Die Versicherer sind Ihre Partner, wenn es um die Abdeckung der Risiken bei Triumph International geht. Wie zufrieden sind Sie mit den angebotenen Dienstleistungen?
Generell bin ich ganz zufrieden. Aber es hat noch Potenzial. Es wäre positiv, wenn im Schadenprozess die gleiche Leidenschaft gezeigt würde wie bei der Anbahnung eines neuen Versicherungsvertrags.
Wo gibt es Verbesserungspotenzial?
Die Schadenabwicklung könnte besser werden. Die Tools der Versicherer sind stark auf die Administration ausgerichtet und weniger dynamisch über die Policen-Laufzeit hinweg. Da könnte man im Dialog zwischen Assekuranz und Versicherungsnehmer zulegen hinsichtlich Verständlichkeit, Schnelligkeit – und allgemein aufeinander zugehen. Nebst dem reinen Risikotransfer wäre auch dem Risikovermeidungsgedanken seitens der Versicherer noch mehr Beachtung zu schenken. Eine noch grössere Bedeutung sollte auch den ESG-Kriterien – also Environment, Social, Governance – beigemessen werden. Und schliesslich wäre es ein Fortschritt, wenn die Entwicklung von neuen Versicherungsprodukten nicht ähnlich lang wie in der Pharmabranche dauern würde.
Wie sieht denn heute das Anforderungsprofil an die Versicherungswirtschaft aus?
Vom Versicherer wird vor allem Sachkompetenz verlangt. Die Versicherungsspezialisten müssen sich in die Bedürfnisse der Kunden hineindenken. Wichtig ist, dass der Prozess der Versicherungsabwicklung möglichst effizient und schlank gestaltet wird.
«Einzig wegen einer Ausschreibung braucht es die Broker nicht.»
Sabrina Hartusch
Wird genügend rasch auf neue Risiken wie etwa die Cyberattacken reagiert?
Im Fall der Cyberversicherung wird die Produktentwicklung bereits seit Jahren vorangetrieben. Heute bekommt man sicherlich die «Bestof»-Version des heutig Machbaren. Zudem sind gewisse Cyberdeckungen in bestehenden Policen gar nicht explizit ausgeschlossen. Klar ist aber auch, dass es den Kunden meist schwerfällt, das Cyberrisiko im eigenen Unternehmen überhaupt zu verstehen.
Sind die Unternehmen genügend stark für Risiken sensibilisiert?
Ja, sonst hätte man nicht über Jahrzehnte bestehen können. Natürlich ist es unmöglich, jedes Risiko vorauszusehen, den Umgang mit den Risiken kann man jedoch beeinflussen. Jedes noch so gut gemeinte Risk Reporting nützt nichts, wenn es nicht gelebt wird.
Werden die Versicherungsverträge auch regelmässig kontrolliert und neu ausgeschrieben?
Bei Grossunternehmen mit den entsprechenden Ressourcen ist dies sicherlich der Fall. Es finden regelmässige «Health Checks» statt, und je nach Marktlage erfolgen grössere Ausschreibungen. Ich sehe aber auch Unternehmen, in denen man die Versicherungspolice lieber nicht anfassen will und sie stattdessen im Schrank verstauben lässt.
Welche Rolle spielen eigentlich die Broker?
Sie sind der verlängerte Arm und das Sprachrohr der Kunden.
DIE RISKMANAGERIN
Funktion: Global Head of Insurance beim Textilkonzern Triumph International, Bad Zurzach; Präsidentin Swiss Association of Insurance and Risk Managers (Sirm)
Alter: 38
Wohnort: Wettingen
Ausbildung: BWL-Studium Berufsakademie Mannheim; Master of Science in Insurance and Risk Management an der Cass Business School London
DAS UNTERNEHMEN: Triumph gehört zu den weltweit grössten Herstellern von Intimate Apparel. Mit den Hauptmarken Triumph und Sloggi vertreibt das Unternehmen seine Produkte in mehr als 120 Ländern. Weltweit beliefert Triumph 40 000 Wholesale-Kunden und verkauft seine Produkte an 4050 selbst kontrollierten Verkaufsstellen sowie in zahlreichen eigenen Onlineshops. Die Triumph-Gruppe ist Mitglied der Business Social Compliance Initiative (BSCI).
