Mit dem Bretzeli hat sein Grossvater, ein gelernter Confiseur, vor knapp 100 Jahren im Emmental den Durchbruch zur industriellen Fertigung geschafft. Als «Bretzeli-Bub» bezeichnet sich der studierte Rechtsanwalt und Ökonom heute noch. Schon als Kind konnte er die meisten Rezepturen selbst ausführen. Als Inhaber entscheidet er gemeinsam mit seiner Frau, dem CEO und zwei Leuten aus der Geschäftsleitung über die neuen Produkte. Rund zwei Dutzend neue Gebäckvarianten waren es im letzten Jahr.
Natürlich vertraut Oscar Kambly dabei den verschiedenen Pre-Tests mit Konsumentinnen und Konsumenten, hört sich auch die Vorschläge von Chefpâtissiers aus der Luxushotellerie an, die eine anspruchsvolle Kundschaft bedienen, aber vor allem begibt er sich bei den Einkäufen für die eigene Haushaltung selbst in die Läden: «All diese Leute wissen genau, was Zeitgeist, Wunsch und Gespür ist.»
Andere Unternehmer klagen darüber, am Standort Schweiz gestalte sich der Export zunehmend schwieriger. Bei Kambly ist das anders. Zwar schaltet sich der Biscuit-Produzent bei massiven Währungsverzerrungen auch in die Diskussion ein, doch in ein generelles Klagelied mag er nicht einstimmen. Dafür spielt er die Stärken des «Swiss made» in seinem Nischenmarkt ähnlich konsequent aus wie die grossen Schokoladefabrikanten. Mittlerweile liefert der Guetsli-Produzent in über 30 Länder, allen voran aber in die Nachbarländer Frankreich, Deutschland und Italien.
Jeder ein Mit-Unternehmer
Immer wieder spricht er von der Qualität sei es bei den Führungsleuten, Mitarbeitern oder Produkten. Echtheit und Identifikation mit dem Guetsli sind für den Enkel des Firmengründers besonders wichtig. Er ist ein Patron, der regelmässig im Betrieb auftaucht. Da kann der Inhaber schon einmal beim Mann an der Transportstrasse nachfragen, wie hoch denn die Ausschussquote sei. Er kennt die Mitarbeiter persönlich. Da fällt es ihm auch leichter, das Ziel für die unbrauchbaren Biscuits auf dem Produktionsband noch leicht abzusenken. Schliesslich will er die Philosophie der steten Verbesserung nicht nur auf dem Papier festhalten. Diese Kultur der Nähe ermöglicht kurze Informations- und Entscheidungswege.
In Trubschachen sind die Menschen sehr stark mit der Region verwurzelt. Von den 320 Mitarbeitern stammen rund zwei Drittel aus dem Emmental. «Meine Türe zum Büro steht allen offen», sagt Kambly, um gleich nachzuschicken, man esse schliesslich im Betriebsrestaurant an gemeinsamen Tischen. Viele Führungspositionen werden mit internen Leuten besetzt. Dabei gilt der Grundsatz, dass jeder ein «Mit-Unternehmer» ist, der seinen Fähigkeiten entsprechend mit dem Ganzen wächst.
Vor fünf Jahren hat Kambly die Coop-Eigenmarkenfabrik in Lyss übernommen und die Synergien mit dem Stammsitz in Trubschachen ausgenützt. Die Firmenkultur aus dem hinteren Emmental wurde auch ins Berner Seeland verpflanzt. Für ihn ist eine Unternehmung «so anpassungsfähig, lernbereit und lebendig wie ihre Menschen sind». Die strategische Zusammenarbeit mit dem Grossverteiler hat sich bewährt. Aus dem Werk Lyss können laufend mehr Gebäckspezialitäten exportiert werden.
Von der Massenware unterscheiden
Auch im Biscuit-Markt hat sich das Wettbewerbsumfeld globalisiert. Da betrachtet es Kambly als seine vordringliche Aufgabe, die Chancen in diesem rasch wachsenden Markt zu erkennen: «Gleichzeitig müssen wir uns stets klar von der Massenware differenzieren.» Nicht jedes Produkt findet in den einzelnen Ländern und Sprachräumen den gleichen Anklang. Die Verkaufsteams vor Ort liefern als Kenner der regionalen Szene wichtige Hinweise für Neueinführungen. Je nach Trend lanciert Kambly die Produkte ländermässig getrennt.
Wo immer die Guetsli aus dem Emmental schliesslich in den Verkaufsregalen landen, muss die Qualität bei dieser margenträchtigen Premium-Ware stimmen. Nach Ansicht Kamblys wäre es der Anfang vom Ende, wenn ein Markenartikler bei den Produkten sparte: «Um die Kundenloyalität zu erhalten und weiterzuentwickeln, müssen wir die gesteigerten Ansprüche befriedigen.» Zwar gelte es auch in seinem Unternehmen, ein wirksames Kostenmanagement zu betreiben, die Entwicklungsabteilung dürfe darunter aber nicht leiden.
Regelmässig trifft sich Kambly mit dem Kader auch zu Lesungen ausserhalb der Management-Literatur. Da werden Textpassagen von europäischen Philosophen ebenso wie von fernöstlichen Denkern behandelt. Im Emmental, wo dieses Jahr der 150. Todestag von Jeremias Gotthelf begangen wird, dürfen dessen Werke natürlich nicht fehlen. Kambly hat eine Werkbegehung organisiert, die von den zeitlosen Botschaften Gotthelfs flankiert wird.
Bei seiner Unternehmerphilosophie stützt er sich etwa auf die «Ueli»-Romane, die den Weg vom Lehrling zum Meister nachzeichnen. Da erfahre man viel über Führen und Dienen, über haushälterisches Umgehen mit seinen Mitteln, über die Achtung vor Mitmenschen, Natur und Umwelt: «Um das bemühen wir uns in unserer täglichen Arbeit.»
Als Kambly vor einem Vierteljahrhundert die Führung übernahm, begann er auch gleich die eigene Nachfolge vorzubereiten. Damals hat er sämtliche Aktien erworben und damit einer allfälligen Zersplitterung in verschiedene Familien-Clans vorgebeugt.
Der Ablösungsprozess steht beim 53-Jährigen nicht unmittelbar bevor. Seine Tochter studiert derzeit an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne. «Dass die Familie der Gesellschaft vorsteht, ist nicht das oberste Ziel», sagt Kambly. Ein Börsengang oder der Verkauf stehen für ihn nicht zur Diskussion. Das nachhaltige Gedeihen von Unternehmen und Marke wären damit nicht gesichert.
Zur Person
Oscar A. Kambly (53) hat seine Studien an der betriebs- und rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern abgeschlossen. Danach war er Wirtschaftsberater, bevor er ins familieneigene Unternehmen eintrat. Der Alleinaktionär ist Verwaltungsratspräsident der Kambly Holding AG. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.
Oscar Kamblys Führungsprinzipien
1. Den Menschen vertrauen und ihnen Respekt entgegenbringen.
2. Vorbild sein und immer vorangehen.
3. Den Mitarbeitern klare, stufengerechte Ziele vorgeben.
4. Sich für stete und nachhaltige Verbesserungen einsetzen.
5. Jeden Tag nutzen, um als Mensch und Organisation zu wachsen.