Obwohl die Schweizer Börse von der Diskriminierung durch die EU profitiert, ist sie mit der jetzigen Lage nicht glücklich. Denn Schweizer Aktien sollten nicht nur im Inland gehandelt werden können.

Kurzfristig bringe das derzeit geltende Verbot, Schweizer Aktien auf EU-Handelsplätzen zu handeln, zwar höhere Volumen, sagt Thomas Zeeb, Chef der Börsensparte bei der SIX, im Interview mit der Nachrichtenagentur AWP. «Doch damit Schweizer Aktien langfristig attraktiv bleiben, ist es wichtig, dass diese an verschiedenen Börsen - und somit auch in der EU - gehandelt werden können.»

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Passend dazu erscheint das Vorhaben der Börsenbetreiberin SIX, die spanische Börse - und damit eine Handelsplattform in der EU - zu übernehmen. «Mit der beabsichtigten Transaktion würden wir die drittgrösste Börse in Europa schaffen», sagt Zeeb zu dem in dieser Woche vorgelegten Kaufangebot an die Spanier. Der Schritt würde sowohl die spanische als auch die Schweizer Finanzmarktinfrastruktur stärken, erklärt er.

Buhlen um die spanische Börse

Für die Bolsas y Mercados Espanoles (BME) ist die SIX bereit, tief in die Tasche zu greifen und 2,8 Milliarden Euro auf den Tisch zu legen. Sie bietet 34 Euro pro Aktie. Das sind über ein Drittel mehr als der Schlusskurs am Tag vor dem Kaufangebot. Seither tendiert der Aktienkurs der Spanier zwischen gut 35 und knapp 36 Franken.

Trotz des stattlichen Angebotspreises könnte es aber noch zu einem Bieterkampf kommen: Denn Europas Marktführer, die Mehrländerbörse Euronext, führt derzeit ebenfalls Gespräche mit der spanischen Börse. Medienberichten zufolge sollen auch die Deutsche Börse und die Hongkonger Börse interessiert sein und ein Angebot prüfen.

Dass die SIX die spanische Börse übernehmen will, habe aber nichts mit der fehlenden Börsenäquivalenz zu tun, sagt Zeeb im Interview. Eine Rolle dürfte vielmehr der anhaltende Wettbewerbs- und Kostendruck innerhalb der Branche spielen. Erst gerade hat die SIX eine grosse Preissenkungsrunde hinter sich gebracht. Das Börsengeschäft ist ein Skalengeschäft, und der Druck zur Konsolidierung ist da - obwohl jüngst mehrere grosse Vorhaben allerdings gescheitert sind.

Hoher Wettbewerbsdruck

«Die Konkurrenzfähigkeit ist immer ein Thema, und der ganze Markt unterliegt einem grundlegenden Wandel - mit neuen Konkurrenten, neue Technologien und neuen Bedürfnissen der Kunden», bestätigt Zeeb. Der Druck, in die Zukunft zu investieren und Kosten zu sparen, werde weiterhin anhalten.

Eine dieser Investitionen in die Zukunft ist auch die digitale Börse, die auf Blockchain-Technologie beruht. Im Vordergrund steht dabei zunächst die Tokenisierung von illiquiden Werten: «Wir haben Kunden, die wollen kommerzielle Immobilien tokenisieren, sodass auch ohne Fonds-Struktur investiert werden kann», sagt Zeeb. Auch die Tokenisierung von Kunstwerken oder Museumsstücken wäre denkbar: «Wenn etwa das Kunsthaus seine Sammlung tokenisieren würde, funktioniert das wie ein Partizipationsschein.»

Eine klare Grenze zieht Zeeb zu den Kryptowährungen: «Eines der grossen Probleme bei Bitcoin, Ethereum und Co ist, dass dahinter keine Substanz steckt. Und die ganzen digitalen Börsen, wie sie sich heute nennen, sind eigentlich keine Börsen, sondern schlichtweg unregulierte Broker.» Mit der SDX werde ein neuer regulierter Standard gesetzt.

Gleichzeitig soll mithilfe der neuen Börse auch gespart werden. Mit der anvisierten automatisierten Abwicklung könnten eines Tages massiv Kosten gespart werden: «Wir gehen heute davon aus, dass wir 50 bis 60 Prozent weniger Prozesse hätten - der grösste Teil des Backoffices fällt weg.» Wieviel das in Franken ausmacht, könne er aber nicht einschätzen. Diese Einsparungen würden nicht bei der SIX anfallen, sondern bei den Banken. Und dort sehe es bei jeder Bank anders aus.

Zunächst kostet das allerdings mehr: Unter anderem wegen der grossen Investitionen in die digitale Börse ist der operative Gewinn der Börsen- und Abwicklungssparte der SIX im ersten Halbjahr 2019 um ein Viertel zurückgegangen. In die so genannte SIX Digital Exchange (SDX) wird laut Zeeb ein tiefer zweistelliger Millionenbetrag investiert. Was diese eines Tages zum Umsatz beitragen werde, könne noch nicht gesagt werden.

Lizenz für digitale Börse steht noch aus

Bis die neue Infrastruktur das jetzige System ganz ablöst, dürfte aber auch noch eine geraume Zeit vergehen. «Ich schätze, das wird noch mindestens zehn Jahre dauern», sagt Zeeb. «Wir haben es gebaut, werden es aber nicht umsetzen, bis die Regulierung und unsere Kunden soweit sind.» Bisher hat die SIX für die SDX noch nicht die Börsenlizenz erhalten. Diese ist im neuen Jahr zu erwarten.

2020 sollen dann auch erste Produkte der so genannten «Blockchain-Börse» lanciert werden. Die vollständige Inbetriebnahme ist für das vierte Quartal 2020 geplant.

Die SDX ist nur für Profis bestimmt: «Wir haben nicht vor, das System so weit zu öffnen, dass sich Privatpersonen direkt anschliessen können.» Zeeb schliesst aber nicht aus, «dass wir in einigen Jahren noch einmal einen weiteren Schritt in Richtung Dezentralisierung machen».

(awp/tdr)