Das reicht?
Nun, es stellt sich auch die Frage, wo der Mehrwert für den Kunden liegt.
Wie meinen Sie das?
Die Unternehmen entwickeln sich weiter, entsprechend gibt es neue Bedürfnisse. Sie wollen das Know-how der Broker nutzen und erwarten von ihnen, dass sie die Versicherer insbesondere zur Innovation antreiben. Einzig wegen einer Ausschreibung braucht es die Broker nicht.
Viele multinationale Gesellschaften sind mit dicken Kapitalpolstern ausgestattet. Werden da nicht vermehrt Risiken etwa über Captives auf die eigenen Bücher genommen?
Das dürfte für manche grössere Firmen zutreffen, ist aber auch abhängig von der Unternehmensstrategie und der Risikofähigkeit.
Welches sind denn die wichtigsten Beurteilungskriterien?
Das sind der Preis und die Verfügbarkeit des Versicherungsschutzes.
KMU haben beim Versicherungsschutz weniger Möglichkeiten. Suchen diese vor allem Lösungen aus einer Hand?
Das Bedürfnis nach den verschiedensten Versicherungsabdeckungen ist oft so breit, dass dies ein einzelner Versicherer gar nicht befriedigen kann. Zudem macht es für ein KMU durchaus Sinn, das Versicherungsmanagement kompetent zu bewirtschaften, da es einen strategischen Vorteil generiert. Der Versicherungsschutz nur von einem Anbieter kann gut sein, muss es aber nicht. In manchen Fällen will man für gewisse branchen- oder unternehmensspezifische Risiken zusätzlich einen spezialisierten Partner.
Ein gewichtiger Kostenblock ist das traditionelle Haftpflicht und Sachversicherungsgeschäft. Gibt es in diesem umkämpften Markt einen Druck auf die Prämien?
Dieser Trend war in der Vergangenheit zu beobachten. Auf globaler Ebene scheinen die grossen Versicherer in der Haftpflicht- und Sachversicherung einen «Market Change» sehen zu wollen, der aber in der Schweiz bisher nicht angekommen ist. In den USA gibt es im laufenden Jahr eine gewisse Nivellierung bei den Prämien. Bei uns sprechen die Fakten nicht für eine rasche Trendwende, weil Versicherungsschutz reichlich verfügbar ist.
Die Kosten sind also noch moderat?
Die Kosten sind in diesen Sparten immer noch tief, aber absehbar ist bei der Prämiengestaltung eine stärkere Differenzierung zwischen guten Risiken, die auch preislich stark umkämpft sind, und schlechten.
Ist die Servicequalität ein wichtiger Faktor, wenn es um die langfristige Kundenbindung geht?
Ja, das ist ein Haupttreiber der Geschäftsbeziehung. Wenn der Service nicht stimmt, dann entsteht zwischen dem Versicherer und dem Kunden auch bei einem guten Preis keine dauerhafte Bindung. Das können Kleinigkeiten sein. Beispielsweise wie schnell ist der Rücklauf auf Fragen aus dem Unternehmen.
Was gehört für Sie als Risk Manager zu einem professionellen Versicherungsmanagement?
Für ein gutes Versicherungsmanagement im Unternehmen braucht es genügend Ressourcen und Kompetenz. Wichtig sind interne Ansprechpartner, die sich mit der Materie auseinandersetzen. Gleichzeitig gilt es, extern in der Versicherungswirtschaft ein gutes Netzwerk aufzubauen. Zentrale Aufgabe ist ein laufendes Risk Assessment, um adäquate Vorschläge für eine Versicherungsdeckung zu erarbeiten.
«Es ist unmöglich, jedes Risiko vorauszusehen.»
Sabrina Hartusch
Bieten Versicherer in ausreichendem Mass individuelle Lösungen an, oder werden im Zuge der Digitalisierung vermehrt standardisierte Produkte forciert?
