Der Konzepter
Elmar Ledergerber, 53, studierte in Freiburg Geschichte (lic. phil. I) und in St. Gallen Wirtschaftswissenschaften (Dr. oec. HSG). Während 18 Jahren war er Partner beim Ökoberatungsbüro Infras, ehe er 1994 eine eigene Firma gründete. Der SP-Nationalrat etablierte sich während der letzten zehn Jahre als konzeptioneller Vordenker in der Energie-, Sicherheits-, Agrar- und Wirtschaftspolitik. Mit seinem Wirtschaftsprogramm legte er den Grundstein für den SP-Wahltriumph von 1995. In Zürich setzt Stadtpräsident Josef Estermann auf seine Wirtschaftskompetenz, um die rotgrüne Mehrheit zu verteidigen: Ledergerber kandidiert am 1. März 1998 für den Stadtrat.

Emotionen unterdrückt er, denn er ficht nur mit Fakten. Er spielt auf der Klaviatur der Argumente, nicht auf jener der Gefühle. Wenn grüne Kolleginnen diffusen Ängsten Luft machen, mokiert er sich über ihre «Politik des Bauchwehs». Wer das Primat des Verstandes in Frage stellt, provoziert seinen Widerspruch. Denn Experten vom Schlag Elmar Ledergerbers zweifeln nicht, schon gar nicht an sich selber. Gravitätisch schreitet der SP-Nationalrat, an der Pfeife ziehend, durch die Wandelhalle des Parlamentsgebäudes und lässt den Blick über die Köpfe schweifen. «Er ist manchmal von seiner eigenen Brillanz geblendet», sagt eine Fraktionskollegin. Als sein Bruder Urs im Herbst an den Folgen eines Aortarisses starb, konnte er nicht verbergen, wie hart ihn dieser Schlag traf. Krankheitshalber passte er während einer Sessionswoche und verschwand vorübergehend ganz von der politischen Bildfläche. Der Tod des Bruders hatte seine Nachfolgeregelung durchkreuzt. Urs Ledergerber sollte sein Büro für Wirtschafts- und Politikberatung übernehmen, wenn er am 1. März 1998 in die Zürcher Stadtregierung gewählt wird. Und daran zweifelt ernstlich niemand. Jetzt sucht er für seine Firma Econcept einen Senior-Partner.

Gegen die Wechselfälle des Lebens ist auch Ledergerber nicht gefeit, doch der Tod des Bruders kam zu einem Zeitpunkt, wo er sich einiges zugemutet hat. Im Wahlkampf spielt Ledergerber den entscheidenden Part zur Rettung der rotgrünen Mehrheit in der Stadtregierung. Sein Zehn-Punkte-«Wirtschaftsprogramm für Zürich» ist die Antwort auf die knüppelharte Kampagne der oppositionellen SVP. Sie sieht Zürich «wegen der linken Arroganz im finanziellen Ruin versinken». Die Auseinandersetzung verspricht, ganz nach seinem Gusto, «sehr hart» zu werden. Zudem will der Schnelldenker beweisen, dass auch Sozialisten gute Unternehmer sind. In diesen Wochen fällt die Entscheidung, ob seine 80-Millionen-Franken-Überbauung auf dem Steinfels-Areal realisiert wird. Im Dezember soll die definitive Baugenehmigung erteilt werden. Noch ist die Finanzierung nicht gesichert; sie hängt letztlich von den Auflagen ab. Die Zeit eilt. Im Frühjahr, wenn Promotor Ledergerber im Stadtrat Einsitz nimmt, sollen auf dem Gelände der einstigen Seifensiederei die Bagger auffahren. Ledergerber schätzt die Chance des Gelingens derzeit auf 80 Prozent.

