Eigentlich bin ich ein eher konservativer Anleger», sagt Victor Wirth, 39, Wirtschaftsjurist in Basel. Den überwiegenden Teil seines Vermögens habe er in Immobilien investiert und dann in Anlagefonds, die maximal mit 70 Prozent Aktien bestückt seien. Der Rechtsanwalt aber weiter: «Doch ich verfüge auch über ein gewisses Budget, das ich risikofreudig anlege; das sind mal 10000, mal 20000 Franken. Diese Transaktionen wickle ich aus Kostengründen über einen Discount-Broker ab.»

Wirth ist Kunde der Discount Direct, der im Herbst 1996 gegründeten Discount-Brokerage-Tochter der Basler Kantonalbank. Wie er auf die Idee kam? Als die alte UBS und der Bankverein Ende 1997 ihre Fusion bekanntgaben, kamen dem Rechtsanwalt Bedenken, dass das doch dann keine rechte Basler Bank mehr sei. In der Folge verlegte er Konti und das Wertschriftendepot zur Basler Kantonalbank, die ihn auch auf den Service der Discount Direct aufmerksam machte: Abwicklung von Wertschriftentransaktionen zu äusserst günstigen Konditionen, dafür aber keinerlei Beratung, wie im Discount-Brokerage üblich.

Die benötige er für diese Geschäfte auch nicht, ist Wirth überzeugt. Er lese die einschlägige Wirtschaftspresse, auch mal Spezialliteratur, oder diskutiere hin und wieder mit wirtschaftserfahrenen Kollegen das Börsengeschehen. Engagements beschränkt der Rechtsanwalt auf Schweizer Werte. Sein letzter Coup: Im vergangenen Jahr hat er Aktien der UBS bei 282 Franken gekauft. Derzeit notieren die Titel um die 530 Franken. Und wenn der Wirtschaftsjurist bei einem Engagement einmal einen Missgriff tut? Dann wartet er in aller Ruhe ab, bis die Kurse wieder hochkommen.

Dafür fehlt vielen Anlegern allerdings der Atem. Nur verführt Discount-Brokerage geradezu zum schnellen Deal. Zumal die Transaktionen mehr und mehr über das Internet laufen - und immer weniger kosten. Charles Schwab, der erfolgreichste Online-Broker in den USA, verrechnet für elektronische Wertpapiertransaktionen in der Regel lediglich eine Grundgebühr von 29.95 Dollar. Zahlreiche Konkurrenten unterbieten ihn allerdings noch. So liegt das günstigste Angebot von Ameritrade derzeit unter acht Dollar pro Transaktion. Von solchen Preisen kann die Kundschaft europäischer Discount-Broker nur träumen, obwohl die Gebührensätze dieser hier noch recht jungen Branche im Vergleich zu den normalen Transaktionskosten bei den Banken enorm günstig sind (siehe Tabelle «Wo Sie beim Wertpapierkauf kräftig Kosten einsparen können»).

Allerdings sind in der Schweiz bislang nur einige wenige Discount-Broker etabliert, deren Umsatzvolumen zudem noch recht bescheiden ist. Mit Youtrade, einer Tochter der angelsächsisch geprägten Credit-Suisse-Gruppe, tritt in diesem Sektor jedoch eine neue Marktmacht auf. Allein in der ersten Woche nach dem Start hatte Youtrade mehr als 100 000 Besuche auf seiner Internet-Homepage. Bis ins Jahr 2005 werden nach Schätzungen der Credit Suisse ein Viertel der privaten Wertpapiertransaktionen an der Schweizer Börse direkt und online getätigt.

Das ist nicht aus der Luft gegriffen. In den USA haben die Online-Investments nämlich schon rasant zugenommen. Nach Angaben von Gomez Advisors, einer Internet-Research-Firma in Boston, existieren bereits 7,8 Millionen Internet-Konten. Eine Zahl, die sich innerhalb eines Jahres verdoppelt hat und bis zum Jahr 2000 über 10 Millionen liegen dürfte. Auf den Online-Handel entfallen bereits 25 bis 30 Prozent aller individuellen Aktientransaktionen. Charles Schwab wickelte im vierten Quartal 1998 bereits gut 60 Prozent seiner Transaktionen im Internet ab, im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um über 40 Prozent.

