Weltbank-Präsident Robert Zoellick hat Deutschland eine mangelnde Führungsrolle in der Euro-Krise vorgeworfen. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe keine Vision für die Bewältigung der Krise und die weitere Entwicklung des Euros.

«Vieles in der Politik geschieht in der Art des Durchwurstelns, aber die Wirtschaft und die Märkte brauchen Orientierung und Klarheit», sagte Zoellick in einem am Samstag veröffentlichten Interview der «Wirtschaftswoche».

«Als vor gut 20 Jahren der Ostblock zusammenbrach, entwickelte Bundeskanzler Helmut Kohl eine Vision, wie sich die Dinge entwickeln könnten. So etwas fehlt jetzt völlig, und je länger dies andauert, desto mehr Geld kostet es und desto weniger Handlungsoptionen wird es geben.»

Europa habe immer noch kein Konzept, wie die Krise gelöst werden solle, sondern habe sich durch den Rettungsschirm nur Zeit erkauft, sagte Zoellick. «Bislang haben die Europäer versucht, ihr Problem durch Liquiditätshilfen zu lösen. Ich will das nicht kritisieren, aber das löst das Problem nicht. So gewinnt man nur Zeit», kritisiert Zoellick.

Deutschland in der Pflicht

Es müsse aber eine «gemeinsame Lösung» für die Staatsverschuldung und die Bankenkrise gefunden werden. Die entscheidende Frage sei dabei, ob in Europa «eine politische und finanzielle Union» errichtet werde, um die Währungsunion «zu ergänzen».

Deutschland müsse bei der Bewältigung der Krise mehr Verantwortung übernehmen, forderte Zoellick. «Deutschland spielt schon wegen seiner Grösse eine wichtige Rolle.» Die deutschen Steuerzahler «vermissen vor allem, dass ihnen die politische Führung sagt, in welche Richtung sich ihr Europa überhaupt entwickeln soll.»

Andere grosse europäische Staaten wie Frankreich, Italien und Grossbritannien könnten derzeit aus verschiedenen Gründen keine Lösungen bieten - «wo soll die Lösung also herkommen?»

(rcv/sda)

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