Vor einem halben Jahr, am 24. Februar 2022, begann der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Angesichts der Kräfteverhältnisse rechnete der russische Machthaber Wladimir Putin wohl mit einem schnellen Sieg, was sich aber dank westlicher Militärhilfe und der Widerstandskraft der Ukrainer nicht eingestellt hat. Vielmehr ist ein Pattzustand eingetreten, der laut Experten noch Jahre andauern könnte.
Der Krieg hat bereits mehrere Zehntausend Tote gefordert und die grösste Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst.
Nicht nur das: Die nach dem Ende des Kalten Kriegs etablierte europäische Sicherheitsarchitektur liegt in Trümmern, und die wirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs sind weitreichend.
Als unmittelbare Folge des Krieges und der verhängten Sanktionen gegen Russland zogen die bereits angestiegenen Rohstoffpreise von Öl bis Kupfer weiter deutlich an. Der Bloomberg Commodity Index, der die Preise von 23 Energie-, Metall- und Getreidefutures abbildet, ist bis Anfang Juni um 19 Prozent in die Höhe geschossen.
Der Index hat seither jedoch wegen der weltweiten Konjunkturabschwächung deutlich korrigiert, was das Kursplus seit Kriegsbeginn auf 12 Prozent absinken liess.
Der Ölpreis steht trotz anhaltendem Krieg in der Ukraine nur noch geringfügig höher als zu Kriegsbeginn, der konjunktursensitivere Kupferpreis liegt sogar deutlich tiefer. Der Preis für Gas hat sich jedoch mehr als verdoppelt. Und der Aufwärtstrend dürfte weiterhin anhalten, da Russland die Drosselung der Gaslieferungen als politisches Druckinstrument gegenüber Europa anwendet.
Im Winter könnte es als Folge auch in der Schweiz zur Gas- und Stromknappheit kommen.
Die in der Gesamtheit steigenden Rohstoffpreise haben die Inflation weltweit befeuert. Dies, die steigenden Konjunktursorgen und die drohende Energiekrise in Europa führten bis Mitte Juni zu einem Abverkauf an den Aktienmärkten.
Denn es setzte sich an den Märkten die Einsicht durch, dass die Notenbanken mit noch deutlicheren Leitzinserhöhungen auf die grassierende Teuerung reagieren müssen - die Inflation erreichte in den USA im Juni mit 9,1 Prozent den höchsten Stand seit über 40 Jahren.
Jüngstes Kursrally vermindert Verluste der Aktienindizes deutlich
Anlegerinnen und Anleger antizipieren seit Mitte Juni jedoch bereits wieder ein Ende des Zinserhöhungszyklus der Notenbanken. Damit rückten die Konjunktursorgen und die drohende Energiekrise in Europa in den Hintergrund, was eine Erholungsrallye an den Aktienmärkten ausgelöst hat. So stieg der Schweizer Aktienmarkt gemessen am Swiss Performance Index (SPI) um 5 Prozent, was das Kursminus seit Kriegsbeginn auf knapp 6 Prozent reduziert.
Der Halbleiter-Spezialist U-blox (+119 Prozent seit Ausbruch des Krieges) führt den SPI dank starkem Umsatz- und Gewinnwachstum das Feld an.
Die beiden Gebäudetechniker Meier Tobler (+105 Prozent) und Burkhalter (+29 Prozent) profitieren an der Börse von den neuen Energieeffizienzzielen des Bundes. Bei Meyer Burger (+89 Prozent) überwiegt trotz Krieg ebenfalls das positive Sentiment, da die Solarenergie vor allem in Europa durch die drohende Energieknappheit einen neuen Boost erfährt.
Zur Rose (-63 Prozent) und Polypeptide (-59 Prozent) hingegen sind im Zuge Ukraine-Kriegs stark unter Druck gekommen. Bei der defizitären Online-Apotheke Zur Rose sorgen die steigenden Zinsen dafür, dass die zukünftigen Gewinne weniger Wert haben.
Beim Pharmaauftragsfertiger Polypeptide belasten steigenden Rohstoffpreise die Gewinne, was an der Börse deutlich abgestraft wird.
Im europäischen Leitindex Stoxx 600, der sich mit minus 5 Prozent nur unwesentlich besser als der SPI schlug, fand ein regelrechter Ausverkauf beim deutschen Energieversorger Uniper statt. In Folge der Reduzierung russischer Gaslieferungen nach Deutschland geriet der Konzern in wirtschaftliche Schwierigkeiten, da die vertraglichen Lieferverpflichtungen weiterbestehen.
Die ausbleibenden russischen Gaslieferungen müssen teuer woanders besorgt werden. Trotz staatlicher Hilfsgelder droht in den kommenden Monaten ein Liquiditätsengpass.
Es gibt auch «Gewinner» des Ukraine-Kriegs: Dazu gehören die Rüstungsunternehmen Saab oder Rheinmetall, die von einem «Superzyklus der Verteidigungsinvestitionen» in Europa profitieren. Doch auch das französische Schiffsbauunternehmen Gaztransport & Technigaz steht als der einzige Anbieter von maritimen Sicherheitsbehältern für Flüssiggas (LNG) in der Anlegergunst.
Deutschland und die EU investieren Milliarden in LNG-Terminals, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren.
