Freitag in Wattwil SG, kurz vor zwölf Uhr: Mitten im Ort, wo sich um diese Zeit der grösste Passantenstrom durchwälzt, hat Ferdinand Schiess seinen Natura-Güggelistand aufgestellt. Schon von weitem duftet es verführerisch. Bei seinem Stand handelt es sich indes nicht um einen konventionellen Marktstand, sondern um ein kurliges Gefährt, das dank einer ausgeklügelten Technik überall aufgestellt werden kann und Brathähnchen en masse grilliert. Die «Güggeli» brutzeln vor den Augen der hungrigen Kundinnen und Kunden.
«Heute ist meine Frau an einer Weiterbildungsveranstaltung, ich kann nicht so gut kochen, da kaufe ich mir lieber ein solches Poulet», sagt einer der Kunden. «Ich habe Waschtag und bin froh, nicht in der Küche stehen zu müssen», begründet eine junge Frau, wieso sie regelmässig am Freitag hier beim fliegenden Poulethändler das Mittagessen einkauft.
Eine breite Kundschaft freut sich auf den Güggelitag
Güggelibrater wie Schiess oder Peter Imper aus Glattbrugg ZH können auf eine breite Klientel zählen. Sie beobachten auch mal Kunden, die mit dem Rolls-Royce vorfahren und sich mit Poulets eindecken. Die fliegenden Händler profitieren davon, dass die Leute bei ihnen sicher sind, wirklich frische Leckereien vorgesetzt zu bekommen.
Laut Schiess setzt sich die Kundschaft jedoch vorwiegend aus Berufstätigen und Hausfrauen und -männern zusammen, die sich einmal in der Woche auf einen «Güggelitag» freuen. Und ein Versuch zeigt: Die grillierten Poulets sind fleischig, knusprig und gut gewürzt. Sie kosten 15.80 Fr. Für ein halbes gebratenes Federvieh bezahlt man 8.20 Fr.
Angefangen hat die mobile Güggelistory in einem kleinen Dorf in Bayern. In Martimlamitz hatte Max Hertel, damals noch ein Jungbauer, der sich nach der Decke strecken musste, den Hof seines Vaters samt Gaststube übernommen. Sehr bald erwies sich, dass knusprige Poulets zum Renner auf der Speisekarte avancierten. Er stellte auf Hühnerzucht um und belieferte Metzgereien und Gastbetriebe.
Aber nicht nur Hertel, sondern auch die Konkurrenz roch den Braten und stieg ins Pouletgeschäft ein. Hertel wollte sich deshalb von ihr abheben und kaufte sich einen gebrauchten Gasgrill, fuhr mit seinen geschlachteten und gewürzten Hühnern zum Wochenmarkt im nahe gelegenen Selb, grillierte sie vor den Augen der staunenden Kunden und verkaufte gleich auf Anhieb 40 Grill-Hähnchen.
Heute kurven allein in der Schweiz 25 derartige Grillier-Automobile herum. In Deutschland sind es bereits 70. Für die Schweiz wurde eigens eine eigenständige Firma gegründet. Sie nennt sich Natura Güggeli AG und nahm 1998 die erste fahrende Güggelibratstation in Betrieb. Natura Güggeli AG funktioniert nach dem Franchising-System. Das Mutterhaus in Märwil TG sorgt dafür, dass die Franchise-Nehmer morgens früh mit frisch geschlachteten und gewürzten Hühnern aus Bodenhaltung beliefert werden und dass sie von einer Corporate Identity und einer Dachwerbung profitieren können. Dafür bezahlen sie wie das im Franchising-Business üblich ist ihren Obolus: Das Startkapital beträgt 10000 Fr.
Zwei Grossbetriebe lieferndie Hühner
Hauptlieferanten sind die Frifag Märwil AG, welche 80 Personen beschäftigt, Hühner von 70 Bauernhöfen bezieht und rund 3500 t Pouletfleisch jährlich produziert. Zweiter wichtiger Lieferant ist die Favorit Geflügel AG in Kappelen. Sie beschäftigt 55 Personen, ist Abnehmerin von Poulets von 50 Bauernhöfen und produziert 3600 t pro Jahr. In beiden Betrieben können sich die Hühner frei bewegen und sind nicht in Kästen gepfercht.
Die treibenden Kräfte von Natura Güggeli AG in der Schweiz sind die Geschäftsführerin Kerstin Hertel und Stephan Pagnoncini, der für das Marketing und den Verkauf zuständig ist. Er ist voll vom Franchising-System überzeugt und will weiter wachsen. Derzeit setzen die 25 selbstständigen Franchise-Nehmer in der Schweiz rund 10 Mio Fr. um. «Unser Ziel ist es, diese Grösse in den nächsten Jahren kontinuierlich zu steigern», sagt Pagnoncini.