Ab dem 1. Januar 2036 ist in Europa laut Entscheid der EU Kommission Schluss mit Neuzulassungen von Nutzfahrzeugen mit einem Verbrennermotor – so sieht es derzeit aus. Allerdings werden im Jahr 2036 in Europa noch etwa 35 Millionen von leichten und schweren Nutzfahrzeugen mit einem Dieselmotor unterwegs sein. Es wäre deshalb sinnvoll, wenn auch für diese Fahrzeuge umweltfreundliche Antriebe beziehungsweise Treibstoffe zum Einsatz gelangen könnten, um deren CO2-Fussabdruck zu reduzieren. Auf dem Weg dazu hat das EU-Parlament auch einem Gesetzesentwurf zugestimmt, der die durchschnittlichen CO2-Emissionen neuer schwerer Nutzfahrzeuge ab dem Jahr 2030 um 45 Prozent, ab 2035 um 65 Prozent und ab 2040 um 90 Prozent senken soll. Ein durchaus anspruchsvolles Vorhaben. Doch wie sollen diese Ziele umgesetzt werden? Eine Möglichkeit dazu ist der Einsatz von synthetischen Treibstoffen. Die intensiven Bemühungen zahlreicher Unternehmen, alternative Antriebe nicht nur für Nutzfahrzeuge, sondern auch für die Luftfahrt und die Seefahrt zu entwickeln, stimmen positiv.
E-Fuels können klimaneutral sein
E-Fuels weisen ähnliche Eigenschaften wie Benzin, Diesel oder Kerosin auf. Stammt der Strom für die Herstellung von E-Fuels aus erneuerbaren Energiequellen wie Windkraft oder Solaranlagen und wird das benötigte CO2 aus der Atmosphäre entnommen, sind E-Fuels klimaneutral. Bei der Lagerung und beim Transport bis zur Tankstelle können E-Fuels die bestehende Infrastruktur nutzen und in die gleichen Tanks wie herkömmliche Treibstoffe gepumpt werden. Sinnvoll ist die Herstellung von E-Fuels an Orten, an denen ausreichend erneuerbare Energien vorhanden sind, die aber nicht anderweitig genutzt werden können.
Aufwendiger Herstellungsprozess
Von Kritikern wird allerdings bemängelt, dass E-Fuels sehr energieintensiv sind. Sowohl für das Aufspalten des Wassers in Wasserstoff und Sauerstoff als auch für die Gewinnung von CO2 aus der Atmosphäre wird viel Strom benötigt, und zwar etwa fünf- bis sechsmal so viel wie für E-Fahrzeuge mit Batterie für dieselbe Fahrleistung. Als weitere Variante synthetischer Treibstoffe kann HVO eingesetzt werden. HVO ist die Abkürzung von Hydrotreated Vegetable Oils (mit Wasserstoff behandelte Pflanzenöle). Der fossilfrei hergestellte Treibstoff basiert wie der bisherige Bio-Diesel auf Rohstoffen wie Pflanzenöl oder tierischen Fetten. Die Produkteigenschaften von HVO sind denjenigen des Diesels sehr ähnlich, aber HVO hat eine andere chemische Zusammensetzung und lässt sich zu 100 Prozent pur nutzen. Zudem verbrennt HVO sauberer und verursacht weniger Treibhausgase. Die meisten Fahrzeughersteller haben denn auch ihre Motoren bereits für den Einsatz von HVO freigegeben.
In den Niederlanden, Deutschland und Skandinavien ist der Treibstoff bereits erhältlich. Auch in der Schweiz existieren schon vereinzelte Tankstellen mit HVO, aber nur für die Industrie. Es sollen aber bald mehr werden. Wichtig für die Produktion von HVO ist allerdings, dass in der Schweiz nur Abfallstoffe zu Biodiesel oder Biogas verarbeitet werden dürfen, aber keine Lebens- oder Futtermittel. Mit HVO betankte Nutzfahrzeuge verursachen bis zu 90 Prozent weniger CO2 im Vergleich zu herkömmlichem Dieseltreibstoff. Mit der Einführung von HVO als umweltfreundlichem Treibstoff können die nach dem Verbrenner-Aus bestehenden leichten und schweren Nutzfahrzeuge weiterbetrieben werden. Voraussetzung dazu ist allerdings ein landesweites Netz an Tankstellen sowie entsprechende Produktionskapazitäten. Derzeit sind Abklärungen im Gange, entsprechende Produktionskapazitäten für HVO in der Schweiz zu realisieren. Mittlerweile stehen fünf Feuerwehrfahrzeuge im Kanton Zürich im Einsatz, die mit HVO betrieben werden.
Die Herstellung von HVO
Für die Herstellung von HVO können drei Gruppen von Rohstoffen herangezogen werden: Lebensmittelreste und Altspeisefette, Klärschlamm oder andere organische Abfälle sowie sonstige biogene Reststoffe. Der eigentliche Herstellungsprozess beginnt mit der Vorbehandlung und der Reinigung der Rohstoffe. Je nach Herkunft und Grad der Verunreinigung der Ausgangsstoffe ist dieser Abschnitt mehr oder weniger aufwendig. Anschliessend werden die aufbereiteten Pflanzenöle einem zweistufigen chemischen Prozess unterzogen – dem sogenannten Hydroprocessing.
Dabei werden die Pflanzenöle unter hohem Druck und hohen Temperaturen in der Gegenwart eines Katalysators mit grünem Wasserstoff hydriert. Im Anschluss daran werden in einer Isomerisierung die Molekülstrukturen der Fettsäuren weiter modifiziert, um beispielsweise die Fliesseigenschaften des Treibstoffes zu optimieren. Der Herstellungsprozess findet seinen Abschluss in der Destillation und Reinigung des Endproduktes.
Die Herstellung von E-Fuels
E-Fuels werden in einem Syntheseprozess hergestellt. Die Reaktion – beispielsweise im Rahmen der sogenannten Fischer-Tropsch-Synthese – findet in Reaktoren mit Hilfe von Katalysatoren bei Temperaturen zwischen 150 und 300 Grad Celsius und einem Druck bis etwa 25 bar statt. Durch den Syntheseprozess entstehen in erster Linie schwefelarme synthetische Treibstoffe, etwa Diesel, oder auch Motorenöle als Produkte. Als Nebenprodukte entstehen zudem längerkettige Kohlenwasserstoffe, die dann als wichtiger Rohstoff für die chemische Industrie dienen.