Ihn nach Zürich zu holen war die strategische Entscheidung von SP-Stadtpräsident Josef Estermann. Der Niedergang der Stadt hatte beängstigende Formen angenommen. Sie verlor innert vier Jahren 40 000 Arbeitsplätze, die Arbeitslosigkeit stieg wie in andern Städten massiv an, und der Schuldenberg wuchs auf über eine Milliarde Franken an. Zudem stand Zürich vor einem planerischen Debakel. Die städtische Bau- und Zonenordnung (BZO), das ambitiöse Zukunftswerk von Parteikollegin Ursula Koch, drohte am Einspruch des Kantons und an einer Flut von Einsprachen zu scheitern.
Estermann hatte genug von Kochs Blockadepolitik und leitete die Wende nach rechts ein, indem er auf die Wirtschaft setzte. 1995 erteilte er Parteifreund Ledergerber das Mandat für ein «Standortmarketing Zürich». Das Konzept versandete zwar, wie Ledergerber gesteht, «im Niemandsland der Interessen». Doch Estermann hatte den flinken Konzepter als Turnaround-Manager für Zürich ausersehen, denn inzwischen hatte die überaus populäre Landesring-Ständerätin Monika Weber ihre Ambitionen angemeldet, den Stapi aus dem Amt zu kippen. «Die beiden sind der Ansicht, dass sie ein gutes Team bilden, um die Stadt Zürich auf Vordermann zu bringen», sagt SP-Nationalrätin Regine Aeppli. Zürich - in Zukunft ein Männerprojekt? Ledergerber-Spezi Peter Bodenmann erleichterte Koch mit seinem Rücktritt ungewollt den Abgang aus der Metropole. Gegen den Widerstand des SP-Establishments wurde sie im Sommer zur neuen Präsidentin gekürt - die Bahn war endgültig frei für das rote Duo Estermann-Ledergerber. Wer künftig an der Limmat das Sagen hat, liegt für den grünen Kantonsrat Daniel Vischer auf der Hand: «Früher stand Estermann im Schatten von Ursula Koch, jetzt steht er im Schatten von jemand anderem.» Der «wirtschaftlich beflissene» Ledergerber beeindruckt ihn jedoch nicht besonders. «Er langweilt mich nur etwas.»

Doch den Grünen passt die ganze Richtung nicht. Denn Ledergerbers Wirtschaftsprogramm bedeutet einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit und einen Kulturschock für die SP, die noch immer stark von Beamten und Lehrern geprägt wird. Spektakulär ist das Eingeständnis, dass Zürich wirtschaftlich nur gesunden kann, wenn die Finanzen stimmen und die Steuern gesenkt werden - ein durch und durch bürgerliches Postulat. Bei Ledergerber liest es sich so: «Budgetausgleich, nächste Schritte beim Lastenausgleich vorantreiben», «mittelfristig Bedingungen schaffen, um den Steuerfuss der Stadt zu senken, ohne zentrale Aufgaben zu vernachlässigen». Weiter will er die «Bewilligungsverfahren vereinfachen, verbilligen und beschleunigen» und «möglichst schnell eine neue BZO vorlegen, um Rechtssicherheit herzustellen». Ledergerber kittet die Scherben, die Koch hinterlässt. Sie wiederum setzt hinter die kommunale Wirtschaftsförderung, wie sie Ledergerber und Estermann vorschwebt, ein dickes Fragezeichen: «Die beiden sollen es ausprobieren. Doch die Gemeinden haben keine echten Kompetenzen in der Wirtschaftspolitik.» Solche Bedenken kümmern den Macher wenig. Er versucht gar nicht erst, seine inhaltlichen Differenzen mit Koch zu kaschieren. Ein paar Dinge habe er als «schlecht empfunden». Die später modifizierte These, wonach Zürich gebaut sei, verkehrt er ins Gegenteil: «Eine Stadt muss immer neu gebaut werden, sonst ist sie tot.» Zudem seien «Feindbilder aufgebaut» worden, «das Atmosphärische zwischen Politik und Wirtschaft» stimme nicht mehr.

Koch hat die Macht über die Zürcher SP verloren, die Partei befindet sich in einem Zustand galoppierender Verbürgerlichung. Nach jahrzehntelangem Kampf gegen den Privatverkehr befürwortet sie nun den Bau eines unterirdischen Parkhauses in der Innenstadt. Die verlängerten Ladenöffnungszeiten hatte die SP 1993 noch abgelehnt, jetzt entschied sie sich für Stimmfreigabe; im Parlament war man dann mehrheitlich dafür. Kein Wunder, verspottet Monika Weber diese New-Labour-Politik als «freisinnig». Die SP habe sich damit ein Glaubwürdigkeitsproblem eingehandelt: «Wir werden sehen, ob man einfach vor den Wahlen ungestraft den Kurs ändern kann.» Programmatisch surft Ledergerber auf den Wogen, die Clinton oder Blair ausgelöst haben: Wo die Linke mehrheitsfähig wurde, betrieb sie marktwirtschaftliche Politik, die Firmen grösstmöglichen Spielraum lässt. Ledergerber hat nichts einzuwenden, wenn man ihn in Blairs Nähe rückt. «Er gefällt mir gut», sagt er. Völlig unschweizerisch ist jedoch das Tempo der Neuausrichtung. Man staunt, wie flink die Demontage des einstigen Idols Ursula Koch ablief.

