Während der Klimawandel als Risikotreiber das Versicherungsgeschäft tangiert, haben auch die finanziellen und gesellschaftlichen Dimensionen der Nachhaltigkeit einen grossen Einfluss. 

Mit dem Nachhaltigkeitsreport 2022 veröffentlicht der Schweizerische Versicherungsverband SVV seinen  vierten Branchenbericht. Derweil im ersten Report (2020) der Fokus auf den Kapitalanlagen lag, sind die  Privatversicherer zunehmend dazu übergegangen, Nachhaltigkeit in die gesamte Wertschöpfungskette zu  integrieren. So hat die Branche neben der Anlagetätigkeit drei Bereiche identifiziert, in denen sie einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten kann: die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Risikoanalyse und das  Zeichnen von Versicherungsgeschäften (Underwriting), die Begleitung der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung Netto-Null sowie Transparenz und Zusammenarbeit in Nachhaltigkeitsfragen. Die Versicherungswirtschaft folgt dabei stets der Leitidee, künftigen Generationen mindestens die gleichen Bedingungen zu hinterlassen, wie wir sie heute vorfinden. 

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Nachhaltigkeit in der Geschäftstätigkeit 

Zum Kerngeschäft von Versicherern gehören die Risikoanalyse und das Risikomanagement sowie darauf  aufbauend der Abschluss von Versicherungsverträgen. Nachhaltigkeitsaspekte beeinflussen die klassischen Risikoarten wie das versicherungstechnische Risiko, das Marktrisiko, das Liquiditätsrisiko oder das  Reputationsrisiko in vielfältiger Weise. Den grössten Einfluss auf die Risikoanalyse hat der Klimawandel, da sich die daraus resultierenden Natur- und Umweltrisiken direkt auf die Schadenquoten der Versicherer  auswirken. Unmittelbar unterstützend sind dabei effektive Präventionsmassnahmen, um die Folgen der Klimaerwärmung abzufedern. Auch finanzielle und gesellschaftliche Nachhaltigkeitsrisiken wie der Reformdruck in der Altersvorsorge, die zunehmende Staatsverschuldung oder die Herausforderungen im Gesundheitswesen berühren die Arbeit der Versicherer. 

Die Versicherungswirtschaft kann mit ihrem umfassenden Risikowissen eine wichtige Rolle spielen, um die  Realwirtschaft auf dem Weg zu Netto-Null zu begleiten. Sie tut dies beispielsweise, indem sie mit ihren  Unternehmenskunden Ziele, Strategien und Fortschritte der Dekarbonisierung thematisiert. Die Umsetzung hängt jedoch von den versicherten Unternehmen ab. Eine Herausforderung liegt in der Kategorisierung in «nachhaltige» und «nicht nachhaltige» Geschäftsmodelle und -praktiken, wie auch die Diskussionen um ein einheitliches Klassifizierungssystem zeigen. Eine interne Umfrage des SVV legt offen, dass sich die Mehrheit der teilnehmenden Versicherer in den letzten fünf Jahren intensiv mit der Integration von Nachhaltigkeitskriterien bei der Zeichnung von Versicherungsgeschäften auseinandergesetzt hat. Im Fokus  stehen vor allem Unternehmenskunden. 

Immobilienanlagen als wichtigster Bereich für Impact Investments 

Im Jahr 2022 verwalteten die Privatversicherer Kapitalanlagen in der Höhe von 570 Milliarden Franken. Der Umgang mit diesen Kundengeldern unterliegt engen Leitlinien und regulatorischen Anforderungen. Von den am  Nachhaltigkeitsreport teilnehmenden Versicherungsgesellschaften gaben 90 Prozent an, ESG-Risiken im Rahmen ihrer Anlagetätigkeit zu berücksichtigen. Die Gewichtung der drei Faktoren Umwelt (E), Soziales (S) und Unternehmensführung (G) erfolgt ausgewogen, was für ein umfassendes Nachhaltigkeitsverständnis der  Branche spricht. Die Versicherer nutzen verschiedene Methoden, um Nachhaltigkeitskriterien bei ihren Investments durchzusetzen. Dazu gehören etwa die aktive Stimmrechtsausübung und Engagement-Dialoge oder Negativ- und Ausschlusslisten. Für 19 Milliarden Franken der Kapitalanlagen ist durch Impact Investment  ein positiver Nachhaltigkeitsbeitrag direkt messbar. Der wichtigste Bereich für Impact Investments sind  Immobilienanlagen, bei denen die Versicherer sowohl bei Neubauten als auch bei Sanierungen auf Nachhaltigkeitsaspekte achten. 

