Liebe Leserin, lieber Leser

Eine Art Winston Churchill der USA will er sein, eine Art Erzengel Gabriel und Heilsverkünder für das amerikanische Volk. Nun werden die Toten des Hurrikans «Katrina» in einem Provinznest namens St. Gabriel im Süden Louisianas in das Leichenschauhaus gekarrt. Symbol dafür, wie stark bei George W. Bush Wunsch und Wirklichkeit mittlerweile auseinander klaffen. «Aus der Dunkelheit», sagt der US-Präsident, «kommt das Licht.» Doch der erste Fackelträger der USA, der Texaner, der einst angetreten ist, aus Amerika den moralischen Leuchtturm für die Welt zu bauen, ist innen- wie aussenpolitisch orientierungslos und jedenfalls weit davon entfernt, in die Statur einer Führerfigur wie Winston Churchill hineinzuwachsen. Statt einen Eintrag in das Geschichtsbuch zu erhalten, droht George W. Bush die Versenkung als Fussnote der Geschichte.

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Am vierten Jahrestag des Terroranschlags auf das World Trade Center in New York ist festzuhalten: Der Drahtzieher im Hintergrund, Osama bin Laden, ist noch immer auf freiem Fuss, und dessen Blutspur führt inzwischen von New York über Madrid und London bis in das Herz Europas. Der kriegswillige Bush zauberte als Alternative zum unsichtbaren bin Laden den Iraker Saddam Hussein aus der Mottenkiste – von dem wusste er immerhin, wo er steckte. Das moralische Plazet zum Bombardement Bagdads erkaufte er sich mit einer Lüge: Der Despot am Tigris verfüge über ein stattliches Arsenal an Massenvernichtungswaffen, wurde er nicht müde zu behaupten. Inzwischen hat sich sogar Bushs damaliger Aussenminister, Colin Powell, von dieser Aussage distanziert. Festzuhalten bleibt: Obwohl rund um den Globus auch Scharen von Journalisten in das Kriegsgeheul von George W. Bush einstimmten, gab es für diesen Krieg weder eine politische Notwendigkeit noch eine moralische Rechtfertigung. Hussein war zwar zweifelsohne ein mordender Despot – ein aggressives Verhalten ausserhalb seiner Landesgrenzen jedoch, wie beim seinerzeitigen Überfall auf Kuwait, legte der Iraker im Vorfeld des zweiten Irakkrieges nicht an den Tag.

Der Waffengang ohne Uno-Mandat war möglicherweise ohnehin ganz anders motiviert. Als das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» kürzlich Opec-Generalsekretär Adnan Schihab al-Din fragte, ob dies ein Krieg ums Öl gewesen sei, antwortete dieser vielsagend: «Ich kann nur hoffen, dass dies nicht der Fall ist.» Und dann schob er nach: «Irak ist ein Gründungsmitglied der Opec, hat die zweitgrössten Erdölreserven der Welt, etwa so gross wie die Irans.» Und dieser Iran ist mittlerweile ebenfalls auf dem Radar des Moralisten Bush aufgetaucht, gefolgt vom Säbelrasseln aus Washington, das offiziell natürlich lediglich die Sorge umtreibt, der Iran könnte Atombomben bauen. Ob George W. Bush Beweise hat?

Der Hurrikan «Katrina» hat im Golf von Mexiko reihenweise Ölplattformen zerstört – Tausende von Opfern in New Orleans trieben jedoch andere Sorgen um: Sie warteten auf ein Signal der Anteilnahme der US-Regierung. Sie mussten lange ausharren. Aussenministerin Condoleezza Rice wurde beim Shoppen gesichtet, und Bush selber bequemte sich erst vier Tage nach der Katastrophe ins Unglücksgebiet. Ob einer, der so handelt, die moralische Führerschaft im Land für sich beanspruchen kann? Oder geht es hier um ganz andere Zusammenhänge?

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Die Reputation eines Unternehmens kann in der heutigen Zeit zum matchentscheidenden Kriterium werden. Deshalb publiziert BILANZ in Zusammenarbeit mit dem FÖG der Universität Zürich und Adwired jeden dritten Monat die Top Ten der wichtigsten Schweizer Wirtschaftsthemen, die in den Medien erörtert werden, sowie die Themen mit dem grössten Zukunftspotenzial (siehe Artikel zum Thema «Seite 22»).