Nun ist er publiziert – der mit Spannung erwartete Untersuchungsbericht von Bruno Gehrig zum Fall Raiffeisen: Bei der von Affären durchgeschüttelten Raiffeisen hat eine unabhängige Untersuchung zwar keine Nachweise für strafrechtlich relevantes Verhalten gefunden. Allerdings stellte sie gravierende Mängel in der Akquisition und dem Management von Beteiligungen fest. Raiffeisen kündigt nun ein umfassendes Massnahmenpaket an. Drei Geschäftsleitungsmitglieder nehmen nun den Hut.

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Gabriele Burn und Beat Hodel hätten am Vortag per sofort ihre Funktionen abgegeben, schrieb die genossenschaftlich organisierte Bankengruppe in einer Mitteilung vom Dienstag. Paulo Brügger habe ebenfalls per sofort seinen Rücktritt als Mitglied der Geschäftsleitung erklärt. Damit seien alle Geschäftsleitungsmitglieder aus dem Unternehmen ausgeschieden, die bereits vor 2015 in der Ära von Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz Teil des Gremiums gewesen seien. Auch Generalsekretär Roland Schaub hat Raiffeisen per sofort verlassen.

Zuvor hatte bereits Patrik Gisel, der als jahrelange Nummer zwei die Nachfolge von Pierin Vincenz angetreten hatte, seinen Chefposten abgegeben. Es bedürfe eines Neustarts, um die Aufgaben und Herausforderungen von Raiffeisen Schweiz vorantreiben zu können, liess sich der neue Raiffeisen-Chef Heinz Huber zitieren. Die Evaluation möglicher Nachfolger werde in die Wege geleitet, bis dahin würden die jeweiligen Funktionen durch eine Stellvertreterregelung sichergestellt.

Auch Strafuntersuchung läuft

Die Untersuchung unter der Führung des Wirtschaftsprofessors Bruno Gehrig befasste sich mit den Beteiligungsgeschäften, die Raiffeisen Schweiz und ihre Töchter seit 2005 unter dem ehemaligen Chef Vincenz gekauft hatten. Die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft ermittelt gegen den früher noch gefeierten Raiffeisenchef wegen möglicher ungetreuer Geschäftsbesorgung.

Der langjährige Chef der Bankengruppe soll bei Firmenübernahmen der Kreditkartengesellschaft Aduno und der Investmentgesellschaft Investnet ein Doppelspiel gespielt und persönlich abkassiert haben. Aduno reichte im Dezember 2017, Raiffeisen im Februar 2018 Anzeige gegen Vincenz ein.

Keine Nachweise von Bereicherung

Gehrig fand nun keine Nachweise, dass Vincenz oder andere ehemalige oder aktuelle Organe von Raiffeisen sich strafrechtlich relevant verhalten oder persönlich bereichert hätten. Allerdings sind diejenigen Sachverhalte, die bereits Gegenstand eines Strafverfahrens sind, von der Untersuchung ausgenommen.

Gehrig stellte aber fest, dass der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung bei ihrer Führungsarbeit gravierende Mängel aufgewiesen hätten. Dies in Bezug auf die Diversifikationsstrategie, bei der Vincenz zahlreiche Unternehmen zugekauft hatte.

Zwischen 2012 und 2015 baute Raiffeisen Schweiz durch Zukäufe von Beteiligungen neue Geschäftsbereiche im Wert von über einer Milliarde Franken auf. Durch mangelnde Führung und Kontrolle, organisatorische Versäumnisse und eine personenzentrierte Kultur seien finanzielle Nachteile, vor allem aber ein Reputationsschaden für die ganze Gruppe entstanden.

Wertberichtigungen von Beteiligungen drücken Gewinn von Raiffeisen

Die Einkaufstour unter Ex-Chef Pierin Vincenz schlägt auf den Gewinn von Raiffeisen im abgelaufenen Geschäftsjahr 2018 durch: Wegen der Neubewertung der Werthaltigkeit aller bestehenden Beteiligungen wird der Gewinn der Gruppe und bei Raiffeisen Schweiz voraussichtlich deutlich tiefer ausfallen als im Vorjahr.

«Die Sondereffekte bewegen sich im Rahmen von maximal 300 Millionen Franken», teilte Raiffeisen am Dienstag in einem Communiqué mit. In der Ära Vincenz hatte Raiffeisen Schweiz zwischen 2012 und 2015 durch Zukäufe von Beteiligungen neue Geschäftsbereiche im Wert von über einer Milliarde Franken aufgebaut.

«Während einige Beteiligungsgeschäfte mit der gebotenen Sorgfalt abgewickelt wurden, zeigte sich bei der Anbahnung, Verhandlung und Abwicklung anderer Beteiligungsgeschäfte eine Überforderung der bestehenden Strukturen, Abläufe und Ressourcen. Durch mangelnde Führung und Kontrolle, organisatorische Versäumnisse und eine personenzentrierte Kultur sind finanzielle Nachteile, vor allem aber ein Reputationsschaden für die ganze Raiffeisen Gruppe entstanden», schrieb Raiffeisen weiter.

Operatives Ergebnis wieder stark

Trotz des Gewinntauchers bleibe die nachhaltige Ertragskraft sowie die überdurchschnittliche Eigenmittelquote der Raiffeisen-Gruppe erhalten, hiess es: «Raiffeisen ist nach wie vor eine hervorragend kapitalisierte Bank.»

Das operative Ergebnis im abgelaufenen Geschäftsjahr 2018 sei dagegen erneut stark. Es dürfte im Rahmen des Vorjahres ausfallen, hiess es: «Die Zahlen zeigen deutlich, dass die Kundinnen und Kunden den Raiffeisenbanken im vergangenen Jahr die Treue gehalten haben.»

Im vorangegangenen Geschäftsjahr 2017 hatte die Raiffeisen-Gruppe so viel verdient wie noch nie. Der Geschäftserfolg schoss um 30 Prozent auf 1,1 Milliarden Franken nach oben. Der Gruppengewinn kletterte um 22 Prozent auf 917 Millionen Franken. Das war ein neuer Rekord. Update folgt.

(awp/tdr/bsh)