Italiens Wirtschaft krankt unter Bürokratie und fehlendem Wettbewerb. Fast jede Branche ist von diesen Übeln betroffen, so auch die Taxi-Branche. Die Taxifahrerinnen und Taxifahrer widersetzen sich kräftig den Bestrebungen der Politik, mehr Konkurrenz in der Branche zuzulassen. Gerne argumentieren sie dabei mit ihren – nach eigenen Angaben – tiefen Einkommen. Doch nun stellt sich heraus: Mit Taxifahren lässt sich in Italien ziemlich gut verdienen. 

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Wie einträglich das Geschäft ist, lässt sich nämlich seit kurzem auf sozialen Medien erfahren. Dort veröffentlicht Roberto Mantovani, ein Fahrer aus Bologna, täglich seinen Verdienst – und der ist ordentlich, mehr als 500 Euro nimmt Mantovani häufig ein, Benzinkosten nicht eingerechnet.

Mantovani wird als Nestbeschmutzer beschimpft

Mit seinen täglichen Postings hat der Taxifahrer den Zorn seiner Branchenkollegen auf sich gezogen. Sowohl online wie auch offline prasseln Beleidigungen und Drohungen auf ihn ein. Am Montag wurden gar drei Pneus am Taxi aufgeschlitzt. Mantovani will Anzeige erstatten.

Er bekommt den ganzen Ärger einer einflussreichen Lobby zu spüren. Wieso er das auf sich nimmt? Der Taxifahrer will mit seiner Aktion für mehr Transparenz in der Branche sorgen. Er zeigt mit dem Finger auf die Kollegen, die sich dem elektronischen Zahlungsverkehr widersetzen. 

Italiens Taxisektor ist streng reglementiert. Nach den neuesten Daten der Verkehrsbehörde gab es 2019 in Italien etwas mehr als 23'000 Genehmigungen für das Gewerbe. Die Gruppe verfügt jedoch über einen grossen politischen Einfluss und steht historisch gesehen den rechtsextremen Parteien nahe.

Wiederholte Versuche der Regierungen, die Zahl der Genehmigungen zu erhöhen, wurden von den Taxifahrerverbänden mit Protesten beantwortet, die die Innenstädte blockierten, manchmal sogar mit Gewalt. Nach intensiver Lobbyarbeit der Taxifahrer können Ridesharing-Apps wie Uber nur lizenzierte private Fahrer anmelden, während Privatpersonen ausgeschlossen sind. 

Ex-Premier Draghi wollte die Branche öffnen

Der jüngste Protest dieser Art fand im vergangenen Sommer in Rom statt und richtete sich gegen die Pläne des damaligen Ministerpräsidenten Mario Draghi zur Liberalisierung des Sektors. Er gab nicht nach, obwohl die Parteien innerhalb seiner Koalition ihn aufforderten, seine Pläne zu verwässern, und dies war einer der Punkte, die ihn schliesslich zum Rücktritt veranlassten. 

Die Schweiz hängt die Nachbarn ab

Finanzkrise, Euro-Krise, Corona-Schock, jetzt der Preisschock und ein Krieg am Rand von Europa: Das alles hat seinen Tribut gefordert. Europa hat an Relevanz verloren, allen voran die traditionellen Player auf dem Kontinent.

Besonders trist ist das Bild in Italien: Das südeuropäische Land hat sich im Zuge der ersten Euro-Krise vor zehn Jahren in die wirtschaftliche Provinz verabschiedet.

Vor zwanzig Jahren war der italienische Kapitalmarkt noch gleichauf mit der Schweiz, zuweilen raste das Land, dessen wirtschaftliches Herz in Mailand schlägt, sogar der Schweiz davon. Weltmarken wie Pirelli, Versace, Gucci, Armani, Valentino, Prada und Luxottica haben hier ihren Sitz. Das Belpaese versprach Dolce Vita, lieferte aber häufig nur Tristezza.

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Seine Nachfolgerin, Giorgia Meloni, und ihre politischen Verbündeten haben sich bei Protesten auf die Seite der Taxifahrer gestellt, und die Reform wurde auf Eis gelegt. 

Mantovanis Fall ist ein Beispiel dafür, wie schwierig es ist, in Italien eine Wettbewerbsreform zu verabschieden, da die Interessen der verschiedenen Lobbys und Unternehmen gegensätzlich sind.

Ein weiterer Sektor, in dem europäische Gesetze, die mehr Wettbewerb vorschreiben, von Branchenverbänden und der Regierung bekämpft werden, selbst auf die Gefahr hin, dass Milliarden von Euro an europäischen Hilfsgeldern verloren gehen, ist die Verwaltung von Strandkonzessionen. 

Das oberste Gericht der Europäischen Union wies Melonis Regierung im April an, den Betrieb von Tausenden von Stränden für den Wettbewerb zu öffnen, nachdem jahrelang Lizenzen im Wert von Milliarden Euro ohne faire Ausschreibungsverfahren vergeben wurden.

(bloomberg/mbü)