Auf ganzen Etagen leere Büros: Über Monate waren Schreibtische während der Pandemie in   vielen Unternehmen verwaist. Millionen Arbeitnehmende lernten unterdessen die Vorteile von Homeoffice, virtueller Zusammenarbeit und flexibler Zeiteinteilung kennen und lieben. Und jetzt? «Die Rolle rückwärts funktioniert auf jeden Fall nicht; die Gen Z fordert mehr digitale und hybride Arbeitsweisen», ist Martin Maas überzeugt. Als Leiter Employer Branding und Nachwuchsrecruiting bei Helvetia Versicherungen Schweiz stand er mit seinem Team Anfang 2020 vor der Herausforderung, von heute auf morgen 80 Prozent der geplanten Massnahmen über Bord werfen und Alternativen im Personalmarketing entwickeln zu müssen. «Die Frage war: Wie halten wir die gleiche Qualität in Bezug auf Zielgruppenkommunikation aufrecht mit ausschliesslich digitalen Mitteln?»

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Pizza, Podcast und persönliche Videos

Quasi aus dem Stand entwickelten die Employer-Branding-Experten neue Aktionen, die Menschen verbinden, Spass machen und für Überraschungsmomente sorgen. Zum Beispiel ein virtueller Welcome Day für alle neuen Mitarbeitenden – mit einem kleinen Highlight. «Punkt 12 klingelt es an der Tür – im Online-Meeting empfiehlt der neue Arbeitgeber: Macht die Tür auf, man weiss nie, was am ersten Arbeitstag passiert.» Nervenkitzel, erstaunte Blicke. Und dann wird eine Pizza geliefert. «Die Pizza zum Lunch ist für viele einfach ein realer Wow-Effekt», sagt Martin Maas. Davon erzählen die neuen Mitarbeitenden auch Freunden und Familie. Oder posten es gleich am ersten Tag in den sozialen Medien. Maas: «Das hilft natürlich der Arbeitgebermarke, aber vor allem macht es die Menschen im Homeoffice an ihrem ersten Arbeitstag glücklich.»
Auch im Lockdown musste das Recruiting weitergehen. Es gab Kündigungen und es wurden neue Stellen genehmigt. Helvetia setzte 2020 als erster Arbeitgeber im Branchenumfeld personalisierte Videos in der Rekrutierung ein – «damit die persönliche Ansprache auch in durchgängig virtuellen Rekrutierungsprozessen nicht zu kurz kam», erklärt Martin Maas.
Für die interne Kommunikation mit Kolleginnen und Kollegen in den Homeoffices entstanden Podcasts. Dabei informierten externe Expertinnen und Experten zu verschiedenen Pandemiethemen oder stellten neue virtuelle Tools vor, Coaches gaben Tipps zu Ernährung, Homeschooling oder Fitness. Martin Maas: «Wir wollten einfach Hilfestellung zu Alltagsthemen geben und zur damals noch ungewohnten virtuellen Kollaboration motivieren, aber auch die Botschaft vermitteln: Wir als Arbeitgeber sind für euch da.»

Virtuelle Schnuppertage

Bis heute ist durch Corona und Homeschooling die Berufsorientierung in den Schulen komplett lahmgelegt, hat Martin Maas beobachtet. Die Jungen verschieben das Bewerben auf eine Lehrstelle einfach in die Zukunft. «Das ist natürlich tödlich für den Lehrmarkt Schweiz.» Helvetia bot dann Schulen an, Lehrberufe im Versicherungsbereich an virtuellen Elternabenden vorzustellen, und lud Jugendliche zu virtuellen Schnuppertagen ein. Um die richtigen Personen zielgerichtet erreichen zu können, setzte Helvetia dabei auf Programmatic Advertising – eine softwarebasierte Methode im Digital Marketing, um Online-Werbeinhalte automatisiert auszuspielen, zu buchen und für die passende Zielgruppe zu optimieren.
Den grössten Lerneffekt aus der Pandemie sieht Martin Maas in der Entschlossenheit des Unternehmens, aus der Corona-Krise das Beste zu machen. «Plötzlich funktionierten viele Dinge, die vorher nicht vorstellbar waren», schildert er. «Wir stellten trotz vereinzelten Vorbehalten gegenüber ausschliesslich digitalen Formaten eine sehr gute Zusammenarbeit fest – bei konsequenter Unterstützung durch das Management.»

Budgets verlagern sich

Employer Branding hat sich durch Corona verändert, bilanziert Martin Maas. «Budgets verlagern sich. Innovative digitale Live-Austausch-Formate werden entstehen und müssen den Bedürfnissen der Zielgruppe angepasst werden.» Es tauchen auch neue Fragen auf, etwa: Wie mache ich Kultur remote erlebbar und wie gestaltet sich eine hybride Kultur? Für Post-Corona sieht der Employer-Branding-Experte «maximale Ehrlichkeit» als nachhaltiges Erfolgsrezept. «Versprich nur das, was du halten kannst», empfiehlt er Arbeitgebern. Wenn Mitarbeitende im Homeoffice nicht gewünscht sind, sollte es auch nicht in Stellenanzeigen betont werden. Wichtiger sei: «Kante zeigen und diese erklären, um sich zu differenzieren.»