Erstaunliches spielt sich aktuell in Grossbritannien ab. Dort regiert seit Juli dieses Jahres die linke Labour-Partei. Ganz im Gegensatz zu Europa, das politisch gesehen Richtung rechts steuert. Enttäuscht über die negativen Auswirkungen des Brexits und des Auseinanderklaffens zwischen Arm und Reich, setzten die Briten auf die versprochene Erneuerungskraft von Labour. Diese ist bekannt dafür, dass sie Umverteilung als geeignete Massnahme zur Förderung des Wohlstands breiterer Bevölkerungsschichten ansieht. Dementsprechend hart steuert Premierminister Sir Keir Starmer seinen Steuerhöhungskurs voran, bei dem er an allen möglichen Stellschrauben drehen will.
Die wichtigste Änderung besteht in der Abschaffung des Non-Dom-Status, welche bereits die Vorgängerregierung angekündigt hatte. Dieser ermöglichte es ausländischen in Grossbritannien lebenden Personen, für ihre im Ausland erzielten Einkünfte keine Steuern zu zahlen, wenn sie im Gegenzug bis zu 60’000 Pfund pro Jahr im Voraus zahlen. Die neue Regierung hat das Thema aufgegriffen und verfügt, dass ab nächstem Jahr das weltweite Vermögen einer Person neu der Erbschaftssteuer unterliegt, wenn sie zehn Jahre in Grossbritannien verbracht hat. Und diese Erbschaftssteuer liegt bei rekordhohen 40 Prozent. Auch gegen Londons Rainmaker will man vorgehen. Die Carried Interests (die Gewinnbeteiligung am erzielten Vermögenszuwachs einer Kapitalanlage zugunsten des Managers) von Private-Equity-Firmen und Hedgefonds-Managern könnten statt mit derzeit 28 Prozent mit dem viel höheren Einkommenssteuersatz von 45 Prozent besteuert werden.
Die Vorschläge werden dem Volk als Einnahmequellen präsentiert. Dass sich die Änderungen jedoch auf lange Sicht negativ auf die Staatskasse auswirken werden, wird ignoriert. Zumal sie die Insel im Vergleich zu anderen Ländern, die bereits jetzt ein viel einfacheres und milderes Steuersystem für reiche Zuwanderer bieten, unattraktiv machen. Vielen mag das Hin und Her von Reichen egal sein. Doch das oberste 1 Prozent der britischen Einkommensverdiener bezahlt fast 30 Prozent aller Einkommenssteuern.
Wenig überraschend wandern nun die Superreichen in Scharen aus dem einst liberalen Vorreiterland. Dabei war London einst für die ortsunabhängigen Superreichen ein goldenes Tor zur globalisierten Geschäftswelt. Jahrzehntelang haben aufeinanderfolgende Regierungen – von Tony Blairs Labour-Partei bis zu Boris Johnsons Konservativen – ausländischen Finanziers und Wirtschaftsführern den roten Teppich ausgerollt, vor allem durch Steuersenkungen.
Die neue Linke Englands jedoch scheint das System des internationalen Wettbewerbs bei Steuersystemen nicht zu verstehen – das darauf ausgelegt ist, finanzstarke Steuerzahler anzuziehen, die noch nie so viel Auswahl hatten. Rivalisierende Länder führen immer mehr neue, staatlich abgesegnete Programme ein, um die Reichen anzulocken. An vorderster Stelle die Arabischen Emirate. Da sie keine Einkommens-, Kapitalgewinn- oder Erbschaftssteuern auf Einwohnerinnen und Einwohner erheben, wurden sie Zuwanderungsland Nummer eins. Aber auch Griechenland und Italien haben auf der Beliebtheitsskala der Reichen gewonnen. Beide Länder führten kürzlich Pauschalbesteuerungen mit einem Höchststeuersatz von 100’000 Euro ein.
Und die Schweiz? Diese steht seit kurzem im Abseits. Solange die Initiative der Juso noch pendent ist, machen vermögende Menschen einen Bogen um die Schweiz, kommentieren unisono alle Spezialisten. Die Jungsozialisten haben im Februar eine Erbschaftssteuerinitiative eingereicht, welche eine Steuer von 50 Prozent auf Erbschaften über 50 Millionen Franken verlangt. Reiche möchten Sicherheit, und die wird andernorts derzeit klarer angeboten. Die Liste der zehn beliebtesten Auswanderungsländer für Reiche von Henley & Partners zeigt: Die Schweiz steht auf Platz sieben, mittlerweile hinter Italien und noch vor Griechenland. Und selbst dieser Mittelfeldplatz ist wacklig. Denn die jungen Sozialisten der Schweiz verhindern erfolgreich, dass die Schweiz davon profitiert, was die neue Linke Grossbritanniens verbockt.