Südlich der Biotech-Hochburg Schweiz beginnt das Niemandsland so das verbreitete Vorurteil. Doch Italiens Biotech-Branche erlebt einen (späten) Boom: In den letzten zwei Jahren hat sich die Zahl neu gegründeter Unternehmen nahezu verdoppelt. Hinzu kommt eine gut gefüllte Pipeline; bereits 2002 befanden sich in Italien insgesamt 16 Biotech-Produkte in der fortgeschrittenen Entwicklung. Damit sieht sich Italien in Sachen Forschung und Entwicklung noch vor den Deutschen und den Holländern.

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Das Erwachen Italiens spürt man auch ennet der Grenze. «Wir profitieren gleich mehrfach von Italiens wachsendem Biotechnologie-Sektor», sagt Luca Bolliger, Geschäftsführer der Tessiner Biotech-Vereinigung Biopolo Ticino. Das Nachbarland ist ein wichtiger Absatzmarkt, und das hoch qualifizierte italienische Personal ist im Südschweizer Kanton nicht mehr wegzudenken: Die Grenzgänger stellen fast 40% der in der Tessiner Biotechnologie Angestellten. Mit ihrer Arbeit leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung neuer Technologien im traditionell auf Produktion ausgerichteten Tessin.

Schweizer Spin-offs

Schweizer Firmen sind ihrerseits schon lange in Italien tätig: Aus dem Pharma-Konzern Roche entstand 2002 das Spin-off Bioxell. Diese entwickelt in Turin und den USA so genannte Vitamin-D3-Ersatzstoffe zur Behandlung von Blasenschwäche, und das mit Erfolg: Ein Produkt hat bereits die Testphase II bestanden. Ab 2010 will CEO Francesco Sinigaglia in Produktion gehen.

Noch ambitionierter ist der Fahrplan von Reinhard Glück, Präsident der Etna Biotech. Geht es nach ihm, könnte das Spin-off des Berner Impfstoff-Herstellers Berna Biotech schon in drei Jahren Profit einfahren. Die im so genannten «Etna Valley» in Catania ansässige Firma entwickelt auf der Ebene des Immun-Systems wirkende Medikamente gegen chronische Krankheiten. Mit diesen Produkten will Glück auch die letzte grosse Hürde am italienichen Markt nehmen den Gang an die Börse.

Heute ist noch kein einziges rein italienisches Biotech-Unternehmen an der Borsa Italiana in Mailand gelistet. Damit wird deutlich, was in der Aufbruchstimmung gern vergessen wird: Italiens Biotech-Branche hat noch aufzuholen. «Wir hinken hinterher, kein Zweifel», lautet das Urteil von Roberto Gradnik, Präsident von Assobiotec, dem Verein des privaten Biotech-Sektors in Italien. Gradnik zufolge ist der Rückstand auf jenen Dornröschenschlaf zurückzuführen, aus dem die Biotech-Branche erst vor drei Jahren erwacht sei.

Die Gründe für den Schlummer sind vielschichtig: Zum einen ist der Biotechnologie von Seiten der Behörden lange Zeit die gewünschte Aufmerksamkeit versagt geblieben. Auch private Geldgeber liessen sich kaum finden. Bis vor kurzem fehlte sogar ein Netzwerk von Venture-Kapitalgebern. Die Folge: Mit zurzeit knapp 100 Biotech-Betrieben ist Italien im europaweiten Vergleich weit abgeschlagen.

Börsengänge in der Schweiz?

Einen guten Teil der Verzögerung müssten sich die rund 7000 Biotech-Forscher Italiens aber selbst zuschreiben, sagt Gradnik. So sei es unter Universitätsprofessoren bisher unüblich gewesen, eigene Start-ups auf die Beine zu stellen.

Nun findet bei den Universitäten aber ein Umdenken statt: Viele Neugründungen werden von Akademikern geführt, um die Hochschulen haben sich Biotech-Cluster gebildet: Brindisi und Lecce in Apulien, Catania in Sizilien, Siena, Rom und allen voran Mailand. Dort sind mittlerweile auch private Kapitalgeber anzutreffen. Und Interesse bekundet nun auch der Staat: Mit der «legge per l'innovazione», einem noch nicht verabschiedeten Fördergesetz, könnte der Branche einiges an öffentlichen Geldern zufliessen.

Da die italienischen Anleger neuen Werten eher skeptisch gegenüber stehen, sei für Biotech-Firmen die Schweizer Börse eine gute Alternative, sagt Bolliger von Biopolo. «Am Schweizer Markt ist auch die Visibilität viel grösser, da Biotech dort ein ganz anderes Gewicht hat.»