In diesem Sinne hat der Ständerat am Dienstag als Zweitrat die Revision des Strassenverkehrsgesetzes mit 39 zu 0 Stimmen gutgeheissen. Wegen zwei verbliebenen Differenzen in Detailfragen geht die Vorlage noch einmal zurück in den Nationalrat.
Zum einen beharrte der Ständerat darauf, dass Zweiräder nicht auf Trottoirs abgestellt werden dürfen. Der Nationalrat wollte dies ermöglichen, sofern Fussgängern mindestens anderthalb Meter Platz zur Verfügung haben. Zum anderen will er, dass weiterhin bestraft werden kann, wer öffentlich vor Verkehrskontrollen warnt.
In allen anderen offenen Punkten folgte die kleine Kammer den Beschlüssen des Nationalrates. So senkte sie mit 30 zu 14 Stimmen die Mindestentzugsdauer für Führerausweise von heute 24 auf neu 12 Monate. Damit sollen die Richter mehr Ermessensspielraum erhalten. Eine Senkung der Mindestentzugsdauer auf sechs Monate, wie dies Hansjörg Knecht (SVP/AG) forderte, lehnte der Rat mit 38 zu 6 Stimmen ab.
Befürchtungen vor "generellen Rabatten"
Die teilweise drakonischen Strafen bei Vorfällen ohne Opfer seien für ihn nicht nachvollziehbar. Für viele sei der Entzug des Führerausweises existenzbedrohend, sagte Knecht. Rücksichtslose Raser müssten hohe Strafen erhalten, das sei klar, sechs Monate seien nur das absolute Minimum.
Auf der anderen Seite befürchtete Mathias Zopfi (SP/GL) sogar einen "generellen Rabatt" der Gerichte für Raser bei einer Senkung der Mindestentzugsdauer auf 12 Monate. Die Regel sollte höher sein als ein Jahr. Der Rat lehnte jedoch Zopfis Minderheitsantrag ab, in krassen Fällen die Behörden anzuweisen, sicher nicht die Mindeststrafe auszusprechen.
Diskussionslos folgte der Ständerat dem Nationalrat in der Frage, ob Raser zwingend ins Gefängnis müssen oder nicht. Der Nationalrat hatte im März beschlossen, die im Herbst 2021 bei der Beratung über die Harmonisierung der Strafrahmen gestrichene Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr aus dem revidierten Strassenverkehrsgesetz (SVG) herauszunehmen. Neu sollen auch Geldstrafen ausgesprochen werden können.
Entschärfung des Raserartikels
Kritiker monieren schon länger, der Gesetzgeber nehme den Richtern mit dem starren Automatismus beim Raserstrafmass jeglichen Beurteilungsspielraum. Auf Geheiss des Parlamentes schlug der Bundesrat vor, den 2013 im Rahmen des Verkehrssicherheitspaketes "Via sicura" eingeführten Raserartikel zu entschärfen. Geschaffen worden war dieser, um Tempo-Exzesse auf den Strassen härter zu bestrafen.
Auch die kleine Kammer schloss sich nun aber der weitergehenden Lösung des Nationalrates an. Ein zu starrer Automatismus sei dem Schweizer Rechtssystem fremd, sagte Kommissionssprecher Thierry Burkart (FDP/AG). Es gehe nicht darum, die Maximalstrafe zu senken, sondern Raser angemessen zu bestrafen. Die Verkehrssicherheit werde damit nicht abgebaut.
Weiter ist die vom Bundesrat vorgeschlagene Velohelmpflicht für 12- bis 16-Jährige trotz erneuter Fürsprache von Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga nun definitiv vom Tisch. Der Ständerat lehnte diese Pflicht mit 29 zu 13 Stimmen ab und folgte auch hier dem Nationalrat.
Eltern bei Velohelmen in der Pflicht
Die Ratsmehrheit sah in dieser Altersklasse in erster Linie die Eltern und Erziehungsberechtigten in der Pflicht. Zudem wäre eine Anwendung der Bestimmung für die Polizei schwierig, gab Marianne Maret (Mitte/VS) zu bedenken. Auch beim Skifahren würden hohe Geschwindigkeiten erreicht, ohne dass Jugendliche einen Helm tragen müssten.
Wie die grosse Kammer will der Ständerat auch für rasende Blaulichtfahrer die Strafen mildern. Ohne Abstimmung beschloss er, dass diese weniger streng beurteilt werden können, auch wenn sie schneller fahren als erlaubt. Für die Strafbarkeit soll lediglich die Differenz zur Geschwindigkeit herangezogen werden, die für den Einsatz angemessen gewesen wäre.
Mit 27 zu 15 Stimmen sprach sich der Ständerat weiter dafür aus, künftig Rundstreckenrennen in der Schweiz wieder zuzulassen, auch für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Eine Zweiteilung des Bewilligungsregimes sei nicht mehr zeitgemäss, sagte Burkart. Für Bergrennen seien die Kantone zuständig, für Formel-E-Rennen der Bund. Niemand gehe davon aus, dass künftig Formel 1-Rennen mit Verbrennungsmotoren in der Schweiz stattfinden werden.
Hauptstossrichtungen unbestritten
Zopfi wandte sich vergeblich gegen die Aufhebung des Verbotes. Letztlich gehe es eben doch um Rundstreckenrennen mit Verbrennungsmotoren. Diese seien nicht nachhaltig, lärmig und ökologisch fragwürdig. Auch Bundesrätin Sommaruga warnte den Rat umsonst vor dem "Signal", das er mit dem Entscheid aussende. Das stehe "ziemlich quer in der Landschaft".
Der Bundesrat verfolgt mit der Revision des Strassenverkehrsgesetzes drei Absichten: Er will die Emissionen von Treibhausgasen verringern, die Verkehrssicherheit erhöhen und das automatisierte Fahren ermöglichen. So werden etwa Fahrzeuge mit umweltfreundlichen Technologien von gesetzlichen Höchstlängen und Höchstgewichten abweichen dürfen. Diese Hauptstossrichtungen waren in beiden Räten unbestritten.