Die Jardins d’Annevoie gehören zu den schönsten historischen Gärten Belgiens. Die zwölf Hektaren grosse Anlage mit Wasserschloss, zahlreichen Fontänen in Wallonien im -Süden Brüssels wurde im 18. Jahrhundert gebaut. Seit einem Jahr gehört das Anwesen Ernest Loumaye, der die zuvor während Jahren vernachlässigten Gärten nun mit seiner Frau und Unterstützung eines französischen Gartenbauspezialisten, der auch schon auf Schloss Versailles tätig war, originalgerecht restaurieren lässt – ein Millionenprojekt. Allein der Erwerb der Anlage soll 3,7 Millionen Euro gekostet haben.
Die Pharmaindustrie lässt die Frauengesundheit seit Jahren links liegen. Ernest Loumaye ist dank ihr zu einem Vermögen gekommen. Die Geschichte des Doyens der Forschung im Bereich der Frauengesundheit beweist, dass es auch in der Schweiz möglich ist, ein Pharmaunternehmen von Grund auf aufzubauen. Der 66-jährige Belgier gehört heute ebenso zum Schweizer Pharma-Adel wie die Actelion- und Idorsia-Gründer Jean-Paul und Martine -Clozel und die Pharma-Erben Pierre Landolt (Sandoz/Novartis) und André Hoffmann (Roche).
Vom Gynäkologen zum Unternehmer
Ernest Loumaye ist von Haus aus Gynäkologe und arbeitete in einer Klinik, als er 1992 von Ernesto Bertarelli als Entwicklungschef von Serono rekrutiert wurde. Für Serono entwickelte er Gonal-f. Das Hormon wird bei In-vitro-Fertilisationen eingesetzt, um die Reifung der Follikel zu stimulieren, und es machte Serono zum führenden Pharmaunternehmen bei der Bekämpfung von Unfruchtbarkeit. Noch heute spült das Produkt jedes Jahr Hunderte von Millionen Euro in die Kassen der deutschen Merck, die das Genfer Biotech-Unternehmen 2006 übernahm.
Nach dem Verkauf von Serono gründete Ernest Loumaye das Startup Preglem und brachte in drei Jahren Esmya zur Marktreife. Es war das erste Medikament zur Langzeit-Behandlung von Myomas, gutartigen Tumoren in der Gebärmutter, wie sie vor allem Frauen in den Wechseljahren Probleme machen. Beim Verkauf an die ungarische Gedeon-Richter-Gruppe ist das Unternehmen 445 Millionen Franken wert. «Die Investoren konnten zufrieden sein», sagt Ernest Loumaye.
Markteinführung von Nolasiban anfangs 2021
Nun soll sich die Erfolgsgeschichte von Preglem bei -Obseva wiederholen. Diesmal geht es um Fertilitätsbehandlungen. Genauer: um ein Medikament, das verhindert, dass es nach der künstlichen Befruchtung zu Kontraktionen des Uterus kommt, damit sich das Em-bryo einnisten kann. Die Resultate der klinischen Studien sind vielversprechend. Bei den Frauen, die mit Nolasiban behandelt wurden, bekamen 34,8 Prozent der Frauen ein Baby. In der Placebogruppe waren es nur 27,7 Prozent. Bei der Untergruppe in der Studie mit Frauen, die nur ein Embryo transferiert bekamen, stieg die Erfolgsrate gar von 33,2 auf 44,8 Prozent.
Der medizinische Gewinn ist enorm. «Die Misserfolge sind psychisch und physisch belastend für die Frauen», sagt Ernest Loumaye, CEO des an der Nasdaq und an der SIX kotierten Unternehmens. Wenn es gelinge, die Chancen der künstlichen Befruchtung zu verbessern, dann sei das ein grosser Fortschritt. Mehr noch: Das Präparat könnte womöglich auch zu einer Reduktion der Mehrlingsschwangerschaften nach In-vitro-Fertilisationen führen, weil weniger Embryos eingesetzt werden.
Zwei Millionen In-Vitro-Fertilisationen weltweit
Das Marktpotential ist gross. Unfruchtbarkeit gehört zu den grossen Gesundheitsproblemen weltweit. Weltweit werden jedes Jahr zwei Millionen In-vitro-Fertilisationen durchgeführt, 200 000 in den USA und je 800 000 in Europa und China. Wenn alles rundläuft, dann dürfte Nolasiban 2021 auf den Markt kommen und die Transformation von Obseva vom Biotech-Start-up zum kommerziellen Pharmaunternehmen 2021 abgeschlossen sein.
Der Zeitplan in Belgien ist noch straffer. Die Arbeiten an den Jardins d’Annevoie sollen bereits Ende dieses Jahres abgeschlossen sein.