Wie stark beschäftigt die Corona-Krise die Finanzmärkte?
Bis vor einem Monat hätte man behaupten können, die Coronakrise sei an den Märkten abgehandelt und die Preisentwicklung für Aktien und Obligationen folge einem sehr positiven Konjunkturszenario. Gleichzeitig gewann das Thema Inflation massiv an Bedeutung. In den letzten Wochen liess aber die Verbreitung der Delta-Variante das globale Konjunkturszenario wieder etwas unsicherer werden. Gerade in Staaten, die letzten Herbst eine sehr gute Figur machten und deshalb teilweise die Impfkampagnen vernachlässigten, breitet sich diese Mutation rasch aus. Wir gehen allerdings davon aus, dass in den Industriestaaten keine neuen, grossflächigen Lockdowns mehr bevorstehen und würden bei grösseren Kursrückschlägen Aktien entsprechend zukaufen.
Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Seit Jahresbeginn hat der breite Schweizer Aktienmarkt gemessen am Swiss Performance Index (SPI) etwas mehr als 16 Prozent zugelegt. Insbesondere von Mitte Mai bis Ende Juni verzeichnete er eine starke Performance. Wir befinden uns am Anfang der Berichtssaison der Unternehmen für das erste Halbjahr − die guten Resultate sollten für anhaltend positive Gewinnrevisionen sorgen. Wir gehen für die nächsten Monate von einer weiterhin positiven Kursentwicklung aus, wenn auch nicht im eingangs geschilderten Ausmass.
Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Wir sehen den SMI in einem Jahr in einer Bandbreite von 12'500 bis 13'000 Punkten.
Welche drei Schweizer Titel gefallen Ihnen derzeit am meisten – und von welchen Aktien raten Sie ab?
Aktuell würde ich drei Kaufaufträge für Holcim, Adecco und Logitech empfehlen. Mit Holcim kauft man den Weltmarktführer in Zement mit einer nach wie vor attraktiven Bewertung. Adecco als Weltmarktführer im Zeitarbeitsgeschäft besticht durch eine hohe Rentabilität und eine weit bessere Resilienz in einem schwächeren Konjunkturumfeld als angenommen. Logitech bietet im Schweizer Aktienmarkt eine der wenigen Möglichkeiten, in ein strukturelles Wachstumsthema im Technologie-Konsum-Bereich zu investieren. Es gibt einige Titel, die wir zwar als qualitativ sehr gut einschätzen. Deren Kursperformance hat das Gewinnwachstum aber dermassen überholt, dass wir raten, Gewinne mitzunehmen und in günstigere Titel umzuschichten. Beispiele solcher Aktien wären Givaudan, Lonza oder auch Straumann.
Diese Woche haben die grossen US-Techkonzerne ihre Quartalszahlen präsentiert. Bleiben die GAFAM (Google-Alphabet, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft) ein interessantes Investment – oder sind die Titel mittlerweile masslos überbewertet?
Tatsächlich sollte man eine Aktie nicht primär wegen ihres Gewichts in einem Index kaufen. Betrachtet man die Bewertung der «Big Five» isoliert, so ist durchaus eine Prämie zum Gesamtmarkt feststellbar. Angesichts der Bilanzqualität, der hohen Innovationskraft sowie dem konstanten Erschliessen neuer zukunftsfähiger Geschäftsfelder ist diese Prämie unseres Erachtens jedoch nicht übertrieben und bietet sogar noch weiteren Bewertungsspielraum. Die erwähnten Technologiekonzerne haben in den letzten Jahren massiv ins Sourcing investiert und teilweise kritische Bereiche (beispielsweise die Chipproduktion) frühzeitig komplett integriert, was sich im aktuellen Umfeld bezahlt macht. Unsere Präferenz liegt aufgrund des Werbegeschäfts aktuell bei Amazon sowie bei Google-Alphabet.
Der Aufschwung im Tourismus lässt auf sich warten. Sollten Investorinnen deshalb von den Titeln aus der Branche – Airlines, Hotelkonzerne, Kreuzfahrtanbieter etc. – die Finger lassen?
Das Thema ist sehr eng mit dem weiteren Pandemieverlauf gekoppelt. Im ersten Halbjahr entwickelte sich der innereuropäische Flugverkehr für viele Beobachter überraschend positiv. Das gilt allerdings nicht für das interkontinentale Geschäft. Wir gehen denn auch davon aus, dass die Kursentwicklung für die betroffenen Aktien sehr volatil bleiben wird. In ein gut diversifiziertes Aktienportfolio darf man einige Aktien (beispielsweise Lufthansa) kaufen. Sie sollten unseres Erachtens aber keinesfalls das Schwergewicht bilden.
Wie dürfte sich der Preis für Gold entwickeln – und wie viel vom Edelmetall sollten durchschnittliche Anleger halten?
Das in den letzten Monaten nachlassende (Anleger-)Interesse für Gold mit einer Konsolidierung um rund 1800 US-Dollar pro Unze sorgt unseres Erachtens wieder für einen interessanten Einstiegszeitpunkt. Wir sehen Gold als Absicherung in einem Portfolio, das Schwankungen bei performancetreibenden Anlageklassen und laufend steigende Schuldenquoten von Staatshaushalten im Krisenfall ausgleichen soll. Das Gewicht von Gold in einem Portfolio kann gut rund 5 Prozent betragen, in Zeiten von Nullzinsen für Staatsanleihen allenfalls auch etwas mehr. Investoren können bei uns auch über Fonds in nachhaltig gefördertes Gold investieren, wobei die Goldbarren physisch in Liechtenstein hinterlegt werden.
Das Interview wurde schriftlich geführt.