Haben Sie sich kürzlich gewundert, warum manch ein Firmenverantwortlicher die Aktien seines Unternehmens für unterbewertet hält? Zum Beispiel Adrian Niggli, Verwaltungsratspräsident des Kunststoffherstellers Quadrant (siehe «HandelsZeitung» Nr. 26 vom 29. Juni 2005)? Sie haben sich richtig gewundert. Denn erstens ist es nicht üblich, dass Firmenbosse den Aktienkurs des eigenen Unternehmens öffentlich kommentieren und gleich eine unverhohlene Kaufempfehlung abgeben. Zweitens: Viele Unternehmen aus dem Small- und Mid-Cap-Bereich, so auch Quadrant, umranken Übernahmegerüchte. Und die beste Verteidigung gegen ein «Unfriendly Takeover» ist ein hoher Aktienkurs.

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Viele Schweizer Firmen kümmern sich viel zu wenig um die Investoren und die Aktie. Das kann sich bei einem Übernahmeangebot verheerend auswirken. Aktionäre hingegen, die sich ernst genommen und gut informiert fühlen, lassen sich nicht so schnell von Lockangeboten in Versuchung bringen. Ein Aktionärs-Committment zur Firma schlägt sich über längere Zeit auch im Kurs nieder. Ein höherer Börsenwert lässt sich auch durch Massnahmen zur Wert- und Ertragssteigerung der Firma erzielen, etwa durch Expansionspläne. Viele Schweizer Unternehmen halten auch viel zu lange an verlustbringenden Firmenteilen fest statt sie zu verkaufen und den Erlös zu re-investieren. Denn die Cash-Bestände sollten nicht gehortet werden. Darauf sind Übernahmeinteressenten besonders gierig.

Verpönte «Giftpillen»

Deshalb leeren die Firmen mittels Aktionärsausschüttungen ihre Kassen. Unaxis zum Beispiel wollte sich, trotz tiefroter Zahlen im Jahr 2004, mit der geplanten Nennwertreduktion der Aktie unattraktiver machen. Auch Dividenden und Aktienrückkäufe sind tendenziell kursfördernd, Letztere verringern zudem die für Raider am Markt verfügbaren Titel.

Zunehmend verpönt sind im Zug der Corporate-Governance-Diskussion die in den Firmenstatuten festgesetzten «Poison Pills» (Giftpillen) wie hohe Entschädigungszahlungen an das Management im Falle eines Kontrollwechsels (so bei Novartis) oder Stimmrechtsbeschränkungen. Letzte Chance gegen eine feindliche Übernahme sind die «White Knights» (Weisse Ritter): Das ist die Bezeichnung für eine im letzten Moment auftretende dritte Partei für eine freundliche Fusion.



Wie Übernahmespezialisten vorgehen: Plötzlich auf dem Radarschirm

«Es könnte einem fast ein wenig weh tun», sagt ein Investmentbanker zum momentanen «Ausverkauf der Heimat» auf Firmenebene in der Schweiz. Doch nationale Sentimentalitäten haben im knallharten und lukrativen Business von Mergers & Acquisitions (M&A, Firmenzusammenschlüsse und -übernahmen) keinen Platz. Heerscharen von Spezialisten bei Banken, Private Equity oder Corporate-Finance-Unternehmen sind auf der Suche nach Firmen, die sich für Übernahmen eignen würden für freundliche oder feindliche. «Unfriendly Takeovers» mit industrieller Logik haben in angelsächsischen Ländern grössere Tradition als in Europa. Die wichtigstenInvestmentbanken haben ihren Sitz denn auch in New York.

M&A-Spezialisten durchforsten Datenbanken der Wirtschaftsinformationsdienste, studieren Analysten- und Geschäftsberichte und reden mit Branchenkennern. Im Zentrum des Interesses steht der Unternehmenswert. Dessen Ermittlung ist eine der am meisten diskutierten betriebswirtschaftlichen Fragestellungen der letzten Jahrzehnte. Eine zentrale Rolle für die Bewertung spielt der Free Cashflow, der in den letzten Jahren bei vielen Unternehmen stark angestiegen ist. Diese Kennzahl für die Zahlungskraft eines Unternehmens ist die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben einer Firma, vor Dividendenauszahlungen und nach Investitionstätigkeit. Da die Zahl anzeigt, wie viel Geld für die Aktionäre beziehungsweise für die Gesellschafter übrig bleibt, ist sie besonders interessant für Übernahmeinteressenten.

Kommen Investmentbanker zum Schluss, dass der Aktienkurs nicht den Wert eines Unternehmens widerspiegelt, erscheint dieses auf den Radarschirmen. Übernahmespezialisten kontaktieren anschliessend Firmen, welche sich für das beobachtete Unternehmen interessieren könnten.

«Dabei unterscheidet man zwischen Value Capturing und Venture Generating», sagt Beat Dolder, Partner bei Helbling Corporate Finance in Dietikon, die sich auf freundliche M&A-Aktivitäten spezialisiert. «Erstere rechnen mit einem kurzfristigen Kapitalgewinn, die zweite Gruppe ist an einer langfristigen Entwicklung und Wertsteigerung interessiert». Unfreundliche Übernahmeversuche sind heikel. Man kann sich schnell den Namen kaputt machen weshalb nur wenige M&A-Spezialisten solche Projekte unterstützen. (dhü)