – der Gewinner der beiden ersten Banker-Rankings von 2009 und 2010 – im April 2011 einen neuen Chef für die Region Europa, Afrika und Mittlerer Osten suchte, warb er Ermotti ab. Als bald darauf der Milliardenverlust um Trader Kweku Adoboli zu verzeichnen war, blieb Ermotti als Neuer vom Skandal unbelastet. Im November 2011 wurde er definitiv als Ersatz für Grübel bestätigt.
Ermotti ist einer von nur 17 Bankern, die in allen zehn Rankings ununterbrochen dabei waren. Nimmt man die durchschnittliche Platzierung, ist er der Gesamtsieger der letzten zehn Jahre.
Die Bank des Jahres
Auch der Gewinner des diesjährigen Rankings, Vontobel-CEO Zeno Staub, gehört zum kleinen Zirkel der Auserwählten. Mit drei von 17 stellt Vontobel gar am meisten Vertreter, die sich in all den Jahren ununterbrochen im Ranking halten konnten: Nebst Staub sind Verwaltungsratspräsident Herbert Scheidt und Investment-Banking-Chef Roger Studer immer dabei gewesen. Im Gegensatz zu Ermotti waren alle drei in den letzten zehn Jahren beim selben Arbeitgeber, Zeichen der personellen Beständigkeit im Topmanagement von Vontobel.
Offenbar ein Erfolgsrezept: Das Zürcher Institut ist so etwas wie die Bank des Jahres. Mit dem Kauf des Konkurrenten Notenstein, bisher im Besitz von Raiffeisen, macht Vontobel einen Quantensprung. Lange als zögerlich verschrien, scheute sich Staub nicht, tief in die Tasche zu greifen, um seinem Institut die Privatbank für 700 Millionen Franken einzuverleiben. So demonstrierte Staub in einer Branche, die immer noch stark von Vorsicht und Ängstlichkeit geprägt ist, forsche Aufbruchstimmung.
Auch mit den Zahlen glänzt der Vontobel-CEO: Im ersten Halbjahr stieg das Konzernergebnis um 31 Prozent, die verwalteten Vermögen nahmen auf rekordhohe 169 Milliarden Franken zu. Ausserdem überraschte er die Analysten positiv mit der Ankündigung, die Profitabilitätsziele weiter zu erhöhen. Der Markt zeigt sich beeindruckt und honoriert das Ganze mit steigenden Kursen: Um 17,0 Prozent hat die Vontobel-Aktie seit Jahresbeginn zugelegt (Stand 24. September). Dies in einem für die Bankbranche eher gedrückten Markt, in dem manche Konkurrenten arg Federn lassen mussten: Julius Bär hatte im gleichen Zeitraum einen Einbruch um 14,4 Prozent zu verkraften, die UBS um 11,6, die Credit Suisse um 12,3 Prozent.
Auffallend ist, wie breit das Spektrum der 17 Langfrist-Teilnehmer ist: Vertreter der Grossbanken wie Ermotti und CS-Präsident Urs Rohner sind ebenso dabei wie die noblen Privatbanquiers Patrick Odier und Guy de Picciotto oder Retail Banker wie Martin Scholl, Chef der Zürcher Kantonalbank (ZKB).
Um sich über viele Jahre zu halten, gibt es im Grunde zwei Methoden: Entweder man ist konstant erfolgreich. Oder man schafft es, sich trotz durchzogenem Leistungsausweis mit subtiler Machterhaltung irgendwie durchzumogeln.
Zur ersten Gruppe der Erfolgreichen gehört etwa Alfred Gantner, Mitgründer der Partners Group, wo sein Gespür für lukrative Investments dazu beigetragen hat, dass die Zuger Private-Equity-Firma Jahr für Jahr mit Topergebnissen aufwartet und der Aktienkurs förmlich explodiert ist.
Ein stiller und erfolgreicher Schaffer ist auch François-Xavier de Mallmann, Schweizer Investment Banker, der seit Jahren in Diensten der US-Grossbank Goldman Sachs steht und heute als Chairman der Investment-Banking-Division einer der erfolgreichsten Nicht-Amerikaner in der obersten Führung des US-Kolosses ist.
Rohner mit durchzogenem Leistungsausweis
Zur zweiten Gruppe, jener mit eher durchzogenem Leistungsausweis, gehört Urs Rohner, der 2009 als Vizepräsident der Credit Suisse ins Ranking einzog und damals als Hoffnungsträger galt. 2011 zum Präsidenten gewählt, gab ihm die schiere Bedeutung der Funktion als Obmann der zweitgrössten Schweizer Bank zwar Jahr für Jahr die Gravitas, um weit vorne in der Liste dabei zu sein, doch mit der Leistung punktete er wenig: Der Aktienkurs der CS ist seit seinem Amtsantritt um rund 57 Prozent gesunken. Auch sonst erfüllte er viele Hoffnungen nicht. An Ex-CEO Brady Dougan hielt er zu lange fest, derweil sich die Probleme häuften und immer wieder Milliardenabschreiber fällig wurden.