Es gibt sicherlich eine gewisse Standardisierung. Aber jedes Produkt im Grosskundengeschäft hat wieder andere Finessen. Kein Vertrag ist gleich. Die Digitalisierung wird die Angebotspalette weiter verfeinern und damit auch den Risikotransfer differenzierter machen.
Wie beeinflusst aus Ihrer Sicht der technologische Fortschritt das Geschäft und speziell die Beziehung zum Versicherer und zum Broker?
Bisher war die technologische Weiterentwicklung sehr stark in der Administration und Verwaltung spürbar. Dazu gehören Onlineplattformen für Ausschreibungen, die auch immer häufiger genutzt werden. Ich sehe das allerdings kritisch.
Inwiefern?
Im Standardgeschäft, etwa in der obligatorischen Unfallversicherung, mag das gehen. Bei komplexeren Ausschreibungen aber wird es schwieriger. Wenn es um den Fortschritt des Versicherungsproduktes und der ganzen Industrie geht, dann stehen wir allerdings erst am Anfang.
Können Sie als Risk Manager vermehrt Big Data aus Ihrem Haus in die Entscheidungsfindung einbeziehen?
Das wäre der Wunsch eines jeden Risk Manager. Aber viele Unternehmen sind in diesem Bereich noch stark analog unterwegs. Bei Triumph International werden Big Data und künstliche Intelligenz vorrangig eingesetzt werden, wenn es um die eigenen Verkäufe, das Marketing und die Kundenbindung geht.
Die Versicherer versuchen, sich mit Investitionen in Inhouse-Projekte und Start-ups für die digitale Welt optimal aufzustellen. Wo sehen Sie in der nahen Zukunft die grössten Veränderungen?
Der Trend geht ganz klar in Richtung Früherkennung, Risikoprävention und Schadenminderung. Die Versicherer machen dies über den reinen Risikotransfer hinaus, um in einem sich verändernden Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies bezieht auch die digitale Abwicklung des Schadenprozesses mit ein.
Was heisst das für die Versicherungspolitik beim Lingerie-Unternehmen Trimph?
In erster Linie müssen wir die Risikosituation unseres Unternehmens verstehen.
Gehört dazu, die potenziellen Risiken in Verbindung mit der fortschreitenden Digitalisierung rechtzeitig aufzuspüren und entsprechend zu qualifizieren?
Ja, es gilt, die Auswirkungen der digitalen Veränderungen im Unternehmen zu erfassen und auf die Versicherungsprogramme richtig umzulegen. Das bedingt zum Beispiel einen Dialog etwa mit der IT- oder der Marketingabteilung, die gewisse Tools nutzen wollen, um die Kundenbedürfnisse besser zu erkennen. Es stellt sich auch die Frage, ob es als Folge der Digitalisierung weniger Unfälle geben werde und deshalb die Personenversicherungen entsprechend anzupassen seien.
MEHRWERT GENERIEREN
Die Swiss Association of Insurance and Risk Managers (Sirm) zählt über 70 Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen zu ihren Mitgliedern, vertreten durch ihre jeweiligen Versicherungs- und Risk Manager. Ziel ist es, das Fachwissen sowie den Erfahrungsaustausch im Versicherungswesen und Risk Management zu fördern. Um dies zu erreichen, liegt der Hauptfokus darauf:
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den Mehrwert eines Versicherungs- und Risk Management für alle Beteiligten aufzuzeigen;
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gemeinsame Interessengebiete zu definieren; Wissen, Fertigkeiten und Erfahrungen mit und unter den Mitgliedern auszutauschen und zu verbessern und mit anderen gleichgesinnten schweizerischen, europäischen und anderen internationalen Vereinigungen zusammenzuarbeiten;
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den Stellenwert und das Fertigkeitsprofil des Berufsstandes zu erhöhen;
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die Interessen der Mitglieder national und international zu vertreten und zu stärken. Seit 1990 ist die Sirm Mitglied der Federation of European Risk Management Associations (Ferma).