Dies zeigt der «Nachhaltigkeitsreport 2021», der dieses Jahr zum dritten Mal publiziert wird. Dabei sticht heraus, dass 80 Prozent der Kapitalanlagen der Privatversicherer an Nachhaltigkeitskriterien geknüpft sind. Zudem beteiligen sich die Unternehmen zunehmend an Allianzen wie zum Beispiel der Net-Zero Asset Owner Alliance.
Der vom Schweizerischen Versicherungsverband SVV herausgegebene «Nachhaltigkeitsreport 2021» berichtet über die Entwicklung der ökologischen, finanziellen und sozialen Nachhaltigkeitsaktivitäten der in der Schweiz tätigen Versicherungsgesellschaften. Die Branche trägt 4,2 Prozent zum Bruttoinlandprodukt bei und ist mit einem kumulierten Anlagekapital von 545 Milliarden Franken ein gewichtiger Investor. Der Fakt, dass bei 80 Prozent der selbstverwalteten Kapitalanlagen ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) im Investitionsprozess berücksichtigt werden, trägt dem Branchenbekenntnis zu Nachhaltigkeit Rechnung. Ein überwiegender Teil der Gesellschaften verfügt dabei über interne Leitlinien mit Bestimmungen über die Investition in nachhaltige Kapitalanlagen, den Ausschluss von Kapitalanlagen sowie die Ausübung des Stimmrechts. Am häufigsten werden Ausschlussregelwerke eingesetzt, wobei im Jahr 2021 acht weitere Gesellschaften entsprechende Weisungen implementiert haben. Konkret bedeutet dies beispielsweise, dass 30 Privatversicherer Investitionen in Unternehmen ausschliessen, die Einnahmen aus dem Abbau von thermischer Kohle erzielen oder einen definierten Kohleanteil zur Stromerzeugung einsetzen. «Auch kleinere Versicherungsunternehmen sind daran, ihre strategische Positionierung und Ausrichtung hinsichtlich Sustainable Investing zu überprüfen», sagt der Direktor des SVV, Urs Arbter.
Bekenntnis zu Transparenz
«So viel Regulierung wie nötig, so wenig wie möglich». Dieser Grundsatz gilt aus Sicht des SVV auch im Bereich der Nachhaltigkeit. Umwelt- und Klimarisiken sind dabei per se keine neuen Risiken, sondern vielmehr zusätzliche Risikotreiber, die sich auf bestehende Risikokategorien auswirken. Transparenzbestimmungen gewinnen dabei auch im Nachhaltigkeitsbereich an Bedeutung, da internationale Regelwerke wie die Task Force on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD) vermehrt 1:1 in nationale Gesetze überführt werden. Der Branchenverband der Privatversicherer bekennt sich – auch mit dem Nachhaltigkeitsreport 2021 – zur Transparenz. «Die Transparenzbestrebungen der gesamten Finanzbranche stehen jedoch in direkter Abhängigkeit von jener der Realwirtschaft, da sie darauf aufbauen», betont Arbter.
Beitrag zu widerstandsfähigeren Volkswirtschaft
Abgesehen von den Kapitalanlagen verfügt die Versicherungsbranche über Hebel mit weiterem Potenzial, um die Nachhaltigkeitsentwicklung mitzuprägen. Mit ihrem Kerngeschäft, der Risikoübernahme, trägt die Versicherungswirtschaft zu einer widerstandsfähigeren Volkswirtschaft bei. Dank dem durch die Versicherer gewährten finanziellen Schutz müssen Unternehmen weniger Risikokapital vorhalten und haben dadurch mehr Mittel für die Geschäftsentwicklung wie auch zur Finanzierung von Innovationen. In der operativen Umsetzung des Risikomanagements (Underwriting) stellt sich für die Assekuranz die Frage, wie mit der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien umzugehen ist. Welche Risiken werden übernommen? Welche werden systematisch ausgeschlossen, weil diese nicht versicherbar sind oder aus ethischen Gründen respektive Reputationsgründen die Bereitschaft zu deren Übernahme nicht vorhanden ist? Die Privatversicherer halten individuell Antworten auf solche Fragestellungen im Rahmen ihres Risikomanagements fest. Klar ist: «Durch den zusätzlichen Fokus auf Nachhaltigkeit legt das Underwriting nochmals an Komplexität zu», sagt Urs Arbter.