Insbesondere in den USA ist die jüngste Börsenerholung ausgeprägt, so dass sich das Kursminus beim US-Index S&P 500 auf 2 Prozent reduziert hat. Mehr als verdoppelt haben sich die Aktien von Enphase Energy. Der Inverter- und Batterieanbieter profitiert vom Solarboom, der durch den Ukraine-Krieg verstärkt wurde.
Der Energieversorger Constellation Energy wird durch steigende Strompreise befeuert, der Erdöl- und Erdgaskonzern Occidental Petroleum von steigenden Energiepreisen.
Schulden- und Kostenprobleme in Kombination mit steigenden Zinsen lassen hingegen die Kreuzfahrtbetreiber Carnival und Royal Caribbean Cruises an den Schluss des S&P 500 stürzen. Die Unternehmen müssen ihre hohe Schuldenlast in den nächsten Jahren teuer refinanzieren. Zudem dürfte die aktuell hohe Nachfrage nach Ferien auf den Weltmeeren durch die Konjunkturabkühlung zurückgehen.
Mit Netflix gehört aber auch ein zinssensitiver Big-Tech-Titel zu den schlechtesten Aktien im S&P 500. Der Streaming-Gigant leidet unter Kundenschwund, was die Wachstumsperspektiven stark einschränkt.
Der Ukraine-Krieg lastet hauptsächlich auf Europa
Der Krieg in der Ukraine hat aber nicht alle Börsenplätz auf der Welt ins Minus befördert. Der türkische BIST 100 Index gewinnt 53 Prozent. Auf dem dritten Platz liegt mit plus 45 Prozent der argentinische S&P Merval. Beiden Schwellenländern ist gemein, dass eine Inflation von über 70 Prozent vorherrscht und die Währungen dementsprechend stark abwerten.
Die türkische Lira hat seit Kriegsbeginn 19,9 Prozent und der argentinische Peso 17,4 Prozent gegenüber dem Franken verloren. Dies lässt Geld in Aktien fliessen, die für den Moment als stabiler gelten als Bargeld.
Deutlich sichtbarer sind die Kriegsfolgen bei den Schlusslichtern, von denen knapp die Hälfte aus Europa stammt: Der polnische WIG 20 liegt mit einem Kursminus von 19,2 Prozent nur minimal vor dem grossen Verlierer Hang Seng China Enterprise Index - letzterer ist vor allem wegen der schwachen Konjunktur in China unter Druck gekommen.
Neben dem polnischen Leitindex zählen in Europa auch der österreichische ATX Index (-19 Prozent), der luxemburgische LuxX Index (-17 Prozent) und der tschechische Prague Stock Exchange Index (-15 Prozent) zu den grossen Verlierern. Österreich und osteuropäische Länder spüren die Nähe zum Kriegsgeschehen.
Dass gerade Europa wirtschaftlich unter dem Krieg in der Ukraine leidet, ist auch an der Währungsfront ersichtlich: Der Euro hat gegenüber dem Franken um 7,5 Prozent verloren und nähert sich in grossen Schritten dem «Frankenschock»-Level von 2015. Damals fiel der Kurs kurz auf 85 Rappen.
Gegen die europäische Leitwährung sprechen neben dem Krieg auf dem Kontinent, die drohende Energiekrise und die sehr wahrscheinliche Rezession in der Eurozone. Von den Weltwährungen haben einzig der japanische Yen (-11,5 Prozent) und das britische Pfund (-8,3 Prozent) noch schlechter abgeschnitten.
Gewinner sind hingegen die nordamerikanischen Währungen - Mexiko (+6,1 Prozent), USA (+4,8 Prozent) und Kanada (+2,9 Prozent). Der Dollar als weltweite Leit-, Transaktions- und Reservewährung wird von der Aussicht auf weitere rigide Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed und von einer robusten Konjunktur gestützt.
Den grössten Wertzuwachs gegenüber dem Franken weist aber der russische Rubel auf. Hintergrund der Stärke sind neben dem hohen Öl- und Gaspreis auch drastische Beschränkungen der Devisengeschäfte durch die russische Zentralbank und die westlichen Sanktionen, die vor allem den russischen Import betreffen.
Steigende Zinsen beenden den globalen Kryptoboom
Steigende Zinsen und die grosse Volatilität an den Märkten haben auch den Kryptomarkt in den letzten sechs Monaten einbrechen lassen. Insbesondere hat sich eine hohe Korrelation zwischen Kryptowährungen und US-Tech-Aktien etabliert.
Trotz der Erholung seit Mitte Juni hat sich das Inflationsschutz-Versprechen beim Bitcoin in Luft aufgelöst. Vielmehr sind die Verluste noch grösser als bei der zweitgrössten Kryptowährung Ether, das zuletzt stark von den Erwartungen an die geplanten technischen Neuerungen profitiert hat.
Zwar hat der globale Kryptoboom eine Pause eingelegt, doch für die Ukraine spielen die digitalen Assets eine sehr wichtige Rolle. Mehr als 120 Millionen Euro flossen bisher in Form von Kryptospenden an die Ukraine. Aber auch prorussische Milizen werden teilweise mit Bitcoin und Co finanziert.
1 Kommentar
1) Dieser Krieg wurde von der Ukraine begonnen, als sie im Jahr 2014 ihre Nachbarstaaten völkerrechtswidrig angriff. Nicht von Russland
2) Für die hohen Gaspreise sind die Sanktionen von Deutschland verantwortlich, nicht Russland.
Bitte entwickelt doch ein minimal kritisches Denken und plappert nicht immer die US Propaganda vom bösen Russland nach.