Der Schweiz droht eine Wohnungsnot. Welche fünf Massnahmen schlagen Sie vor, um das Problem zu lösen?
Wir haben auf der einen Seite ein geringes Angebot an Wohnungen und auf der anderen Seite eine hohe Nachfrage nach Wohnraum.
Möchte man das Angebot erweitern, können zusätzliche Baulandreserven mobilisiert, die Umsetzung des Raumplanungsgesetzes vorangetrieben, Bauvorschriften reduziert und Bewilligungsprozesse beschleunigt werden.
Die hohe Nachfrage einzudämmen ist deutlich schwieriger. Hier müsste man das Bevölkerungswachstum drosseln oder den Flächenverbrauch pro Kopf reduzieren.
Die Mieten steigen und die Nebenkosten erhöhen sich. Sollte die Politik versuchen, Mieterinnen und Mieter finanziell stärker zu entlasten?
Solche Massnahmen helfen höchstens kurzfristig. Mittel- bis langfristig ist wichtig, dass genügend Wohnungen in der gewünschten Qualität zur Verfügung steht.
Airbnb und Business Apartments werden für den Mangel an freien Wohnungen und die steigenden Mieten mitverantwortlich gemacht. Halten Sie die Kritik für gerechtfertigt?
Airbnb und Business Apartments sind noch immer Nischenprodukte, ihr Einfluss auf den Immobilienmarkt ist beschränkt.
Die aktuellen Entscheide rund um Airbnb – wie jüngst in Luzern – sind primär Ausdruck eines Unbehagens gegenüber steigenden Mietpreisen. Zu einer Entspannung des Wohnungsmarkts werden sie kaum beitragen.
Der Onlinehandel macht traditionellen Geschäften immer stärker Konkurrenz. Lassen sich Ladenflächen in Innenstädten noch vermieten?
Generell stehen die Ladenmieten zwar unter Druck, die Grosszentren bilden hier aber eine Ausnahme. In Zürich sind die Mieten an sehr guten Lagen seit 2020 um gut 17%, in Genf sogar um über 20% angestiegen.
Entscheidend ist ein guter Mix aus Freizeit-, Gastronomie- und Shoppingmöglichkeiten. Dadurch wird der Samstagseinkauf zu einem Tagesausflug für die ganze Familie.
In Bern werden deshalb aktuell die Aufgabe des Abendverkaufs und im Gegenzug dafür die Verlängerung der Öffnungszeiten am Samstag diskutiert.
Und wie verändert der Aufschwung von Homeoffice die Nachfrage nach Büroräumlichkeiten?
An städtischen Lagen ist die Nachfrage unverändert hoch. Allerdings haben sich die Anforderungen an die Räumlichkeiten verändert.
Vor zehn Jahren ging es häufig darum, möglichst viele Arbeitsplätze auf optimierter Fläche zu platzieren. Heute muss man den Angestellten etwas bieten. Es braucht eine ausgezeichnete Infrastruktur und genügend Raum für den persönlichen Austausch.
Die «Handelszeitung» gibt der Immobilienbranche das Wort: Jeden Freitag liefert eine Expertin oder ein Experte Einschätzungen zu den wichtigsten Entwicklungen im Markt. Lesen Sie hier einige der Gespräche aus den vergangenen Wochen:
- «Die Preise von Wohneigentum sind emotional gesteuert»
- «Im Moment wird viel zu wenig Wohnraum gebaut»
- «Wir kaufen nach wie vor zu»
Immobilien sind ein Pfeiler der Schweizer Volkswirtschaft – die «Handelszeitung» macht sie zu einem Schwerpunkt in der Berichterstattung.
In der Stadt Bern ist eine Diskussion um die architektonische Qualität von neuen Überbauungen im Gang (Stichwort Burgerenziel). Wird bei grossen Immobilienvorhaben heute zu sehr auf die Rendite und zu wenig auf die Ästhetik geachtet?
Langfristig orientierte Investoren haben ein Interesse, qualitativ hochstehende Neubauten zu realisieren. Denn die Qualität hat einen Einfluss auf die mittel- und langfristige Vermietbarkeit.
Aber Achtung: Für Mietende sind gemäss Umfragen primär Grundriss, Geräumigkeit und Komfort der Wohnung sowie die Qualität der Gemeinschaftsflächen wichtig. Die in Bern diskutierte Ästhetik der Fassade spielt für die Mieterschaft eine eher untergeordnete Rolle.
Im Kanton Zürich sind Solarpanels bei Neubauten Pflicht. Halten Sie dies für eine sinnvolle Massnahme – sollten sich andere Kantone daran ein Vorbild nehmen?
Soll der CO2-Ausstoss bei Gebäuden massgeblich gesenkt werden, stehen primär die Bestandsbauten im Fokus. Hier konnten wir bereits im Jahr 2020 zeigen, dass einfache Sanierungsmassnahmen – insbesondere der Wechsel von Gas- oder Ölheizungen zu Erneuerbaren – in vielen Fällen sowohl für die Umwelt als auch für die Hauseigentümer und Mieter vorteilhaft ist.
Inwieweit der Heizungswechsel mit Anreizen oder Verboten forciert werden soll, muss die Politik entscheiden.
Bernhard Eicher beantwortete die Fragen schriftlich.
1 Kommentar
Das Bevölkerungswachstum sollte nicht nur reduziert, sondern ganz gestoppt werden. Eine wachsende Bevölkerung verknappt nicht nur den Wohnraum, sondern verursacht Kosten für uns alle. Es müssen Wohnungen, Strassen, Einkaufszentren, Schulen usw. gebaut werden. Auch ist es eine Illusion der Wirtschaft, dass mit Fachkräften aus dem Ausland der Fachkräftemangel reduziert werden kann. Eher das Gegenteil ist der Fall. Eine wachsende Bevölkerung benötigt zusätzliche Arbeitskräfte. Und ich behaupte, der Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften ist grösser als das Arbeitskräfte zuwandern. Ein Teufelskreis aus dem wir endlich ausbrechen sollten.