Bis noch vor wenigen Jahren hat man ihn meist vergeblich auf den Weinkarten hiesiger Restaurants gesucht. Selbst in der gehobenen Gastronomie wussten viele Sommeliers nicht viel mit ihm anzufangen. Und auch in gut bestückten privaten Weinkellern war er bestenfalls durch einige Einzelflaschen vertreten. Die Rede ist vom Gewürztraminer, jenem – wie der Name andeutet – würzig-aromatischen Weisswein, der aus der gleichnamigen Traubensorte gekeltert wird. Schuld an seiner langjährigen gastronomischen Nischenexistenz war aber nicht etwa seine fehlende Noblesse, sondern sein eigenwilliger, expressiver Charakter. Mit seinem betörenden Rosen- und Litschiduft und seinen opulenten Geschmacksnoten von exotischen Früchten, Quitten sowie Zitrus- und manchmal Raucharomen, mit seiner geringen Säure und der vergleichsweise hohen Alkoholgradation vermag der Gewürztraminer selbst viele Weinliebhaber nicht auf Anhieb zu begeistern. Dies wohl nicht zuletzt auch deshalb, weil er sich mit seiner ausgeprägten Aromatik und seiner Vollmundigkeit als nicht immer ganz leicht zu kombinierender Essensbegleiter erweist.
Unbestritten ist, dass der Gewürztraminer kein Wein für alle Tage ist. Er schmeckt köstlich zu Wildpasteten und Geflügelterrinen sowie klassisch zu Foie gras, zu der auch eine süsse Spätlese (Passito/Vendage tardive) vorzüglich passt. Einen Versuch wert ist es auch, ihn zu geräuchertem Fisch zu servieren. In Italien kombiniert man ihn gerne mit Meeresfrüchten und Krustentieren, was wegen deren süsslich schmeckendem Fleisch interessante geschmackliche Verbindungen ergeben kann. Gelegentlich wird er auch zu kräftig gewürztem Schweinebraten, Lammgerichten und gebratener Gans empfohlen. Harmonisch verbindet sich der Gewürztraminer ferner mit würzigem Käse, etwa einem Münster aus dem Elsass oder – vorzugsweise als Spätlese – zu einem Edelschimmelkäse. In seiner edelsüssen Spielform passt er auch zu Kuchen, Torten und Mousses. Obwohl die meisten Gewürztraminer trocken ausgebaut werden, enthalten sie so viel Restzucker, dass sie im Gaumen einen angenehmen, würzig-süssen Schmelz hinterlassen. Dies, in Verbindung mit seinem ausgeprägten Bukett und seiner wuchtigen Statur, prädestiniert ihn zudem als idealen Begleiter zu exotischen Speisen, zu indischen oder thailändischen Curries etwa oder zu kräftig gewürzten karibischen Gerichten.
Das Elsass, wo rund 3000 Hektaren mit Gewürztraminer-Reben bestockt sind, ist weltweit das grösste Anbaugebiet. Auf den leichten Granit- und kiesigen Kalksteinböden findet der Gewürztraminer ideale Wachstumsbedingungen vor. Zudem verhilft ihm das gemässigte Elsässer Klima zu einer harmonischen Aroma-Säure-Balance. Zu den Klassikern zählen die Gewürztraminer von Hugel, Zind-Humbrecht und Josmeyer. Besondere Beachtung als Gewürztraminer-Anbaugebiet verdient auch das Südtirol, verdankt der Gewürztraminer doch dem Winzerdorf Tramin seinen Namen. Tatsächlich wird dort einer seiner Vorfahren, der weniger aromatische Traminer, bereits im 11. Jahrhundert erstmals erwähnt. Der Gewürztraminer mit seiner typischen kupferroten Traubenschale entstand dagegen erst im 19. Jahrhundert als Mutation des Traminers. Auch wenn sein Ursprung – wie neuste Untersuchungen gezeigt haben – nicht im Südtirol liegt, so können die Südtiroler immerhin stolz darauf hinweisen, dass einige ihrer Gewürztraminer zu den weltweit besten zählen. Sichere Werte sind da etwa der «Campaner» der Kellerei Kaltern, der «Kastelaz» von Elena Walch, der «Kolbenhof» von Hofstätter, der «Nussbaumerhof» der Kellerei Tramin sowie der «Puntay» der Kellerei Erste + Neue und der «Sanct Valentin» der Kellerei St. Michael. Längst ist der Gewürztraminer nicht nur die meistangebaute Variante des Traminers, sondern auch buchstäblich ein Allerweltswein geworden: Kaum eine Weinbaugegend auf dem Globus, wo der Gewürztraminer nicht als Spezialität kultiviert wird. Auch hierzulande, wo er auf rund 50 Hektaren wächst, bereichert er das Weinsortiment von Winzern im Wallis, der Waadt und in der Deutschschweiz. Herausragend sind da etwa die Gewürztraminer-Kreszenzen von Urs Pircher in Eglisau sowie der Traminer genannte Gewürztraminer des Weinguts Cru de l’Hôpital der Burgergemeinde Murten in Môtier-Vully. Rudolf Trefzer
Bezugsnachsweise der erwähnten Weine:
Hugel bei Mövenpick, Zind-Humbrecht bei Paul Ullrich, Josmeyer bei DIVO. Die Südtiroler Weine sind bei Georg Vogel erhältlich (www.weinvogel.ch). Die Schweizer Weine können direkt bei den Produzenten bestellt werden: www.weingut-pircher.ch und www.cru-hopital.ch.