Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?
Stefan Kreuzkamp*: Neben den Dauerbaustellen Brexit, Italien, China und Trump müssen die Anleger momentan noch die Achterbahnfahrt vom Dezember und Januar für sich einordnen. Der Wechsel vom Panik- in den Euphoriemodus erfolgte ausserordentlich zügig. Da es von politischer und makroökonomischer Seite zuletzt per Saldo keine positiven Impulse gab, muss man den Stimmungswechsel in erster Linie wohl auf die US-Federal Reserve zurückführen. Sie gab dem Markt, wonach er verlangte: Die Gewissheit, dass auch Jerome Powell in der Tradition seiner Vorgänger die Märkte nicht überfordern, sondern unterstützen wird.
Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Zwar hat auch der SMI einen ordentlichen Jahresstart hingelegt, allerdings konnte er währungsbereinigt weder mit dem Euro Stoxx 600 noch dem MSCI World mithalten, was wir in erster Linie auf die defensivere Struktur des Schweizer Leitindex zurückführen. Doch das ist eine Momentaufnahme. Mittelfristig rechnen wir wieder mit einem stärkeren Abschneiden der Schweizer Aktien, deren Dividendenrendite sich im Vergleich zu europäischen Aktien auf historisch hohem Niveau befindet.
Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Unser Ziel für Ende 2019 liegt bei 9000 Punkten.
Wie haben die Märkte auf US-Präsident Trumps Rede zur Lage der Nation reagiert?
Ich glaube nicht, dass irgendein Anleger darauf reagiert hat. Es war eine typische Trump-Rede: Solange er sich an das Skript seiner Redenschreiber hielt, lobten die Medien ihn als «präsidial». Sobald er jedoch aussprach, was er dachte, zeigte sich, dass man bei ihm keinen Wechsel im politischen Stil erwarten darf. Ebenso wenig wie eine Kooperation mit dem Kongress, die er in Aussicht gestellt hat.
Die USA und China haben gerade wieder verhandelt. Wie wirkt sich der Handelskonflikt für Anleger aus?
Der Handelskonflikt ist ohne Frage eine der Hauptsorgen der Anleger. Auch wenn man zu diesem Thema einige globale Daten unterschiedlich interpretieren kann, gehen wir schon davon aus, dass sich Trumps Handelspolitik bereits heute in einigen Zahlen nachteilig niederschlägt. Unser Basisszenario bleibt zwar, dass diesen Monat noch ein halb garer Vertrag zwischen beiden Staaten unterschrieben oder das Thema einmal mehr einfach weiter aufgeschoben wird. Unsere Sorge ist jedoch, dass es mit ein paar Zöllen und Quoten nicht getan sein wird, sondern die USA ihre Beziehung zu China unter sicherheitspolitischen Erwägungen grundsätzlich überdenken.
Die weltweite Konjunktur schwächt sich ab, die Zentralbanken dürften darauf reagieren. Kommt die Zinserhöhung in Europa und der Schweiz noch später?
Die Zentralbanken sind weltweit etwas «dovisher» geworden, werden sich also mit Zinserhöhungen mehr Zeit nehmen. Bei der Fed rechnen wir vor Sommer mit keiner Erhöhung mehr, bei der EZB rechnen wir für das gesamte Jahr mit keinem Zinsschritt und entsprechend rechnen wir damit, dass auch die SNB die Leitzinsen weiterhin niedrig halten wird.
Viele Unternehmen präsentieren gerade ihre Bilanzen. Was erwarten die Märkte?
Die Bilanzsaison verläuft recht mau, wenn vielleicht auch weniger mau, als die Märkte Ende 2018 noch befürchtet hatten. Dennoch kürzen die Analysten ihre 2019er Schätzungen mit der höchsten Rate seit vier Jahren. Es trifft fast ausschliesslich die zyklischen Werte. Dass sich die Aktien einiger dieser Titel, auch im Falle enttäuschender Bilanzen, trotzdem gut halten, kann in zwei Richtungen interpretiert werden: Dass die Korrektur im Dezember übertrieben war. Oder dass der Markt einmal mehr den Konsensschätzungen vorausläuft und bereits eine Stabilisierung der Gewinnrevisionen einpreist. Auch wir gehen davon aus, dass die Unternehmen dieses Jahr ihre Gewinne im niedrig einstelligen Prozentbereich steigern werden. Doch auf dem Weg dahin gilt es, noch einige Hürden zu nehmen.