Finanzdienstleister wie General Electric oder American Express haben schon jahrzehntelange Erfahrung mit der Auslagerung von IT-Aktivitäten in Billiglohnländer («Offshoring»), doch das Tempo der Verlagerung wird sich in den nächsten drei Jahren weiter verschärfen. Das geht aus einer von PricewaterhouseCoopers (PwC) veröffentlichten Befragung von 156 Finanzdienstleistern hervor. Der Anteil von Banken und Versicherungen, die heute noch keine Arbeitsplätze in Länder wie Indien oder China verlegt haben, liegt bei 15%, in drei Jahren wird er auf 6% geschrumpft sein. Die OECD schätzt, 20% aller Angestellten in den Hochlohnländern seien vom Offshoring «potenziell betroffen».
Aber nur die Hälfte der Unternehmen ist gemäss PwC-Studie mit den Wirkungen der Verlagerung zufrieden. Häufig genannte Ursachen für Unzufriedenheit sind Kostenüberschreitungen, Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von geeignetem Personal und kulturelle Unterschiede.
Kosteneinsparungen, Verbesserung der Servicequalität und höhere Flexibilität bilden die Hauptgründe für Offshoring. «Die Verlagerung von Stellen garantiert indes keine Verbesserung der Kostenbasis», warnen die Autoren der Studie. «Kostenüberschreitungen sind verbreitet, ein Drittel der Befragten berichtete von höheren Kosten im ersten Jahr nach Projektbeginn, und 15% hatten auch nach fünf Jahren keine Kosten senken können.» Die wichtigsten Treiber für höhere Kosten sind die Qualitätskontrolle, die Verlagerung selber, die Einarbeitungs- und Schulungszeit sowie die Anpassung an gesetzliche Vorschriften. Allein die Fluktuation von 40 bis 60% des Personals erfordert ständig Budgets für die Einarbeitung neuen Personals. Weiter erleben viele Firmen einen Schock, wenn sie sehen, dass sie die Auslagen für die Mehrwertsteuer selber bezahlen müssen.
So weisen die Autoren der PwC-Studie darauf hin, dass längerfristige Einsparungen beim Offshoring durch bessere Geschäftsprozesse und die Koordination von Aktivitäten in verstreuten einzelnen Offshoring-Zentren erzielt werden können. Die Credit Suisse beispielsweise arbeitet mit den beiden indischen IT-Dienstleistern Cognizant und Wipro zusammen. Diese Koordination wird immer wichtiger, denn die zukünftigen interessanten Zentren wie die Philip-pinen, Thailand, Vietnam, Tschechien, Polen oder Ungarn müssen optimal verbunden werden. Noch einen Schritt weiter geht die UBS: Sie errichtet ein Zentrum, bei dem Offshoring-Bedarf aus den Konzerndivisionen koordiniert wird.
UBS: Service Center in Indien
Am Stadtrand der indischen Stadt Hyderabad entsteht gegenwärtig das UBS Service Center. Es soll Anfang 2006 seinen Betrieb aufnehmen. Dieses Center ist das erste firmenweite Offshoring-Projekt der Bank, es handelt sich noch um einen Versuch. Die vier einzelnen Gruppengesellschaften der UBS bestimmen selbstständig, welche Funktionen an das Zentrum ausgeliefert werden sollen. Zentral verwaltet werden Infrastruktur, Logistik und Administration. Die erste Ausbaustufe umfasst 500 Mitarbeiter. In den letzten drei Jahren hatte die UBS laut einem Bericht in der UBS-Mitarbeiterzeitschrift «Our Times» bereits ein Call Center nach Sydney ausgelagert und Teile der Softwareentwicklung nach Indien, Singapur und Shenzen (China) verlegt. 1000 Stellen wurden transferiert. Die UBS verspricht sich nebst Kosteneinsparungen höhere Produktivität und neue Rekrutierungsmöglichkeiten. Ende 2006 wird der 11-Jahres-Vertrag mit dem US-Outsourcer Perot Systems von 1,8 Mrd Dollar auslaufen. Viele externe Angestellte werden in die Bank integriert. (mn)