Herr Ackermann, wie ist der aktuelle Stand der Entwicklung bei der Credit Exchange (CredEx)?
Wir haben eine sehr gut funktionierende Hypothekenbörse für selbstbewohntes Wohneigentum aufgebaut und viele neue Partner gewonnen. Die Wertschöpfungskette wird weiter aufgegliedert und das führt zu substanziellen Effizienzsteigerungen. Dies wiederum führt zu besseren Konditionen – und das zieht weitere Interessenten an.

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Interviewpartner:

Hanspeter Ackermann ist seit 2018 CEO der Credit Exchange (CredEx), bei der die Mobiliar und die Vaudoise massgebliche Anker-Aktionäre sind. Zuvor war er drei Jahre bei der Bank Coop/Cler und davor viele Jahre bei der Credit Suisse. 

Können Sie die Börsen-Funktion erläutern?
CredEx steht zwischen den Vertriebspartnern mit ihren Kunden und den Kreditgebern, den Risk Carriers, zu denen zunehmend auch Versicherungen und Pensionskassen gehören. Wir matchen beide Seiten, so wie das eine Börse auch macht. Damit bringen wir Angebot und Nachfrage bei Hypotheken zusammen. 

Aber nicht jeder Retailkunde kann direkt auf ihre Plattform zugreifen. 
Nein, wir sind eine reine B2B-Plattform und arbeiten exklusiv mit unseren vertrauten Vertriebspartnern zusammen. Zudem schöpfen wir Effizienzvorteile aus. Bei uns macht die Glarner Kantonalbank die Abwicklung. In diesem Bereich, für den jeder der rund 300 Hypothekarabwickler in der Schweiz eigene Prozesse hat, kann man durch Digitalisierung und Standardisierung viel erreichen. 

«Für uns sind Transparenz, Vergleichbarkeit und Verbindlichkeit sehr wichtig.»

Plattformen müssen, um zu wachsen, Kunden auch über attraktive Preise gewinnen. 
Wir publizieren täglich auf unserer Website die Transaktionspreise für unterschiedliche Bonitätsklassen. Diese Zinssätze sind dann für die Hypothekarinteressenten sehr gute Orientierungswerte, denn bei uns kann man mit der Eingabe von wenigen Eckwerten bereits eine indikative Offerte erhalten, welche effektiv angebotenen Zinssätzen entspricht. Für uns sind Transparenz, Vergleichbarkeit und Verbindlichkeit sehr wichtig. Bei anderen Plattformen gelten die publizierten Preise lediglich für Hypothekarschuldner der allerbesten Bonität – und zuvor müssen die Interessenten viele Daten eingeben. 

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Bei Plattformen erhält der Betreiber oft eine grosse Macht und den Zugang zu allen Daten. 
Bei uns ist das anders, hier behält jeder Vertriebspartner weiterhin seine eigene Vertriebsstruktur. Diese kann sehr digital ausgestaltet werden, sie kann aber auch sehr traditionell oder hybrid aufgebaut sein. Die Kundenschnittstelle bleibt weiterhin exklusiv bei den Partnern; dies haben wir explizit vertraglich geregelt und wollen uns damit auch klar von anderen Plattformbetreibern abheben. Die Datenverarbeitung unsererseits ist rein auf die weitere Bearbeitung der abgeschlossenen Geschäfte ausgerichtet. Eine externe Vermarktung oder Weitergabe der gewonnenen Daten ist kein Thema. Aber natürlich verwenden wir die Daten für Verlängerungen oder den Sekundärmarkt. 

Hypotheken sind ein traditionelles Banken-Geschäft. Ihre wichtigsten Träger sind aber Versicherungen wie die Mobiliar und die Vaudoise. 
Als Partner von CredEx macht man rund um Hypotheken als zentrales Ankerprodukt fast immer Zusatzgeschäfte. Bei mehr als der Hälfte der über uns gehandelten Hypotheken gibt es solche Zusatzgeschäfte. Denn rund um das Thema Hauskauf/Wohnungskauf gibt es sehr viele Versicherungs- und Vorsorgethemen, welche mit einer optimalen Beratung im Sinne einer Win-win-Situation umgesetzt werden können. Und die Versicherungsvertriebsleute sind oftmals viel früher an solchen Transaktionen dran als die Banker. 

