Nach einem Jahr Pandemie könnte es langsam wieder aufwärts gehen mit der Schweizer Wirtschaft. Zumindest sind nun die Geschäfte wieder geöffnet. Und die Menschen sind bereit, Geld auszugeben, denn während des Lockdowns wurde viel gespart.
Die Ökonomen der Credit Suisse rechnen vor allem beim Konsum mit einem grossen Nachholbedarf. Während die Ausgaben der privaten Haushalte im Corona-Jahr 2020 eingebrochen waren, dürfte sich der Privatkonsum im Laufe dieses Jahres stark erholen.
Dass den Schweizerinnen und Schweizern der Geldbeutel lockerer sitzt als vor einem Jahr, hat aber nicht nur mit den nicht ganz so strengen Einschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus wie im ersten Lockdown zu tun.
Mittlerweile können die Menschen auch besser mit dem Infektionsrisiko umgehen, Schutzmassnahmen wie Masken in ÖV und Geschäften sind zur Normalität geworden. Das zeigt die Mobilität der Bevölkerung, die trotz Mini-Lockdowns weit weniger stark zurückgegangen ist wie im Frühjahr 2020.
3,6 Milliarden Franken zum Ausgeben
Der Hauptgrund: Es wurde sehr viel gespart – zumindest jene, die weder ihren Job während der Krise verloren noch grössere Einkommenseinbussen durch Kurzarbeit haben. Im Durchschnitt wurde fast doppelt so viel wie in normalen Zeiten auf die Seite gelegt – und dieses Geld wollen die Menschen offensichtlich wieder ausgeben.
Sparten die Schweizer Haushalte im vergangenen Frühjahr während des strengen Lockdowns durchschnittlich 3000 Franken zusätzlich, sind es heute noch rund 880 Franken im Monat, so die Schätzung der CS-Experten.
Bei vier Millionen Haushalten in der Schweiz heisst das: «3,6 Milliarden Franken warten darauf, wieder ausgegeben zu werden, sobald die Massnahmen wieder gelockert werden», sagt Claude Maurer, Leiter der Konjunkturanalyse Schweiz.
Allerdings dürften nicht alle zusätzlichen Ersparnisse ausgegeben werden. Denn in unsicheren Zeiten legen die meisten etwa ein Drittel als Polster zurück. Bleiben immerhin noch 2,5 Milliarden pro Lockdown-Monat, die schon bald in die Wirtschaft fliessen könnten.
Detailhandel ist der grosse Gewinner
Davon profitieren einige Branchen mehr als andere: Der Non-Food-Detailhandel, also etwa Kleidung, Schuhe oder elektronische Geräte, braucht zwei Wochen, um eine Woche Lockdown zu kompensieren, rechnen die Experten vor. Denn hier sei der Nachholbedarf besonders gross.
Viel länger dauert die Erholung in anderen Bereichen: Sportliche und andere Freizeitaktivitäten, die derzeit nicht möglich sind, werden nicht so schlagartig wieder nachgeholt. Acht Wochen werden diese Branchen daher brauchen, um eine Woche Lockdown zu kompensieren; die Gastronomie sogar 14 Wochen. Auch wenn sie irgendwann bald wieder öffnen dürfen, verpasste Restaurant- und Theaterbesuche werden nur bedingt nachgeholt.
Am weitesten entfernt von einer raschen Erholung ist die Hotellerie: Bis internationale Gäste, insbesondere von ausserhalb Europas wieder in die Schweiz reisen dürfen, wird es noch dauern. Eine Erholung der Schweizer Tourismusbranche sei daher frühestens Mitte 2022 zu absehbar.
Nachholbedarf ohne Konsumboom
Trotz eines gewissen Nachholbedarf ist aber diesmal kein Konsumboom wie im Sommer und Herbst 2020 zu erwarten, als die Schweizerinnen und Schweizer nach dem ersten Lockdown massiv Geld ausgaben und die Nachfrage im Land anheizten.
Dennoch dürfte es dazu reichen, den Verlust des Corona-Jahrs wieder aufzuholen. Obwohl die Wirtschaft in diesem Jahr wieder wächst, bleibt aber unter dem Strich «ein enormer Wohlstandsverlust», so das Fazit.
Denn es fehlen zwei Jahre Wachstum: 57 Milliarden Franken gehen der Schweizer Wirtschaft durch die Pandemie verloren, schätzen die CS-Ökonomen. Das entspricht 8 Prozent der Wirtschaftsleistung des Vor-Corona-Jahres. «Diese Wachstumslücke wird selbst Ende 2022 noch nicht vollumfänglich geschlossen sein».