Koch-Ledergerber - das ist eine brisante politische Beziehungskiste zweier SP-Stars, die sich auseinandergelebt haben. Beide stiegen in den siebziger Jahren als Umweltschützer und AKW-Gegner in die Politik ein, sassen gemeinsam in der SP-Energiekommission, wo sich militante AKW-Gegner und atomfreundliche Gewerkschafter aufs heftigste befehdeten. Schon damals bewies Ledergerber, dass er jedem Dogmatismus abhold war. Nicht zum ersten Mal sollte es ihm gelingen, ein Konzept zu entwickeln, auf das sich verfeindete Parteilager einigen konnten. Doch zuerst machte Koch Karriere. 1986 wurde sie in den Stadtrat gewählt. Die Hochbauchefin zog aus, den Gigantismus in Zürich zu stoppen, die boomende Wirtschaft zu drosseln und die Mieter vor Spekulanten zu schützen. Die streitbare Frau des Monats («Bilanz» 2/90) hielt Zürich buchstäblich am Kochen. Ledergerber tummelte sich in den achtziger Jahren noch in den Niederungen der Zürcher Kantonalpolitik, schaffte 1987 nach einer verlorenen Regierungsratswahl den Sprung nach Bern. Erst Anfang der neunziger Jahre, nach der parteiinternen Machtübernahme durch Bodenmann, erklomm der Engelberger Lehrerssohn das Hochgebirge der nationalen Politik.

Sein Selbstbewusstsein wird schon mal als arrogant empfunden. Die linksfeministische Splittergruppe FraP hat beschlossen, Ledergerber die Wahlunterstützung zu verweigern. Monika Weber empört sich über die «Machohaltung» der beiden Zürcher Spitzengenossen Als das Schweizer Fernsehen Ledergerber drängte, Weber mit einem Tier zu vergleichen, erkannte er in ihr ein Meerschweinchen. Und Estermann belehrte seine Gegenkandidatin, im Gegensatz zu ihr habe die Linke «in Sachen Wirtschaft mehr zu bieten als ein schönes Lächeln». Die Strategie, die Estermann-Herausfordererin als politisches Leichtgewicht vorzuführen, könnte ins Auge gehen.

Gestandene Sozis irritieren auch Ledergerbers hochfliegende Baupläne. Zusammen mit SP-Nationalrat und Architekt Andreas Herczog versucht er, eine mehrfach gescheiterte Teilüberbauung des Steinfels-Areals im Stadtkreis 5 zu realisieren. Ledergerber will damit «an die alte SP-Genossenschaftstradition anknüpfen». Doch den linken Unternehmern geht es nicht anders wie rechten Spekulanten: Sie liegen im Clinch mit den Mietern, die sich nicht kampflos aus ihrem Paradies vertreiben lassen und die vorzeitige Kündigung durch die Steinfels AG anfechten. In den betonfeindlichen achtziger Jahren pries die Linke solche Soziotope noch als modellhafte Wohn- und Lebensform. Heute meint Herczog kühl: «Beton ist ein grünes Baumaterial. Die Leute wollen wohnen, arbeiten, sich vergnügen; wir wollen dafür etwas paratstellen.» Egidio Paludetto, Besitzer einer Motorradwerkstatt, wittert gar eine linke Verschwörung. Denn SP-Nationalrätin Anita Thanei, eine bekannte Mieteranwältin, hat es abgelehnt, ihn vor Mietgericht zu vertreten. Thanei ist Ledergerber in der parteiinternen Ausmarchung um die Staadtratsnomination unterlegen. Deshalb mag sie nach eigenem Bekunden «nicht einen grossen Prozess gegen Elmar führen». Zu den roten Zürcher Bauherren wird sich auch der Walliser Staatsrat Bodenmann gesellen. Er kann auf einschlägige Erfahrungen verweisen. Sein Clan realisiert in Brig eine Grossüberbauung und muss dabei die Pleite eines Generalunternehmers verkraften. Auf dem Steinfels-Areal soll die gleiche deutsche Billighotelkette zum Zug kommen wie im Oberwallis.

