Pünktlich um halb zehn Uhr morgens fliegt die Tür auf. Nadine Borter rauscht herein. Sie stöckelt auf ihren schwarzen Pumps zackig am Empfang mit dem hippen Aquarium vorbei, grüsst auf alle Seiten herzlich und steigt dann die steile Treppe der umgebauten Mühle im Berner Mattequartier empor. An der Wand hoch über ihr hängt ein imposanter Elchkopf.
Die Chefin der siebtgrössten Schweizer Werbeagentur verschwindet kurz in ihrem Büro. Für einen Blick auf die schäumende Aare fehlt der Contexta-Inhaberin die Zeit. Borter ist nach einmonatiger Babypause wieder da, um zu arbeiten. Die 37-Jährige ist zurück, um Inputs zu geben und das 60-köpfige Team zu motivieren.
Denn die vergangenen Monate waren für die Mitarbeitenden der Agentur alles andere als einfach. Zuerst verlor Contexta das Rennen um eine Image-Kampagne für die SBB. Die Bundesbahnen vergaben den lukrativen Grossauftrag nicht an den langjährigen Berner Partner, sondern an die Zürcher Newcomer-Agentur Rod. Dann entschied sich auch der Telekomriese Swisscom für frischen Wind. Ein Berliner und nicht das Berner Kreativhaus bewirbt künftig den Privatkunden-Bereich.
Lange vom Erfolg verwöhnt
Für Borter und ihr Team sind solch herbe Niederlagen eine neue Erfahrung. Bisher war die zielstrebige Walliserin vom Erfolg verwöhnt. Kurz nach der Übernahme von Contexta gewann sie 2011 den begehrten Branchentitel «Werberin des Jahres». Ihre Kampagnen erhielten zahlreiche Auszeichnungen. Beim würzigen Appenzeller Käse etwa bewiesen Borter und ihre Crew den richtigen Riecher. Gar weltweite Anerkennung erntete die für die Swisscom aufwendigst produzierte Online-Kampagne «Lost in Val Sinestra».
Doch selbst internationales Lob konnte die Swisscom nicht umstimmen. Nach gut 14-jähriger Zusammenarbeit mit Contexta entschied sich der Telekomriese für Saatchi & Saatchi als neue Leadagentur und für das deutsche Büro Heimat als neuen Werbepartner im Bereich Privatkunden. Damit fliesst ein beachtlicher Teil des millionenschweren Werbebudgets der Telekomfirma nach Berlin – und nicht mehr nach Bern.
Weiter im Dienste der Swisscom
«Natürlich schmerzt das», räumt Contexta-Geschäftsführerin Borter ein, zumal man mit der Swisscom zeitweise rund ein Viertel des Umsatzes erzielt habe. Der Entscheid sei aber nicht unerwartet gekommen. Contexta hätte sich gar nicht für den neuen Job der Swisscom beworben. «Wenn ein Kunde nach langer Zusammenarbeit neue Impulse sucht, ziehen wir uns zurück», meint Borter. Die Türen seien aber nicht zu.
Tatsächlich werden die Berner Werber weiterhin für die Swisscom arbeiten, allerdings im weit weniger einträglichen KMU-Bereich. Nicht gänzlich leer geht Contexta auch bei den SBB aus. Nach den Spots mit den drei Senioren Sergio, Benoît und Beat bleiben die Berner Werber für die Freizeit-Kampagnen zuständig. Für Brancheninsider ist aber klar: Wer nur noch vereinzelt Aufträge von Grosskunden ergattern kann, hat es schwieriger. «Viele Firmen mit Ideen zu beliefern ist aufwendiger», sagt einer von ihnen. «Man muss sich jedes Mal neu in die Marken hineindenken.» Dafür besitze man allerdings auch kein Klumpenrisiko. Man stecke Verluste einfacher weg.
Die verlorenen Aufträge der Swisscom hätten Contexta etwa fünf Stellen gekostet, schätzt Borter. Entlassungen habe es aber keine gegeben. Man habe teilweise einfach gewisse Abgänge nicht ersetzt.
CSS und Vaudoise
Jetzt sucht die Contexta-Chefin bereits wieder nach kreativen Leuten. Anders als manche Branchenkollegen blickt sie zuversichtlich in die Zukunft. «Bei uns liegen ein paar interessante Anfragen auf dem Tisch», verrät Borter. «Zudem gäbe es etwa bei Luxusgütern oder in der Automobilbranche noch manch spannenden Auftrag zu gewinnen.» Solche Konzerne wenden sich für ihre Kampagnen jedoch meist nicht an Schweizer Agenturen. Der Markt sei zu klein, heisst es dann. Nur die Detailhändler Migros und Coop sowie andere stark national ausgerichtete Firmen halten den hiesigen Büros meist die Treue.
Contexta konnte in den letzten Monaten etwa die Krankenkasse CSS und den Versicherer Vaudoise für sich gewinnen. Insofern sieht sich Borter gerüstet, die Ausfälle der Swisscom zu kompensieren. Überhaupt verbreitet die Walliserin an der Aare trotz der Herausforderung Zuversicht. Für den Erfolg wird die fordernde Chefin sich und ihr Team auch in Zukunft nicht schonen. Nur ihre müden blauen Augen verraten, dass sie nach der Arbeit noch ein Töchterchen auf Trab hält.