Als Theresa May britische Innenministerin wurde, orakelten Mitarbeiter schon nach wenigen Tagen: «Die wird bestimmt einmal Premierministerin.» So ehrgeizig und selbstsicher trat die Konservative auf.

Inzwischen hat sie diesen Posten längst erobert. Mit einer vorgezogenen Parlamentswahl will sie sich aber am 8. Juni den Rücken für die Brexit-Verhandlungen mit der EU stärken.

Sichtlich nervös war May, als sie die Neuwahl überraschend ankündigte. Das ist eigentlich untypisch für die 60-Jährige. Ob es um die Scheidung von der Europäischen Union oder um den Ärger mit den nach Unabhängigkeit strebenden Schotten geht - meistens gibt sie sich typisch britisch: Keep a stiff upper lip. Bewahre die Haltung!

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May zeigt sich kampfbereit

Kritiker werfen ihr vor, sie sei eiskalt und nachtragend. Mitarbeiter schätzen aber auch ihre Unaufgeregtheit und Beharrlichkeit. Sie scheint in keine Schublade zu passen. In einer Biografie der Autorin Rosa Prince wird sie als «rätselhafte Premierministerin» beschrieben.

Seit ihrem Amtsantritt vor knapp einem Jahr zeigt sich die Regierungschefin besonders kampfbereit. Mantrahaft wiederholt sie Phrasen wie «Brexit heisst Brexit». Bissig wurde sie, als pikante Details eines Treffens mit dem Präsidenten der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, durchsickerten. Juncker werde sehen, dass sie eine «verdammt schwierige Frau» sei, sagte May säbelrasselnd.

«Theresa Maybe»

Doch in den vergangenen Monaten wurde die 60-Jährige auch oft als Zauderin wahrgenommen, die rhetorisch geschickt wenig Inhalt in viel Verpackung hüllt, gerade beim heiklen Thema Brexit. So erschien ein Foto von ihr auf dem Titelblatt des Magazins «Economist». Überschrift: «Theresa Maybe» - «Theresa Vielleicht».

Sie hängt die Fahne nach dem Wind, um politische Lager zu besänftigen und für sich das Beste herauszuholen. «Theresa May sagt in Interviews völlig unterschiedliche Dinge», kritisierte Simon Hix von der London School of Economics and Political Science. «Mal tritt sie für einen harten Brexit ein, dann für einen etwas weicheren», sagte der Politikwissenschaftler. Zuerst schloss sie eine Neuwahl aus, jetzt müssen die Briten doch vorzeitig ihre Stimme abgeben.

Die ideale Kompromisskandidatin

Von 2010 bis 2016 war May Innenministerin in zwei Regierungen unter David Cameron und hatte schwierige Themen wie Einwanderung, Terrorabwehr, Polizei und Kindesmissbrauch zu verantworten. Ein Schleuderposten, auf dem sie lange ausharrte.

Im Anlauf zum Brexit-Referendum schlug sie sich auf die Seite von Camerons Pro-EU-Lager, blieb aber EU-kritisch. Auch hier: Sie wollte es sich mit keiner Seite verderben. Das machte sie zur idealen Kompromisskandidatin für die zerstrittenen Lager der Konservativen.

Karriereleiter Sprosse für Sprosse erklommen

May studierte Geografie in Oxford und arbeitete für die englische Notenbank. Sie machte schon früh Lokalpolitik und erklomm Sprosse für Sprosse die Karriereleiter. Mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel hat sie einige Gemeinsamkeiten. Beide sind Pastorentöchter und lange verheiratet, aber kinderlos.

Und wie die Kanzlerin redet May wenig über sich selbst. Mit ihrem strengen Auftreten erinnert die Premierministerin manchmal auch an ihre einzige weibliche Vorgängerin in dem Amt, an die «Eiserne Lady» Margaret Thatcher.

Thatchers Markenzeichen waren die Handtaschen. Jeder Brite versteht den Begriff «handbagging» - die Bezeichnung für den Moment, in dem ein männlicher Politiker von der Eisernen Lady verbal eins übergezogen bekam.

Schuh-Leidenschaft

Mays Markenzeichen sind ausgefallene Schuhe. Sie bevorzugt knallige Farben und Leopardenfellmuster. Auch beim ersten Treffen mit Merkel entschied sie sich für Wildtiermuster, bei einem Presseempfang in London für Ballerina-Schuhe mit pinken Kussmündern.

Oft wird die Auswahl ihres Schuhwerks politisch gedeutet - mal verkörpert sie demnach Aufbruchstimmung, mal Angriffslust. In schwarzen, oberschenkellangen Lackstiefeln empfing sie 2015 den mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto und machte vor der anwesenden Queen einen Hofknicks.

«Ihr Stil ist eine Mischung aus strenger Schuldirektorin und Domina», lästerte eine Boulevardzeitung. «Sie geht nie so weit, dass sie konservative Wähler verschrecken könnte», betonte aber die Mode-Journalistin Samantha Powers.

Einfluss vom Ehemann

Die Rolle des Stilberaters übernimmt Ehemann Philip. Die pakistanische Politikerin Benazir Bhutto hatte die beiden einander in einer Disco in Grossbritannien vorgestellt. Es war «Liebe auf den ersten Blick», wie das Paar versicherte.

Ihr Philip begleite sie beim Shoppen und habe ein gutes Auge für Accessoires, sagte May. Auch Politisches erörtert sie mit ihm: Der Entschluss zur Neuwahl sei endgültig bei einem Wanderurlaub mit Philip gefallen, berichtete May.

(sda/ccr)