Reduktion des CO2-Fussabdrucks in den Unternehmensprozessen 

Die Schweizer Privatassekuranz, die Ende 2022 etwas mehr als 48’000 Mitarbeitende beschäftigte, gehört mit  ihrem Geschäftsmodell selbst nicht zu den energie- und ressourcenintensiven Wirtschaftszweigen. Unabhängig  davon nimmt die Versicherungswirtschaft ihre Verantwortung auch im operativen Geschäft wahr. So ist es ihr gelungen, den CO2-Fussabdruck pro Vollzeitstelle im Jahr 2022 um 14 Prozent auf 1,33 Tonnen zu reduzieren. Auch der Energieverbrauch der von den Unternehmen genutzten Gebäude konnte gesenkt werden. 

Zusammenarbeit als Schlüsselfaktor 

Der Klimawandel ist eine globale Herausforderung, die verschiedene Wirtschaftszweige und Regionen betrifft.  Eine Zusammenarbeit und der Austausch von Wissen und Expertise sind daher unerlässlich. Der SVV und  seine Mitglieder wirken an verschiedenen Initiativen und in Organisationen mit, die sich Ziele wie die Reduktion des CO2-Ausstosses oder die Einführung einheitlicher Nachhaltigkeitskriterien gesetzt haben. So ist der SVV  beispielsweise Supporting Institution der Net Zero Asset Owner Alliance, in der sich Organisationen  zusammengeschlossen haben, die im Anlagebereich das Ziel Netto-Null verfolgen. Bereits heute unterliegen 48  Prozent der Kapitalanlagen der Schweizer Versicherer der NZAOA-Mitgliedschaft. Der Beitritt des SVV zu den Principles for Sustainable Insurance (PSI) im Jahr 2023 hat zudem zum Ziel, die Rahmenbedingungen für einen  nachhaltigen Finanzplatz Schweiz auch für das Versicherungsgeschäft zu fördern.

Versicherer setzen auf Selbstregulierung 

Im Themenfeld Sustainable Finance hat sich seit dem letzten Report sehr viel bewegt. Der Bundesrat hat im  Dezember 2022 seinen Bericht zur Strategie Sustainable Finance 2022–2025 und ein Positionspapier zur  Vermeidung von Greenwashing veröffentlicht. Der SVV setzt dabei auf die Selbstregulierung, die im  Finanzsektor der Schweizer Wirtschaft eine lange Tradition hat – und er lehnt eine Verbotskultur aus  grundsätzlichen Überlegungen ab. Zu den Vorteilen einer Selbstregulierung gehören Praxisnähe, Flexibilität und  ein hoher Differenzierungsgrad. Dies ist wichtig, weil es bis heute noch keine allgemein anerkannte Definition von Greenwashing gibt. Für die Versicherungswirtschaft ist dabei entscheidend, dass das Kerngeschäft der Versicherer (klassische Risikoprodukte) gar nicht Gegenstand von Greenwashing sein kann. «Bei  Risikoprodukten entscheiden die Kundinnen und Kunden, ob sie ein Risiko eingehen wollen oder nicht. Die  Versicherungswirtschaft prüft anschliessend, ob sie dieses Risiko finanziell absichern kann», sagt SVV-Direktor Urs Arbter

Die Herausforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit bleiben vielfältig. Der oft unterschätzte Aspekt der  finanziellen Nachhaltigkeit als Voraussetzung für eine ökologische und gesellschaftliche Nachhaltigkeit  beschäftigt die Branche. So gehört in der Schweiz neben dem fortschreitenden Klimawandel insbesondere die Reform der Altersvorsorge zu den drängenden Themen. Besonderes Augenmass ist auch auf ein angemessenes Mass an Regulierung zu legen. Insbesondere ist darauf zu achten, dass Innovation und die Weiterentwicklung von bestehenden Geschäftsmodellen in eine nachhaltigere Richtung weiter möglich bleiben und gefördert werden. (pd/hzi/hoh)