Grüezi: Wer sich bei der Bank Julius Bär am Empfang meldet, dem klingt es Helvetisch entgegen. Nicht anders geht es in der Schweizer Privatbank ein paar Etagen höher zu und her. In der Bär-Geschäftsleitung sind für den Meinungsaustausch keine Fremdsprachenkenntnisse nötig. Das Gremium ist rein schweizerisch besetzt und stellt damit in der Schweizer Wirtschaftswelt ein Unikum dar. Von den 23 SMI-Firmen ist sie die Einzige, die ohne Ausländer wirtschaftet.

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Auf einheimische Kräfte setzen auch Swiss Life. Hier sind sechs von sieben Konzernleitungsmitgliedern Schweizer. Im Verwaltungsrat fehlen Ausländer sogar gänzlich. Ähnlich sieht es bei Swatch oder Holcim aus. Bei Letzteren erstaunt dies, sind beide Firmen doch stark international ausgerichtet. Da sind, wie die Beispiele von Syngenta (8 von 9) oder Nestlé (10 von 11) zeigen, internationale Topkader die Regel. Das schlägt auch auf den Verwaltungsrat durch.

Fürs Management grosser Firmen gilt: Je globaler die Märkte, desto internationaler die Konzernspitzen. Die Schweiz nimmt dabei eine absolute Führungsrolle ein. In keinem anderen Land sind die Spitzen von Grosskonzernen dermassen international zusammengewürfelt.

Die Auswahl im Inland ist beschränkt

Mit ein Grund ist der kleine Schweizer Markt. Das Reservoir an Fachkräften ist hier beschränkter als etwa in Deutschland. Fusionengebilde wie der Agrokonzern Syngenta, der sich aus Teilen von Novartis und der britischen Astra Zeneca neu formiert hatte, beschleunigen den Prozess.

Für Grosskonzerne sei es heute egal, ob an der obersten Spitze ein Spanier, Amerikaner oder Schweizer sitzt, sagt Sandro Gianella, Chef der Headhunter-Agentur Knight Gianella. Augenfällig ist, wie rasch die Veränderungen bei Schweizer Multis vonstatten gingen. Ausländische Topkader bilden heute bereits die Mehrheit.

Vor allem der Anteil Amerikaner hat überproportional zugenommen. «Die USA sind immer noch der bedeutendste Absatzmarkt für multinationale Konzerne», liefert Gianella die Begründung. Wer Geschäfte machen wolle in den USA, der braucht entsprechendes Markt-Know-how. Was liegt näher, als sich dieses in Form einen Managers einzukaufen. So geschehen etwas bei Sulzer. Mit der Wahl des Amerikaners Louis Hughes ins VR-Gremium holte sich Sulzer den Präsidenten des Lockheed-Konzerns ins Haus. Er fungiert als Türöffner für den Geschäftsbereich Oberflächentechnologie (Metco), der auf die Luftfahrtindustrie spezialisiert ist.

Ist es bei stark steigender Bedeutung des asiatischen Raums also nur eine Frage der Zeit, bis Chinesen in Schweizer VR und Geschäftsleitungen Einsitz nehmen? «Nicht ganz so schnell wie die Amerikaner», schränkt Rafael Paravicini, Partner von Heidrick & Struggles, ein. Da gebe es nicht nur sprachliche, sondern auch kulturelle Unterschiede, die doch sehr weit auseinander liegen dürften. Gerade hier liegen denn auch die grössten Risiken.

Mangel an Kompetenz

Ein Ausländer muss nicht zwangsläufig erfolgreich sein. William Meaney ist bei der Swiss wohl nicht nur wegen unterschiedlicher Auffassungen über die künftige Organisation gescheitert. Luqman Arnold hat sich bei UBS am Heimatschutz, den die Grossbank der Swissair entgegenbrachte, so lange gerieben, bis es zur Trennung kam.

«Bei der Suche nach Fachkräften geht es darum, das beste Management zu finden, unabhängig von Heimatschutz», so Hans Wälchlin, Länderchef vom Headhunter Korn/Ferry International. Heute besteht ein neues Anspruchsdenken in den Konzernen: Keine Seilschaften mehr, sondern entscheidend sind einzig Fachwissen und Branchen-Know-how. Da gibt es einen Mangel an Schweizern auch, weil mit dem Verkauf von Unternehmen ins Ausland die Kompetenz verloren geht. «Es gibt Branchen, die es in der Schweiz gar nicht mehr gibt zum Beispiel die Luftfahrt oder die Autoindustrie die aber nach wie vor für jede hochentwickelte Industrienation eine wichtige Rolle spielen», sagt Gianella.

