Die Kämpfe zwischen Israel und der Hamas in Gaza bringen Tod und Zerstörung auf beiden Seiten. Hamas-Kämpfer und Israels Soldaten harren nächtelang in Sand und Bautrümmern aus. Die Lebensmittelversorgung ist unterbrochen, wenn ihnen die Kugeln um die Ohren fliegen und der Raketenhagel auf beiden Seiten niedergeht.
Bei der Bodenoffensive im Jahr 2008 griffen israelische Soldaten in den Feuerpausen zu Notrationen von Erdnussbuttersnacks und tauchten sie in energiespendende Schokolade. Aus der Not im Schützengraben machte die israelische Nestlé-Firmentochter Osem eine Tugend. Sie liess die Snacks mit Nougatcreme füllen und vertrieb sie fortan unter der Marke Bamba auch für den Hausgebrauch in Friedenszeiten.
Marktpotenzial nicht ausgeschöpft
Die Entwicklung und der Verkauf von Ernährungslösungen und Verpflegungen an Militärs, Schulen, Spitäler, Pflegeheime, Hotels, Flughäfen und Gefängnisse fällt in den Bereich der Systemgastronomie. Nestlé versprach sich vor einigen Jahren so viel von diesem Geschäft, dass 2007 die Konzerneinheit Nestlé Professional gegründet wurde. Der damalige CEO und heutige Verwaltungsratspräsident Peter Brabeck kündigte seinerzeit an, den Umsatz in diesem Geschäftszweig innerhalb von zehn Jahren zu verdoppeln.
Konsequenterweise wurde gleich die gesamte Organisationsstruktur auf den Kopf gestellt. Nestlés Divisionen teilen sich seither in die operativen Bereiche Nestlé «Waters», «Nutrition» für Säuglings- und Gesundheitsernährung und «Professional» für die Systemgastronomie und Ausserhausverpflegung auf. Davor hiess dieser Bereich «Food Services».
Den Umsatz konnte die neue Struktur aber nicht so recht beflügeln. «Nestlé Professional wurde von einem schwierigen Umfeld für Ausserhausprodukte beeinträchtigt», heisst es im Geschäftsbericht 2013. Mehrere Jahre lang bewegte sich der Umsatz von Nestlé Professional bei etwa 6 Milliarden Franken. Aktuelle Zahlen weist der Konzern seit 2010 – nach Umbenennung der Sparte – nicht mehr aus. Das weltweite Geschäft mit der Systemgastronomie und Ausserhausverpflegung schätzt Nestlé auf rund 400 Milliarden Franken.
Viel Luft nach oben
Dieses Segment ist hart umkämpft. Die weltweit fünf grössten Abieter vereinen lediglich 3 Prozent des Gesamtmarktes auf sich. Aus Konzernsicht bedeutet das für Nestlé noch viel Luft nach oben. Einer der grössten Konkurrenten in diesem Markt ist Unilever. Dessen korrespondierende Division heisst Food Solutions. Bei der Versorgung von Streitkräften und Gefängnissen in Nordamerika ist Nestlé unter den weltgrössten Konsumgüterkonzernen bereits Spitze vor Unilever, Mondelez und Sara Lee.
Für die erfolgreiche Kooperation von Nestlé mit verschiedenen Kampfverbänden ist Israel nur ein Beispiel von vielen. Direktlieferungen an die Armeen dieser Welt stellen aber eher die Ausnahme dar. In der Regel läuft dieses Geschäft über Grosshändler und Distributoren. Auf dem indirekten Lieferweg gelangen etwa Produkte wie Bonbons von Rowntree,s bis in den Kampfanzug norwegischer Soldaten. Rowntree,s ist eine Nestlé-Tochter und der Erfinder des KitKat-Schokoriegels. Und den Feldrationen französischer Soldaten liegt eine Packung MontBlanc-Pudding von Nestlé bei. Tiefkühlpizzen und Pasta von Nestlé finden sich in diversen Militärkantinen auf der Welt.