Amerikanische Verhältnisse bald auch in Europa? Raoul van der Lugt von Fidelity Investments in Luxemburg sieht das vorerst nicht: «In Europa herrscht noch eine andere Mentalität.» Vor zwei Jahren wollte die US-Fondsgesellschaft von London aus in Kontinentaleuropa Discount-Brokerage wie in den USA betreiben, wo Fidelity Brokerage hinter Charles Schwab auf dem zweiten Platz figuriert. Inzwischen hat man entsprechende Pläne wieder aufgegeben, diese Geschäftseinheit verkauft und konzentriert sich in erster Linie auf das Fondsgeschäft mit Institutionellen wie Versicherungen und Pensionskassen. Das bringe längerfristig mehr als das Retail-Geschäft. Für erfolgreiches Discount-Brokerage brauche man Volumen, das es in Europa im Gegensatz zu den USA in dieser Sparte noch nicht in genügendem Umfang gebe, so van der Lugt.

«Um in diesem Business zu bestehen, benötigt man 5000 bis 6000 Abschlüsse pro Tag», erläutert Felix A. Oeri vom Basler Discount-Broker OxfordPartners, der für das eigene Haus gerade neue Konditionen mit gestaffelten Gebühren festgelegt hat. In absehbarer Zeit möchte Oeri aber davon wegkommen und zur sogenannten Ticket fee übergehen, wie in den USA üblich. - Bislang ausschliesslich auf US-Aktien spezialisiert, handelt OxfordPartners seit Mai diesen Jahres auch mit Schweizer Wertschriften. Dass sich Oeri mit der Anzahl Transaktionen pro Tag ein hohes Ziel gesteckt hat, zeigen die Umsatzzahlen der Discount Direct. Werner Sigg, Direktionspräsident der Muttergesellschaft Basler Kantonalbank, macht gegenüber bilanz dazu erstmals öffentlich Angaben: «Das Volumen schwankt bei unserem Discount-Broker monatlich zwischen 5000 und 7000 Transaktionen.» Vom gesamten Wertschriftenumsatz der Bank entfallen auf den Discount-Broker 30 Prozent, was diesem im vergangenen Jahr allein Courtage-Einnahmen von 9,5 Millionen Franken einbrachte.

Die nahezu 4300 Kunden der Discount Direct beschreibt Sigg als konservativ bis risikofreudig, wobei allerdings ein gewisses Schwergewicht schon auf der am Trading orientierten Klientel liege, die an der Börse relativ rasch ein- und aussteigen wolle. Folgerichtig machen Aktien den Hauptharst vom Umsatzvolumen aus, gefolgt von Warrants und einem bescheidenen Anteil an Obligationen. Wertschriftenkredite vergibt die Discount Direct nicht. Auch dürfen die Kunden nur gedeckte Geschäfte machen, also keine Titel verkaufen, ohne sie zu besitzen. Dazu Sigg: «Damit haben wir einige Spekulationsmöglichkeiten eliminiert.» Doch grundsätzlich wisse die Kundschaft des Discount-Brokers genau, was sie wolle. Muss sie auch, denn sie bekommt von diesem ja auch keine Anlageberatung.

Wer sich eines Discount-Brokers bedient, sollte also einige Mindestkenntnisse von der Funktion der Finanzmärkte haben. Auch Disziplin ist wichtig. Denn der heisse Tip kann sich nicht nur bald einmal als Flop erweisen, auch hat man möglicherweise plötzlich ein völlig unstrukturiertes Wertschriftendepot, das in keiner Weise mehr dem eigenen Risikoprofil entspricht. Sicher kann es ein Nervenkitzel sein, am grossen Finanzrad mitzudrehen. Doch ständiges Rein und Raus an den Märkten, und dazu verleitet das Discount-Brokerage natürlich, kostet in aller Regel nur Geld. Da können die Gebühren noch so niedrig sein.

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