Die Konsequenz daraus: Es kommen in diesen Gremien kaum mehr Schweizer vor. Dies hat dann oft einen Dominoeffekt: Ausländische Manager ziehen andere Ausländer nach. Der damit verbundene Kulturwandel kann einem Grossunternehmen durchaus gut bekommen, wie in jüngster Zeit die Beispiele von Zurich Financial Services oder Credit Suisse zeigen.

Angloamerikanische Manager

Mit Distanz und Durchsetzungsvermögen:

Wirtschaftskapitäne aus dem anglo-amerikanischen Raum sind angesagt. Ihr Anteil hat auf den Kommandobrücken von Schweizer Konzernflaggschiffen in den letzten Jahren am stärksten zugenommen. Alleine der Anteil an US-Managern unter den Ausländern in der Schweiz hat in den vergangenen fünf Jahren von 20% auf 27% zugenommen. Setzen Multis auf Amis, weil die es besser können? «Nein, andere darunter auch Schweizer sind genauso gut», so die einstimmige Antwort angefragter Headhunter. Und trotzdem: Briten oder Amerikanern wird ein Flair nachgesagt, das anderen Managern gerade in Krisenzeiten manchmal etwas abgeht. Es ist der Can-do-Ansatz oder das Etwas-durchboxen-Können, gepaart mit Sachlichkeit, aber auch einer gewissen Distanz. Im Vordergrund stehen Manager mit Kompetenz und Durchsetzungsvermögen, aber keine «extravaganten Schausteller» mehr. Dies gilt insbesondere in der Finanz- und Versicherungsindustrie, die in jüngster Zeit etwas Schlagseite bekommen hat. Zum Beispiel die Zürich Versicherung. Vor fünf Jahren etwa noch durch und durch ein von Schweizern geführtes Unternehmen, sind es heute Amerikaner, die das Sagen beim Versicherer haben. «Nach der Hüppi-Ära konnte man keinen Schweizer mehr nehmen», stellt etwa Sandro Gianella, Chef der Headhunter-Agentur Knight Gianella, fest. Zum einen hatte die Krise in der Versicherungsbranche den Markt buchstäblich leergefegt. Zum anderen wollte man den verpönten Filzvorwurf allemal loswerden und suchte deshalb von vornherein Führungskräfte im Ausland. Der Amerikaner James Schiro war der richtige Mann, der dann als neuer Konzernchef der Zurich Financial Services andere Führungskräfte aus den Finanzzentren London und New York nachgezogen hat. (hub)

Nachbarländer

Für Ausländer hat es auf den Chefsesseln keinen Platz:

Die Schweiz ist bezüglich des hohen Anteils der Ausländer im Topmanagement ein Sonderfall. In Deutschland sind es keine 10%, schätzt Jochen Kienbaum, Vorsitzender der Geschäftsführung des gleichnamigen Personal- und Unternehmensberaters. Mit ein Grund für die tiefe Rate sind die hohen Steuern. Mit einer tieferen Pauschalsteuer möchte Hessens Ministerpräsident Roland Koch Gegensteuer geben und vermehrt ausländische Spitzenkräfte in den Grossraum Frankfurt lotsen.

Der Internationalisierungsgrad im Top-Level-Bereich hat in den letzten Jahren aber auch in Deutschland spürbar zugenommen. 1998 waren bei den grössten 100 Unternehmen erst knapp 5% der Verwaltungsräte und des Managements Ausländer. Kienbaum registriert ein wachsendes Interesse an internationalen Managern insbesondere für die zweite und dritte Führungsebene. «Die Unternehmensführungen sind am von internationalem Know-how und neuen Management-Impulsen sehr interessiert, sodass der Anteil hier mittelfristig deutlich wachsen sollte», so der Berater.

In Frankreich sind ausländische Manager ebenfalls eine Rarität. «Weit über 80% der Topmanager in Frankreich sind Franzosen», sagt Jean-Louis Petitbon von der Unternehmensberatung Egon Zehnder International in Paris. «Das hängt mit der Sprache, aber auch mit der speziellen Unternehmenskultur und dem anderen System in Frankreich zusammen», meint er.

Sein Kollege Jörg Bürger von der Egon Zehnder in Österreich stellt Ähnliches fest. In den 20 grössten österreichischen Unternehmen haben gemäss einer Erhebung von Zehnder gerade mal 15,5% keinen österreichischen Pass. Die meisten davon seien Deutsche, erklärt Bürger; Führungskräfte also, die den Österreichern geografisch und kulturell nahe stehen. (gh)