«Rund 3 bis 5 Prozent der Hypotheken in der Schweiz werden gegenwärtig über Plattformen vermittelt. Die Tendenz ist stark steigend.»

Früher dran zu sein garantiert ja noch keine Zusatzgeschäfte. 
Banker kennen sich sehr gut aus beim Thema Hypothek. Bei vielen weiteren Themen, welche beim Hauskauf/Wohnungskauf ins Spiel kommen, wissen die Versicherungsleute mindestens ebenso gut Bescheid. Beispielsweise beim ganzen Thema Vorsorge und Risiko. Bei den vielen wichtigen eigentlichen Versicherungs- und Vorsorgethemen sind sie gegenüber den Banken sogar klar im Vorteil, beispielsweise bei Fragen rund um die Absicherung der Familie. Und es gibt dann noch die vielen weiteren Geschäftsfelder wie Handwerkernetze, Umzugsdienste und so weiter. Die Versicherungen haben hier viele Ideen, und sie bauen ihre digitalen Ökosysteme auf und aus. 

Wo steht man mit solchen Plattformen in der Schweiz?
Rund 3 bis 5 Prozent der Hypotheken in der Schweiz werden gegenwärtig über Plattformen vermittelt. Die Tendenz ist stark steigend. In diesem Bereich passiert das Gleiche wie im Ausland, wo die Plattformen vielerorts schon sehr viel höhere Anteile generieren. Und solche Plattformen werden noch in weitere Bereiche des klassischen Versicherungs- und Bankgeschäfts vordringen. Versicherungen wissen, dass ihr Kerngeschäft unter Druck kommt. Sie sind stärker auf den Wandel der Digitalisierung sensibilisiert – und deshalb engagieren sie sich so stark bei diesen Themen.

Welche Rolle hat CredEx in der digitalen Wirtschaft?
Wir sehen uns in einer Rolle als Orchestrator eines Ökosystems. Kundenberatung und Vertrieb, Bewertung der Liegenschaft, Anlagen, Abschluss, Kontrolle, Abwicklung und Verwaltung sind bei uns alles getrennte Tätigkeiten. Jeder Partner macht das, was er am besten kann. 

«Was wir machen, steht für viele Banken in Widerspruch zu ihren eigenen Systemen.»

Für wen eignen sich solche Plattform-Modelle überhaupt?
Unser B2B-Ansatz richtet sich an alle Kundengruppen: Klassische und traditionelle Kunden können sich weiterhin von ihren vertrauten physischen Vertriebspartnern beraten lassen; digitalaffine Kunden machen einen grossen Anteil selbst. Wichtig ist, dass wir alle möglichen Kanäle abdecken, von Online-Zugriffen bis hin zu API-Anbindungen und B2B2C-«Plug&Play»-Lösungen. 

Was ist aus Ihrer Sicht die grösste Herausforderung beim Aufbau von CredEx?
Was wir machen – standardisierte Verträge und Abwicklung der Hypotheken, die vereinfachten und digitalisierten Prozesse –, steht für viele Banken in Widerspruch zu ihren eigenen Systemen. Diese rechnen sich nur, wenn sie mit weiteren Abschlüssen zusätzliche Deckungsbeiträge einspielen können. Auch bemängeln viele Banken die scheinbare Kannibalisierung ihres Kerngeschäftes. Solange die auf Hypotheken fokussierten Banken noch eine akzeptable Marge erwirtschaften können, ist die Bereitschaft für Neues eingeschränkt.

Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Führungskräfte einer Bank?
Als CEO einer Bank – das war ich ja auch einmal – will man vieles selber machen und kontrollieren. Bei einer Zusammenarbeit mit einer Plattform dagegen muss man sich auf andere Partnerunternehmen verlassen und man riskiert unter Umständen auch, das eigene Geschäft zu kannibalisieren. Wobei diese Gefahr eher überschätzt wird. Mehr als 70 Prozent der Schweizer Bankkunden holen keine zweite Offerte ein, wenn sie ihre Hypothek verlängern. Der Druck, Geschäfte zu verlieren, hält sich somit in Grenzen.

«Wenn Banken 90 Prozent dieses Marktes halten, kann man als Versicherung oder Pensionskasse nur wachsen.»

