Revisionsberichte von börsenkotierten Unternehmen werden seit kurzem um besonders wichtige Prüfungssachverhalte, den sogenannten Key Audit Matters (KAM), erweitert. Berichtsadressaten sollen so einen besseren Einblick in ein Unternehmen erhalten und die Auswirkungen von Sachverhalten auf die Prüfungsdurchführung besser abschätzen können. Ziel der neuen Vorgaben an die Prüfer ist, die individualisierte Berichterstattung an interessierte Bilanzleser voranzutreiben und den Stakeholdern einer geprüften Gesellschaft einen vertieften Einblick in die Abschlussprüfung und das Zustandekommen des Prüfurteils zu gewähren. Wurde dieses Ziel mit der KAM-Berichterstattung auch erreicht? Die transparentere Berichterstattung in Form der KAM hat sicherlich anfänglich ein grosses Echo ausgelöst. Für Prüfer galt es, interessierte Kreise darüber zu
Den Stakeholdern einer geprüften Gesellschaft soll ein vertiefter Einblick gewährt werden.
informieren, wie sich KAM gestalten und welche Informationen aufgrund des neuen Berichtsstandards über die Abschlussprüfung offengelegt werden. Die Offenlegung von bedeutsamen Sachverhalten soll zu einer besseren Einschätzung von Risiken des geprüften Unternehmens führen und aufzeigen, wie der Prüfer auf solche Risiken reagiert. Sie führt zudem zu einem besseren Verständnis der durchgeführten Prüfungsarbeiten. Die KAM-Berichterstattung kann auch die kritische Grundhaltung (Professional scepticism) des Prüfers in der Öffentlichkeit stärken, indem er objektiv und umfassend über besonders wichtige prüfungsbezogene Sachverhalte und seinen Umgang mit diesen berichtet. Die KAM-Berichterstattung zeigt auf, mit welchen Themen sich die Revisionsstelle und die für die Überwachung Verantwortlichen besonders intensiv auseinandergesetzt haben.
Die Neuerungen in der Berichterstattung dürften vor allem der Öffentlichkeit einen Mehrwert gebracht haben, hingegen halten sich die Erkenntnisse aus den KAM für den Prüfer und das betroffene Unternehmen in Grenzen, da bereits früher Risiken, Einschätzungen und wichtige Sachverhalte ausgetauscht worden sind. Die zusätzlichen Vorgaben in der Berichterstattung führten dazu, dass der Austausch und die Zusammenarbeit der Revisionsstelle mit dem Audit Committee und dem Verwaltungsrat enger geworden ist. Die umfangreichere, individualisierte Berichterstattung bedeutet hingegen Mehraufwand für die Revisionsstelle, der jedoch im Hinblick auf eine transparentere Berichterstattung und ein besseres Verständnis der Jahres- oder Konzernrechnung seine Berechtigung haben wird.
Es bleibt hingegen unklar, ob mithilfe der KAM die Erwartungslücke der Öffentlichkeit bezüglich der erwarteten Leistung des Prüfers von dessen tatsächlichem gesetzlichen Auftrag reduziert werden kann. Der Mehraufwand ist dann nicht gerechtfertigt, wenn Anspruchsgruppen mehr Transparenz in der Berichterstattung fordern, den Inhalt von KAM im Revisionsbericht aber nicht kennen oder lesen. Den angeblich Interessierten waren die Änderungen in der KAM-Berichterstattung oftmals gar nicht bekannt. Fachkundigen
Drittpersonen wie etwa Finanzanalysten oder professionellen Investoren dürften Risiken und bedeutsame Sachverhalte auch aus anderen Informationsquellen bekannt sein. So beispielsweise aus dem Geschäfts- oder Finanzbericht, einschliesslich der umfangreichen Anhangangaben aufgrund der Vorgaben von anerkannten Rechnungslegungsstandards wie IFRS, US GAAP oder Swiss GAAP FER. Künftige Reaktionen von Stakeholdern auf die KAM-Berichterstattung werden von Interesse sein. Wenn sich Organisation, Produkte oder Dienstleistungen, Zulieferoder Absatzkanäle, aber auch Prozesse oder generell das Umfeld eines Unternehmens oder Konzerns gegenüber dem Vorjahr nicht oder nur unerheblich verändern, wird dies in der Folge dazu führen, dass KAM wiederholt mit gleichen Inhalten in der Berichterstattung aufgeführt werden. Zudem werden eventuell einzelne KAM aufgrund ihrer Relevanz in der Jahres- oder Konzernrechnung jedes Jahr bedeutsam bleiben und Eingang in die Berichterstattung finden. Hoffnungen oder Erwartungen von Interessierten, jedes Jahr neue KAM in der Berichterstattung zu finden, werden kaum erfüllt. Es wird wohl eher die Regel sein, dass die KAM von Jahr zu Jahr die gleichen bleiben, weil es der unternehmerischen Realität entspricht.
Die Frage, ob die KAM-Berichterstattung wirklich Licht ins Dunkel bringt oder ob die Anforderungen an die Prüfer lediglich um ein zusätzliches Compliance-Element ergänzt wurden, bleibt nach knapp zwei Jahren mit diesen Reporting-Standards offen. Bilanzleser, die an den Hintergründen und dem Zustandekommen des zusammenfassenden Prüfungsurteils, das nach wie vor in standardisiertem Wortlaut formuliert wird, interessiert sind, finden in den KAM sicherlich weitergehende Informationen. Wer hingegen nur am Ergebnis der durchgeführten Abschlussprüfung interessiert ist, wird
Mit einer höheren Transparenz wird die Prüfungsleistung besser wahrnehmbar.
keinen Mehrwert aus den KAM ziehen können und der Nutzen bleibt beschränkt. Die KAM haben jedoch den Umfang der bereits heute bestehenden Fülle an Informationen im Finanzbericht weiter erhöht. Ob die erhöhte Transparenz geeignet ist, das Vertrauen in die Abschlussprüfung zu stärken und die Erwartungslücke zu vermindern, wird vom Berufsstand eher skeptisch beurteilt. Die Einführung der KAM hat denn auch nichts am Vorgehen der Abschlussprüfung in Form des risikoorientierten Prüfungsansatzes verändert. Auch dürfte sie keinen Einfluss auf die Prüfungsqualität haben. Hingegen kann die höhere Transparenz im Prüfungsvorgehen bei bedeutsamen Sachverhalten dazu führen, dass die Prüfungsleistungen besser wahrnehmbar und die Prüfungsqualität für Aussenstehende deutlicher werden. Obdadurch in der Gesamtheit letztlich positive, negative oder keine Effekte resultieren, kann heute noch nicht abschliessend beurteilt werden. Basierend auf den gemachten ersten Erfahrungen lassen sich noch keine eindeutigen Tendenzaussagen ableiten.