Viele Entwicklungen der vergangenen zwei Jahre gehen von der Perspektive aus, dass man sich wieder zumindest einige (Halb-)Tage pro Woche in den Büros trifft. Nur dort gibt es, so die einhellige Auffassung, die entscheidenden Interaktionen, die förderlich für Innovationen und die Unternehmenskulturen sind.
Arbeitgeber müssen die Office-Welt attraktiver gestalten, denn zu lange währte im Zuge der Covid-19-Pandemie die Zeit der Homeoffices mit ihren spürbaren und unbestreitbaren Vorzügen. Das irische Startup Kastus etwa hat Beschichtungen für die Oberflächen von Geräten entwickelt. Notebooks mit Touchscreens bleiben so auch dann virologisch unbedenklich, nachdem eine Gruppe von Personen einen Kreativtag mit einem Notebook, das alle mindestens einmal in den eigenen Händen hatten, beendet haben. Und die Firma Nanoseptic versieht viel berührte Oberflächen wie Türfallen und Liftknöpfe mit selbstreinigenden Nanokristallen. Solche Stellen müssen nun nicht mehr in kurzen Intervallen vom Putzpersonal desinfiziert werden.
Nachhaltigkeit bleibt ein Thema
Technologien, mit denen sich die Dichte von Bürobelegungen erfassen lassen, und die ständige Desinfektion der Luft über verbesserte Klimaanlagen und Putzroboter bilden lediglich die ersten Schritte, um Büros als Destination und Verweilort etwas attraktiver zu gestalten. Solche Büros bilden auch ein zunehmend wichtigeres Element für die Nachhaltigkeit der Arbeitswelt.
Nachhaltig funktionierende Arbeitgeber kommen unter Zugzwang: Weltweit verlangen die Aufsichtsbehörden von gelisteten Firmen zunehmend detaillierte Berichte zur Nachhaltigkeit – und dazu gehören auch harte messbare und sichtbare Faktoren wie Fluktuation und Förderung der Diversität. Sichtbar sind die Fortschritte auf den Gruppenfotos der Verwaltungsräte, der Konzern- und Geschäftsleitungen.
Erst nach und nach sichtbar werden die Veränderungen in diesem Jahr in den Büros selber, wenn man von den Aussagen der Managerinnen und Manager von grossen Büromietern anlässlich der Analystenveranstaltungen zu den Jahresergebnissen ausgeht.
Individuelles Office im Metaverse
Einige Vorteile des Homeoffice sollen in die Büros integriert werden. Dazu gehören verbesserte Möglichkeiten, rasch frische Luft schnappen zu können, beispielsweise über verbesserte Zugänge zu Aussenbereichen. In den Büros wird es mehr Rückzugsecken und -räume für das «Unplugging» geben. Und mit den Kundinnen und Kunden wird man sich noch mehr und besser in Begegnungszonen treffen, um «Experiences» zu vermitteln. Umgekehrt wird es zukünftig in den Offices mehr gut ausgestattete Fitnessbereiche und -flächen für gemeinsames kreatives Arbeiten geben. Frisches Obst, Mineralwasser und Snacks sollen die kreativen Geister unterstützen.
Offen ist, ob die Mischung von Wohnzimmeratmosphäre mit Secondhand-Flair ein Revival erleben wird. So wollten vor allem grosse Unternehmen vor einigen Jahren ihren jungen Talenten Alternativen zu konventionellen Büros anbieten. Viele Talente haben sich inzwischen weiterentwickelt – für sie zählen andere Elemente: Arbeitsinhalte, Teamzusammensetzung und Purpose sind wichtiger als Begegnungszonen. Zumal man sich möglicherweise in einigen Jahren im virtuellen Büro des Metaverse treffen wird – Microsoft und weitere grosse Softwareunternehmen arbeiten daran. Und da sieht jeder und jede das gemeinsam genutzte «Büro» anders: Die traditionellen Chefs haben ihre Grossraumatmosphäre, die Talente ihren Kreativitäts-Startup-Hub.
Erstmals erschienen in der Handelszeitung, 03.03.2022.