Die Verhandlungen zwischen der EU und Grossbritannien über die künftigen bilateralen Beziehungen laufen seit Wochenbeginn. Und bereits jetzt zeigt sich, dass die Gespräche sehr ruppig - und zum Test für den Zusammenhalt der EU-27 - werden. Denn von Zeitplan bis zu Themen wie Zugang zum Binnenmarkt oder die Fischerei-Politik gibt es unzählige ungeklärte Fragen. Diplomaten aus der EU, Grossbritannien und Deutschland rechnen deshalb mit massiven Konflikten.

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Zeitplan: London drängt zur Eile

Die Übergangsphase nach dem britischen EU-Austritt am 31. Januar endet am 31. Dezember 2020. Und die britische Regierung hat bereits klar gemacht, dass sie auf keinen Fall die Option ziehen will, im Juni eine Verlängerung der Verhandlungsphase zu beantragen. Denn die derzeitige Position ist aus britischer Situation sehr unangenehm.

Das Land muss in dieser Zwischenphase alle EU-Gesetze übernehmen und in den EU-Haushalt einzahlen, ohne aber noch mitentscheiden zu können. Um den Verhandlungsdruck zu erhöhen, droht die britische Regierung sogar mit einem Abbruch im Juni - was in Brüssel allerdings nicht allzu ernst genommen wird.

Das führt dazu, dass man nun unter Hochdruck in zwölf Arbeitsgruppen alle zwei, drei Wochen verhandeln will. Weder in London noch Brüssel oder Berlin glaubt man, dass man bis Jahresende alle Themen ausverhandelt haben wird. Im Gegenteil müssen die Vereinbarungen eigentlich schon im September oder Oktober abgeschlossen sein, damit sie noch ratifiziert werden können.

EU-Diplomaten rechnen damit, dass deshalb vor allem Themen verhandelt werden, die in alleinige EU-Zuständigkeit fallen und nicht auch noch von den nationalen Parlamenten in den 27 EU-Staaten ratifiziert werden müssen.

Im Juni wird es deshalb eine Prioritätenliste geben, was man überhaupt erreichen kann und will. Die Bundesregierung rechnet damit, dass die heisse Phase der Verhandlungen die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte überschatten wird.

Grossbaustellen: Handel und Fischerei

EU-Chefunterhändler Michel Barnier hat öffentlich klar gemacht, dass es kein Handelsabkommen ohne eine gleichzeitige Einigung über die künftigen Fischerei-Beziehungen geben werde. Hintergrund ist, dass vor allem Länder wie Frankreich und Dänemark fordern, dass ihr Fischer weiter und dauerhaft Zugang zu britischen Seegebieten haben sollen. London wiederum möchte dies künftig wie Norwegen jährlich verhandeln und pocht auf eine exklusive Nutzung seiner 200-Meilen-Zone. Der künftige Zugang für EU-Fischer gilt als eines der großen Druckmittel Großbritanniens gegenüber der EU.

Ob am Ende des Jahres ein Handelsabkommen der EU mit Grossbritannien steht, gilt allerdings auch aus anderen Gründen als fraglich. Denn die EU besteht darauf, dass ein Zugang zum Binnenmarkt damit verbunden sein muss, dass Grossbritannien nicht EU-Standards durch eine verwässerte nationale Gesetzgebung etwa in den Bereichen Arbeitsbedingungen und Klima unterläuft. Die EU wird sich laut Außenminister Heiko Maas nicht auf einen «Wettlauf nach unten» bei Standards einlassen.

Die Kommission verweist darauf, dass solche Anpassungsregeln an EU-Recht auch in Abkommen mit der Schweiz, Norwegen, der Ukraine und im Zollabkommen mit der Türkei festgelegt sind. Die britische Regierung findet dies unfair und sieht als Vorbild eher die Handelsabkommen der EU mit Kanada oder Japan, die solche Regelungen nicht vorsehen.

Die EU verweist dagegen auf die Nähe Grossbritanniens zur EU und die engen Wertschöpfungsketten vom Kontinent bis auf die Insel. Da die Brexit-Kampagne auf dem Versprechen beruhte, dass die Briten ihre «nationale Souveränität» zurückbekommen, gilt dies als hochbrisante Grundsatzfrage. Es wird als möglich erachtet, dass es am Ende kein Handelsabkommen gibt - dann funktioniert der Handel auf der Grundlage der WTO-Regeln.

Kampf um den Finanzplatz London

In London befindet sich der mit Abstand grösste Finanzplatz in Europa mit globaler Ausrichtung. Auch hier bahnt sich ein Grundsatzstreit an: Die EU besteht darauf, dass sie Finanzakteuren von der Insel einseitig eine Äquivalenzbescheinigung ausstellt und lehnt Verhandlungen mit London darüber ab.

Grossbritannien will aber ein verbindliches Abkommen, dass die EU diese Zugangsrechte nicht einseitig entziehen kann. Das Argument aus London lautet, dass es viel zu unsicher für die Branche sei, wenn die EU Akteuren innerhalb weniger Wochen und ohne vorherige Konsultationen die Zulassung für Geschäfte in der EU entziehen kann. Dieser Punkt gilt als eines der Druckmittel der EU in den Verhandlungen.

Nordirland

Die britische Regierung hat im Austrittsabkommen zugesagt, eine harte Grenze zwischen dem EU-Land Irland und Nordirland zu vermeiden. Dafür soll es künftig Warenkontrollen zwischen Grossbritannien und dem zum Königreich gehörenden Nordirland geben. EU-Diplomaten zweifeln derzeit daran, dass die Briten diese Zusage wirklich umsetzen. Ein Abrücken von der Vereinbarung könnte zu einem scharfen Konflikt gerade mit Irland führen, an dessen Seite die EU steht.

Aussen- und Sicherheitspolitik

Wie bei den anderen Themen sind sich im Prinzip alle einig, dass die EU-Staaten und Grossbritannien auf diesem Gebiet weiter eng zusammenarbeiten sollten. Allerdings haben Vereinbarungen für London auf diesem Gebiet keine Priorität. Die EU würde dies dagegen gerne bereits in diesem Jahr verhandeln. Es gilt als umstritten, wer hier wirklich die besseren Karten im Vertrags-Poker hat. Denn es gibt ein gegenseitiges Interesse etwa an einer guten Zusammenarbeit der Geheimdienste, um Anschläge zu verhindern.

Zudem arbeitet die britische Regierung etwa beim Versuch des Erhalts des Atomabkommens mit Iran, Klimafragen oder der Verteidigung des freien Welthandels eng mit Deutschland und Frankreich im sogenannten E3-Rahmen zusammen.

(reuters/mlo)

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