Ende September zieht sich die Rewe-Tochter Usego definitiv aus dem Schweizer Detailhandel zurück. Davon betroffen sind rund 1100 Läden in der Deutschschweiz. Noch haben nicht alle einen neuen Lieferanten gefunden.
Für die Volg-Gruppe, welche die Namensrechte «Primo» und «Visavis» übernommen hat, haben sich bis jetzt 180 ehemalige Usego-Kunden entschieden. Davon wandeln sich 60 in eigentliche Volg-Läden um, der Rest bezieht lediglich die Waren. Bis Ende 2006 will aber Volg bis 300 neue Detaillisten unter Vertrag haben, obwohl die Vorgaben kleinere Läden abschrecken dürften: Der Lastwagen liefert nur, wenn die Bestellung mindestens einem Wert von 5500 Fr.bei den Trockenwaren und 800 Fr. bei den Frischprodukten entspricht.
Spar, Denner und zwei Neue
Exakt 110 Dorfläden haben bei Spar angedockt. «Wir haben nicht aktiv akquiriert; die Detaillisten haben selber bei uns angeklopft», erklärt Spar-Chef Guido Staubli. Spar liefert bereits bei Bestellungen von 4000 Fr.15 bisherige Usego-Kunden operieren künftig als Denner-Satelliten.
Nebst den etablierten Ketten versuchen auch zwei neue Organisationen, die von der Usego hinterlassene Lücke zu schliessen. Inzwischen 75 Läden beliefert die vor ein paar Monaten gestartete Marktplatz AG in Ruswil LU. Bis Ende Jahr sollen es 100 Läden sein. «Wir möchten die Hälfte der ehemaligen Primo und Visavis in der Zentralschweiz gewinnen», erklärt Marktplatz-Chef Guido Müller. Ab einer Mindestbestellung von 2000 Fr. beim Trockensortiment und 400 Fr. bei denFrischprodukten ist ein Detaillistbeim Marktplatz mit dabei. In den Startpflöcken ist auch der neue Detaillistenverbund «Treffpunkt». Eben ist der erste Laden unter diesem Label in Uster eröffnet worden. «120 Detaillisten haben wir aber bereits unter Vertrag,», sagt Manfred Schulz, dessen Firma Pro Trade & Retail das neue Geschäftsmodell entwickelt hat. Mindestbezug sind 1000 Artikel aus einem Trockenwaren-Angebot von 4500 Artikeln plus zwei Drittel der Frischprodukte. Klar ist: Allein in der Deutschschweiz werden am 1. Oktober mehr als ein Viertel der ehemaligen Usego-Kunden noch keinen Vertrag mit einem neuen Lieferanten haben. Hauptsächlich handelt es sich um kleinere Läden oder um Metzgereien, Molkereien und Bäckereien, bei denen die weiteren Lebensmittel nur ein Nebengeschäft sind. Sie müssen fortan bei Cash+Carry-Märkten die Waren selber holen. Rund 400 der ehemaligen Primo und Visavis, deren jährliches Bestellvolumen unter 200000 Fr. liegt, gelten bei den Lieferanten alsunattraktiv.
Kunden reagieren
Zwar sind dem Schweizerischen Verband der Lebensmitteldetaillisten Veledes in diesem Jahr bisher nur 20 Geschäftsaufgaben gemeldet worden. Aber die Zukunft vieler Dorfläden steht auf der Kippe. Nicht überall wollen die Kundinnen und Kunden dieser Entwicklung tatenlos zusehen.
Im Kanton Graubünden etwa haben Parlamentarier eine Dorfladenkommission initiiert, die nun bedrohte Geschäfte mit öffentlichen Beihilfen von den Fixkosten entlasten möchte. In Oberrüti AG haben sich vor einer Woche die Stimmbürger dafür ausgesprochen, den Dorfladen jährlich mit einem Beitrag von 25'000 Franken zu unterstützen. Dank dieser Finanzspritze ist der eben noch bedrohte Volg-Laden nach kurzem Umbau wieder offen.
Diskussion um Grösse: Die Milliarde als Messlatte?
«Eine Lebensmittel-Kette mit weniger als 1 Milliarde Fr. Umsatz ist suboptimal,» erklärte vergangene Woche Denner-Chef Philippe Gaydoul in einem Interview mit der «HandelsZeitung.» Von den Lieferanten, die nun die ehemaligen Usego-Kunden versorgen, ist einzig Denner deutlich über dieser Grenze. Volg dürfte sie mit den neuen Läden erstmals knapp übertreffen. Spar liegt darunter, nicht zu reden von den neuen Organisationen Marktplatz und Treffpunkt, die im ersten Jahr rund 100, respektive 120 Mio Fr. umsetzen dürften.
Setzt Gaydoul die Messlatte für erfolgreichen Detailhandel vielleicht doch zu hoch an? «Nein», räumt Manfred Schulz von Pro Trade & Retail ein. Er relativiert Gaydouls Aussage mit dem Hinweis, dass ein Milliardenumsatz nur die notwendige Mindestgrösse bilde, wenn einer alles selber mache. «Wir aber agieren lediglich als Serviceorganisation und arbeiten eng mit bestehenden Grossisten zusammen.» Dabei würden weit gehend bereits vorhandene Infrastrukturen besser ausgelastet. Das Lager für die Treffpunkt-Läden etwa ist in Bussigny VD, bei der Valrhone. Die Logistik hat man an die Transportfirma Planzer delegiert.
Auch Marktplatz-Chef Guido Müller lässt sich von der skizzierten «economy of scale» nicht abschrecken. Er kooperiert mit der Mundo AG, die seit Jahren schon Hotels mit Früchten und Gemüse beliefert, und mit dem Grossisten Cadar SA. (ps.)