Klimarisiken mit direkten Auswirkungen aufs Kerngeschäft
Die Versicherungswirtschaft hat ein natürliches Interesse an ökologischer Nachhaltigkeit, da Klimarisiken und Wetterextreme in der Nichtlebensversicherung direkte Auswirkungen aufs Kerngeschäft haben. Die Assekuranz ist an möglichst tiefen Prämien interessiert, um ihren Kundinnen und Kunden attraktive Produkte offerieren zu können. Die Versicherungsgesellschaften leisten denn auch einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaziele. Doch der Begriff «ESG» deckt nicht alle notwendigen Dimensionen ab. «Ökologische Nachhaltigkeit kann nur erreicht werden, wenn finanzielle und gesellschaftliche Nachhaltigkeit gegeben sind», kommentiert Urs Arbter den Branchenreport.
Festhalten am bewährten Dreisäulensystem
Auch in der Altersvorsorge – hier sind die privaten Lebensversicherer seit jeher stark in der beruflichen Vorsorge engagiert – orientiert sich der SVV am Grundsatz, dass eine Generation nicht über ihre Verhältnisse leben darf, da dies zwangsläufig zu Einbussen bei den nachkommenden Generationen führt. «Der Begriff der Generationengerechtigkeit bringt dies in der Vorsorge auf den Punkt», führt Arbter aus. Der SVV setzt sich entsprechend – unabhängig von den laufenden Reformbemühungen in der ersten und zweiten Säule – für eine generationengerechte Altersvorsorge ein, die auf dem bewährten Dreisäulensystem aufbaut. «In der beruflichen Vorsorge wird die Gerechtigkeit zwischen den Generationen quasi von Gesetzes wegen verletzt: Der überhöhte BVG-Umwandlungssatz führt zu massiven Rentenumwandlungsverlusten bei den Vorsorgeeinrichtungen und damit zu einer im System nicht vorgesehenen Umverteilung zwischen aktiven Versicherten und Rentenbezügern», hält der «Nachhaltigkeitsreport 2021» fest. Zudem legt der Bericht Rechenschaft darüber ab, wie die Versicherungsunternehmen mit Initiativen wie «InsurSkills» und der Plattform «startsmart.ch» die Arbeitsmarktfähigkeit ihrer Mitarbeitenden stärken, lebenslanges Lernen fördern und die Arbeitswelt von morgen mitgestalten. Neu ist in den Empfehlungen der Branche zu den Anstellungsbedingungen in der Assekuranz ein explizites Bekenntnis zur Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit verankert.
Reduktion des Gebäudeenergieverbrauchs um 14 Prozent
Ein energieschonendes betriebliches Umweltmanagement ist ebenso Teil der branchenweiten Nachhaltigkeitsbestrebungen. Hier sank der CO2-Fussabdruck pro Vollzeitstelle gegenüber dem Vorjahr leicht um 2 Prozent. Der Gebäudeenergieverbrauch reduzierte sich um 14 Prozent, und die Geschäftsverkehr-Emissionen gingen trotz der Lockerungsmassnahmen der Schweiz im Zusammenhang mit der Coronapandemie um 24 Prozent zurück – auch dank der weiter voranschreitenden Digitalisierung.
Über den Nachhaltigkeitsreport
Der SVV berichtet seit 2020 jährlich zur Nachhaltigkeitsleistung der Branche. Der «Nachhaltigkeitsreport 2021» beruht auf konsolidierten, auf Unternehmensebene erhobenen Daten und umfasst einen Grossteil der in der Schweiz tätigen Versicherungsgesellschaften. Er wurde in Anlehnung an die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) erstellt. Für diese dritte Ausgabe wurden neu Interviews mit Branchenexpertinnen und -experten geführt. Zudem flossen erstmals Ergebnisse aus einem strukturierten Dialog mit Stakeholdern aus Politik, Wissenschaft, Nichtregierungsorganisationen, Mitgliedgesellschaften und weiteren Interessengruppen mit ein.