Direkte Lieferung an US-Soldaten
An die Streitkräfte in Nordamerika liefert Nestlé direkt. Der Konzern beliefert die US-Army und die Canadian Forces im grossen Stil. Mit den USA und Kanada pflegt der Schweizer Lebensmittelgigant besonders gute Beziehungen seit vielen Jahren. Immerhin beläuft sich der Konzernumsatz in der Region auf mehr als 25 Milliarden Franken, das ist fast ein Viertel des Gesamtumsatzes.
US-Soldaten werden von Nestlé auf fast allen Stützpunkten weltweit mit Getränken und Lebensmitteln versorgt. Säfte, isotonische Durstlöscher, Tees, Smoothies und Spezialgetränke werden bis auf Flugzeugträger, Kreuzer und Fregatten der US-Navy gebracht. Armee-Basen, Luftwaffenstützpunkte, die Marine und viele andere militärische Einheiten versorgt Nestlé vom Eistee bis zum Maggi-Würfel. Und im Rucksack des GIs steckt immer ein Säckchen Nescafé.
Veteranen als Lebensmittelexperten
Ein spezialisiertes Verkaufsteam und eine Forschungsabteilung arbeiten eng mit den Streitkräften zusammen. Für die globale Erforschung von Produktinnovationen in einem so spezialisierten Bereich stellte Nestlé vor einem Jahr ein Entwicklungszentrum in Solon im Bundesstaat Ohio für 53 Millionen Dollar auf die grüne Wiese. Es entwickelt unter anderem auf die speziellen Bedürfnisse von Militärs zugeschnittene Getränkelösungen. Ziel ist nicht nur die Erfrischung der Truppen, sondern auch deren Regeneration bis hin zur effizienten Versorgung im Feld. Nestlé prüft den Nährstoffgehalt einzelner Lebensmittel sowie den Einsatz von speziellen Zutaten und die bedarfsgerechte Anreicherung mit Nährstoffen.
Die Kooperation beschränkt sich nicht nur auf die Produkte für Soldaten. Zusätzlich unterhält das US-Militär Arbeitsprogramme zusammen mit dem Nahrungsmittelkonzern. Einerseits rekrutiert der Lebensmittelriese Fachkräfte für den eigenen Betrieb direkt bei der Armee. Veteranen finden auf diesem Weg einen Job in der Lebensmittelindustrie. Anderseits gibt es vom Unternehmen Sondergenehmigungen für Reservisten. Werden diese für den Militärdienst einberufen, stellt Nestlé den Dienstpflichtigen abhängig des Bedarfs der US-Army von seiner Arbeitszeit im Konzern frei.
Kein Alkohol in Haftanstalten
Ähnliche Anforderungen wie das US-Militär an die Verpflegung in öffentlichen Einrichtungen haben die Gefängnisse in den USA. Der Bereich stellt ein weiteres Segment dar, auf das sich Nestlé Professional seit vielen Jahren konzentriert. Nestlé stattet Bundes-, Staats- und Bezirksgefängnisse von der Ost- bis zur Westküste mit Fruchtsaft- und Wasserspendern aus. Die Anforderungen im Knast muten kurios an, haben aber Sinn.
«Damit die Insassen ihre Mithäftlinge und den Wachbeamten mit den Getränkeautomaten nicht verletzen können, sind die Flüssigkeitsspender in den Gefängnissen manipulationssicher und meist fest verbaut», sagt Nestlé-Sprecher Philippe Aeschlimann. Ausserdem beziehen die Gefängnisse ausschliesslich Getränke, welche nicht fermentiert werden können, damit kein Alkohol hinein und an die Häftlinge gelangt. Körperliche Unversehrtheit ist nicht nur für Soldaten und Insassen ein Thema, sondern auch für die Produktentwickler des Konzerns.