Ledergerber wandelt gerne auf Bodenmanns Spuren. Wie der Walliser strebt auch der Zürcher nach Exekutivmacht. Die beiden Schnelldenker harmonierten in den letzten Jahren blind miteinander, begriffen, dass der Strukturwandel nur dann sozial abgefedert werden kann, wenn die Linke rasch Konzepte liefert. Experte Ledergerber war dafür der ideale Mann, weil er beruflich laufend nach neuen Forschungsfeldern sucht. Er formulierte das neue Wirtschaftsprogramm, womit die SP beim technisch versierten Mittelstand salonfähig wurde. 1995 landete sie den grössten Wahlsieg aller Zeiten. Die linke Minderheit hatte die Chance genutzt. Ledergerber: «Um beweglich zu bleiben, braucht es die Erfahrung der Machtlosigkeit.» Er denkt links, weil er überholte Strukturen verändern will, weil sie Ungerechtigkeit schaffen und die Zukunft verbauen: «Ich glaube an das Gute im Menschen.» Sein analytischer Verstand, gekoppelt mit schonungsloser Direktheit, verleiht im Respekt.

Kantige Sachpolitiker bieten grössere Angriffsflächen als jene konturlosen Figuren, die sich in die Zweideutigkeit flüchten. Ledergerber war zudem nie ein eiskalter Polittaktiker. 1987 und 1991 stieg er in zwei ziemlich aussichtslose Kampfwahlen, einmal um einen Regierungsrats-, einmal um einen Ständeratssitz. Der stets abwägende Moritz Leuenberger, Zürcher Symbolfigur des protestantischen Sozialismus, ging hingegen immer auf Nummer Sicher - und wurde Bundesrat. Ledergerber war schlicht zu profiliert, um vom Parlament gewählt zu werden.

Dank seiner intellektuellen Beweglichkeit besitzt er die Fähigkeit, nicht nur in einem, sondern in mehreren Systemen zu denken. Grosse Apparate sind im ein Greuel; sein Büro mit zehn Mitarbeitern kooperiert mit wechselnden Partnern aus Wirtschaft und Forschung. In der Debatte blitzt die rhetorische Schärfe des einstigen Klosterschülers auf. Ob Euro oder Konjunkturprogramme - in der Wirtschafts- und Finanzpolitik ist er Christoph Blochers härtester Widersacher. Und dessen Freund, BZ-Banker Martin Ebner, dient ihm als ideale Zielscheibe, um beim Fussvolk Stimmung gegen den Kasinokapitalismus zu machen. Zeitgerecht zum Wahlkampfstart lancierte Ledergerber eine Motion, Ebners «Visionen» dem Anlagefondsgesetz zu unterstellen.

In der Wirtschaft geniesst er Respekt, weil er Erfolg hat und Perspektiven aufzeigen kann. «Ein innovativer Denker», lobt ihn «Weissbuch»-Koautor David de Pury, obwohl ihm Ledergerber unterstellte, mit der rechten Kampfschrift ein «sozialpolitisches Mururoa» zu provozieren. «Die Linke kommt im Moment ziemlich gut weg. Von allen ist er noch der Seriöseste», meint der liberale Basler Wirtschaftsprofessor Silvio Borner. «Ein Jammer, dass er auf der falschen Seite steht. Er hätte das Zeug zu einem guten liberalen Ökonomen», ärgert sich HSG-Professor Franz Jaeger. Weltweit erlebte die liberale Wirtschaftspolitik einen Siegeszug, doch in der Schweiz ist die Verteilungs- und Nachfrageökonomie hoch im Kurs. Diese «Ladenhüterpolitik» (Jaeger) haben wir nicht zuletzt Ledergerber zu verdanken.