Und dann kommen die Versicherungen und Pensionskassen ins Spiel. 
Wenn Banken 90 Prozent dieses Marktes halten, kann man als Versicherung oder Pensionskasse nur wachsen. Hinzu kommen die ganzen möglichen, bereits erwähnten Zusatzgeschäfte für eine Versicherung. Für uns als CredEx sind daher Versicherungen exzellente Partnerunternehmen. Selbst wenn mehrere beteiligt sind – jede Versicherung macht das etwas anders, setzt andere Schwerpunkte und man kommt sich kaum ins Gehege. Allen Beteiligten ist klar, dass die traditionellen Modelle überholt sind. Landesweite oder sogar grenzüberschreitende Plattformen sind die Zukunft. 

Hinzu kommen Erweiterungsmöglichkeiten des engeren Hypothekengeschäfts. 
Hypotheken waren bisher kaum handelbar. So etwas geht erst, wenn die Verträge hoch standardisiert sind. Ansonsten wird die Due Dilligence für solche individuellen Portfolios viel zu aufwendig. Diese Standardisierung ist ein Kernelement unserer Plattform und wir sind gerade jetzt daran, die ersten Transaktionen im Sekundärmarkt zu ermöglichen. 

Eine weitere Ausdifferenzierung sind Services für die Investoren. Nicht alle kleineren und mittelgrossen institutionellen Investoren können und möchten Immobilienportfolios bewirtschaften. 
Asset Manager möchten tatsächlich möglichst wenig mit dem Handling von Hypotheken zu tun haben. Dazu gehören Abwicklung, das Inkasso und Vertragsänderungen, wenn sich bei den Hypothekarnehmern etwas ändert. Das Gleiche gilt für den Kundenberater, der seinen Fokus exklusiv auf den Kunden ausrichten sollte. Genau darauf basiert unser Ökosystem.

Wie sieht es mit den aktuellen Geschäftszahlen bei Ihnen aus?
Von wenigen Hypotheken pro Woche 2018 haben wir uns kontinuierlich gesteigert. Heute wickeln wir an guten Tagen bis zu zehn Transaktionen ab. Die Tendenz ist konstant steigend. Hinzu kommt, dass die Mobiliar ihr vollständiges Hypothekarportfolio via CredEx zur Glarner Kantonalbank verlagert, wie das die beiden Unternehmungen bereits bekannt gegeben haben. Damit haben wir uns die 2-Milliarden-Franken-Grenze als Ziel für 2021 gesetzt. 

«Unser Setup ist in der Schweiz einzigartig. Wir haben ein Modell mit positiven Netzwerkeffekten entwickelt.»

Werden weitere Partner hinzukommen? 
Ja, auf jeden Fall. Wir sind immer in Diskussionen mit neuen potenziellen Partnern. Denn unser Setup ist in der Schweiz einzigartig. Wir haben ein Modell mit positiven Netzwerkeffekten entwickelt. Denn jeder Partner, der auf unsere Plattform kommt, ist etwas anders ausgerichtet. Hier findet jeder seinen Platz oder seine Nische. Bis zum Jahr 2023 möchten wir den Break-even erreichen.

In welche Richtung wird die Entwicklung gehen?
Wir bleiben beim Schwerpunkt des selbst bewohnten Wohneigentums und sehen vorerst davon ab, beispielsweise in den Bereich der Renditeimmobilien vorzustossen. Das schliesst aber eine spätere Expansion in andere Bereiche nicht aus. Dennoch möchten wir bei dem bleiben, was wir sehr gut beherrschen. Und es sind weitere Entwicklungen absehbar, sei es in Richtung neuer Produkte oder mit neuen Technologien. 

Wenn Sie jetzt auf den bisherigen Aufbauprozess zurückschauen – welches sind die grössten Herausforderungen gewesen?
Wir leben in einer Zeit mit ständigen Veränderungen. Der Faktor Zeit wird unterschätzt, es braucht immer mehr Zeit, als man ursprünglich geplant hat, um neue Angebote aufzubauen und auf den Markt zu bringen. Und was ich als sehr gut vernetzter ehemaliger Banker ebenfalls unterschätzt habe, ist, wie anspruchsvoll es ist, Partner für unser Ökosystem zu gewinnen. Persönlich ist ein solcher Aufbau eine sehr spannende Aufgabe. Die braucht aber auch viel Durchhaltevermögen, aus den Gründen, die ich oben geschildert habe. Insbesondere Versicherungen haben früh erkannt, dass eine Hypothek als Ankerprodukt eine ausgezeichnete Basis für weitere mögliche Geschäfte ist.