Mehrmals kam es zu Rücktrittsforderungen, nicht nur in der Presse, sondern auch von grossen Investoren. So an der Generalversammlung vom April 2017, als Rohner mit der Posse um die Löhne seiner Manager – trotz eines Milliardenverlustes sollten die Bezüge heraufgesetzt werden – an Glaubwürdigkeit verloren hatte. Mehrere grosse institutionelle Investoren, etwa die Beamtenversicherungskasse des Kantons Zürich, stimmten für eine Abwahl Rohners.
Dass dies schliesslich keine Mehrheit fand, liegt an den breit gefächerten Partikularinteressen im CS-Aktionariat. Grosse Aktionäre wie die amerikanische Harris Associates hatten kurz zuvor ihr Investment erhöht und wenig Interesse am Heraufbeschwören einer Führungskrise. Andere Aktionäre wie der Staatsfonds von Katar hatten sich in Kritik an der Führung stets zurückgehalten: Ihnen lag mehr an den üppigen Zinsen von bis zu elf Prozent, die sie von der Bank für die nach der Finanzkrise als Kapitalspritze zur Verfügung gestellten Milliarden einsacken durften.
Ebenfalls immun gegen Kritik hat sich in all den Jahren ZKB-Chef Martin Scholl gezeigt. Kopf runter und Krise aussitzen mag seine Devise gewesen sein, als er nach 2012 arg unter Beschuss geriet, weil auch die biedere Zürcher Kleinkundenbank im Schwarzgeldskandal mitgemischt hatte und im US-Steuerstreit unter die Hauptbeschuldigten eingereiht wurde. Scholl wich spezifischen Fragen nach seiner persönlichen Verantwortung aus und verwies auf die Finanzmarktaufsicht Finma, die bezüglich seiner Person keinen Handlungsbedarf sehe. Der Plan, sich nicht beirren zu lassen, ging auf: Die kürzlich von den Vereinigten Staaten ausgesprochene Busse war mit knapp 100 Millionen Dollar tiefer als befürchtet. Statt Rücktrittsforderungen gab es Applaus.
Durchzogener Ruf
Ebenfalls einen durchzogenen Leistungsausweis zeigt Anlageprofi Burkhard Varnholt, der im Zehnjahresvergleich mit einem etwas speziellen Rekord aufwartet: Er war in dieser Zeit für vier Arbeitgeber tätig. Bei der Basler Privatbank Sarasin gehörte er zur Seilschaft des ehemaligen CEO Joachim Strähle, der wie er von der Credit Suisse kam. Als Sarasin im Jahr 2011 von der brasilianischen Bankengruppe Safra übernommen wurde, war Varnholt einer der wenigen aus dem alten Management, die überlebten.
Doch auch für Varnholt wurde es unter den neuen Hausherren immer schwieriger. 2014 rettete er sich in die Arme eines anderen ehamaligen CS-Manns, des Julius-Bär-Chefs Boris Collardi. Nur wenig später zog es ihn dann zurück zu seinen Wurzeln – er amtet heute als CIO für die Schweizer Universalbank der CS. Manche in der Branche wundern sich über solch ein Stehvermögen, hatte doch Varnholt in seinen Börsenprognosen nicht immer das beste Händchen. So 2015, als er binnen fünf Jahren einen SMI-Stand von 20 000 Punkten vorhersagte. Heute ist der Börsenindex mit rund 8900 Punkten nicht nur weit entfernt von dieser Marke – er ist gar tiefer als zum Zeitpunkt von Varnholts forscher Prognose, als er bei 9400 Punkten stand.
Einen durchzogenen Ruf hatte auch UBS-Konzernleitungsmitglied Ulrich Körner, der immer wieder als Kandidat für höhere Weihen galt, aber doch nie zum Sprung aufs oberste Podest ansetzen konnte. Das mag angesichts seiner unbestrittenen fachlichen Fähigkeiten auch an seiner vielleicht etwas gewöhnungsbedürftigen Persönlichkeit liegen, wie Leute, die ihn kennen, mutmassen. UBS-intern sagt man von Körner, er habe genau drei Gemütslagen: schlecht gelaunt, sehr schlecht gelaunt und extrem schlecht gelaunt. 2009 noch auf Platz vier, ist er seit 2013 im Ranking stetig abgerutscht und rangiert heute noch auf Platz 40.
Aufgrund eines technischen Fehlers ist in der aktuellen Ausgabe der BILANZ die Liste der 100 wichtigsten Banker nur unvollständig abgebildet. Wir bitten dies zu entschuldigen.