Als grösster Erfolg entpuppte sich sein Feldzug gegen die Nationalbank. Kritik am harten Franken übte zwar auch Blocher, doch die Linke zog das Thema resolut durch. Mit dem Frontalangriff auf die überholte Anlagepolitik der Notenbank überrannte er die Bürgerlichen; am Ende stimmten sie seiner parlamentarischen Initiative widerstandslos zu. In der einflussreichen Wirtschaftskommission schaffte ein Ausschuss unter der Führung von Schattenwirtschaftsminister Ledergerber die Voraussetzung, Venture capital steuerlich zu begünstigen. Die gleiche Subkommission kümmert sich nun um die Nöte der Gewerbler, denen die Kreditrestriktionen der Grossbanken zu schaffen machen. Kein anderer Politiker hat die wirtschaftspolitische Lethargie des Bundesrates so geschickt ausgenutzt wie er.

Doch in der Partei haben die Modernisierer den Zenit überschritten, der Abgang Bodenmanns markiert eine Trendwende. Unter Ursula Koch sind die Umverteiler und Technologiegegner im Aufwind. Gleichmacherei hält Ledergerber aus Prinzip für falsch. Leistung darf sich lohnen, und dies zahlt sich für den Millionär auch persönlich aus. «Eine Million», scherzt er, «ist auch nicht mehr das, was sie einmal war.» Gewiss war Ledergerber früher wachstumskritischer als heute, schliesslich hat ihn «Die Grenzen des Wachstums», das Buch des Club of Rome, politisiert. Seine Dissertation zum Thema «Wege aus der Energiefalle» erwies sich als Wunschtraum. Er glaubte damals, Erdöl könnte bis zum Jahr 2000 in grossem Stil durch erneuerbare Energien substituiert werden.

Ledergerbers Rückzug aus Bern kommt auch beruflich zur rechten Zeit. Sein Büro lebt zu 40 Prozent von Bundesaufträgen. Zwar arbeitet er mit einem Stundenansatz von 180 Franken weit günstiger als die noblen Unternehmensberatungsfirmen, und seine Kompetenz wird nicht einmal von der atomfreundlichen Energielobby angezweifelt, wie jüngst das Beispiel seiner Strommarktanalyse zeigte. Und erst kürzlich setzte er sich bei einer Ausschreibung der Eidgenössischen Forstdirektion immerhin gegen mehrere Dutzend Konkurrenten durch. Dennoch sieht sich die Finanzdelegation der Räte einmal mehr veranlasst, den Vorwurf zu prüfen, ihm würden Mandate etwas leichter zufallen als andern. «Auch die Linke hat ein Filzproblem», kritisiert Silvio Borner. Aus Rücksicht auf seine Auftraggeber übt Ledergerber nur selten Kritik an der Bürokratie, obwohl er diese für ineffizient hält. Die fünf bürgerlichen Bundesräte würde er am liebsten auswechseln; über die beiden SP-Vertreter hüllt er diskret den Mantel des Schweigens.

Ob er je in die Politik eingestiegen wäre, wenn sich sein Jugendtraum erfüllt hätte, Astronomie zu studieren? Nur wenige Stiftsschüler wagten es damals, sich an der ETH einzuschreiben. So schlug der Spross einer kinderreichen Lehrerfamilie aus Obwalden den Umweg über Freiburg ein, wo er beim Vater von Novartis-Chef Daniel Vasella Geschichte studierte. Später hängte er ein Zweitstudium in Ökonomie an der HSG an. Seine vielen Talente nutzt er auch in der Freizeit, als Atlantiksegler und früher als Chorsänger. Dem Bruch mit dem Katholizismus, dem Ausbruch aus der Enge der Innerschweiz folgten die Brüche im Privatleben. Als Vater eines fünf- und eines achtjährigen Kindes lebt er von seiner Partnerin getrennt. Aus erster Ehe hat er eine 24jährige Tochter, die in Zürich Jus studiert.

Auf seinem Durchmarsch kann ihn in Zürich niemand hindern, schon gar nicht die zerstrittenen Bürgerlichen. Der Metropole verheisst er eine strahlende Zukunft als High-Tech- und Dienstleistungszentrum. Sein Erfolg hängt für den einstigen Wachstumskritiker vom Wachstum ab. Wie sagt er doch schon seit Jahren: «Wir brauchen zwei Prozent, aber ökologisch und sozial abgefedert.»

 

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