Als Geburtsort angegeben ist in seinem Pass die ägyptische Hafenstadt Alexandria. Als Sohn eines Schweizer Baumwollhändlers hat Patrick Hohmann buchstäblich von Kleinkinderbeinen an mit dem Material, das auch später den Stoff seines (Erwerbs-)Lebens bilden sollte, Erfahrungen gemacht: Hohmann wurde Textilingenieur und fing später an, mit Baumwollgarnen einen Handel aufzuziehen.
Triste Bilanz der Baumwolle
Bis hierher also die klassische Geschichte: Der Sohn tritt in Vaters Fussstapfen. Aber statt Traditionspflege hatte Hohmann anderes im Sinn: Er wollte der unseligen Tradition, welche die Geschichte der modernen Baumwollpflanzung in den vergangenen 250 Jahren begleitete, entgegenwirken. Denn die kleine Pflanze mit den wollenen Faserknäueln hat eine triste Bilanz hinterlassen. Mit der Baumwolle verwandelten sich die Textilmanufakturen Englands, später auch Kontinentaleuropas, für die Arbeiter zu Zuchthäusern. Auf den Baumwollfeldern der Südstaaten in den USA schufteten sich die Sklaven zu Tode und schliesslich ruinierte der Pestizid-Overkill zusammen mit dem ungeheuren Wasserbedarf zum Beispiel den Aralsee in Kasachstan. 1991 diskutierte der Jungunternehmer mit seinem indischen Geschäftspartner Morgan Jalan über den Einsatz der chemischen Keule auf den Baumwollfeldern. Die Beiden liessen den Worten des ökologischen Bedauerns sogleich Taten folgen. Auf einem Versuchsfeld in Indien sollte Baumwolle ohne Kunstdünger und ohne Chemie heranwachsen. Das bescheidene Experiment diente Hohmanns Remei AG mit Sitz in Rotkreuz als Sprungbrett, um in nur wenigen Jahren zum Weltmarktleader für das Produkt Biobaumwolle aufzusteigen.
1995 interessierte sich Coop mit der Lancierung der «Naturaline» für den Innerschweizer Biobaumwollhändler. Damit waren auch die Weichen gestellt. «Biobaumwolle sollte nicht nur ein kümmerliches Nischendasein fristen, sondern sich dauerhaft auf dem Massenkonsummarkt bewähren», sagt der Remei-Chef. Das Ganze gewann an Zugkraft. Hohmann entschied sich für Bio und heute sind bereits 70% der Baumwolle und Garne sowie 100% der Kollektionen, welche die Remei AG vertreibt, biologisch.
Der unscheinbare Bürotrakt im Industriegebiet von Rotkreuz macht aber klar: Auch beim Weltmarktführer werden bisher nur kleine Brötchen gebacken oder ganz korrekt gesagt, kleine Baumwoll-Ballen vertrieben. Mit einem weltweiten Volumen von 7000 bis 10000 t ist die Bio-Baumwolle im Vergleich zur geernteten Gesamtmenge von über 20 Mio t nur ein Tropfen auf den heissen Stein.
Deshalb bedauerte es Hohmann beinahe ein wenig, dass die Remei global die Nummer eins ist: «Dass wir mit 3000 t Biobaumwolle und 23 Mio Fr. Umsatz schon die Grössten sind, zeigt, wie klein der Markt bisher ist.» Aber in den letzten Jahren zeigt die Nachfragekurve steil nach oben. Ein Plus von 20% verzeichnet Remei jährlich. Ankündigungen von Mark & Spencer, von Nike und von Patagonia, immer mehr Biobaumwolle zu verarbeiten, bestätigen: Die Öko-Baumwoll-Produkte boomen.
Der grösste Aufschwung für die Baumwoll-Textilien ohne Chemie findet aber in der Schweiz statt. Innerhalb von zehn Jahren ist «Naturaline» von Coop zur weltweit grössten Linie von biologisch produzierten Baumwoll-Kleidern aufgestiegen. In seinem Schauraum in Rotkreuz zeigt Hohmann schon die neue Frühjahrskollektion von T-Shirts und Socken, von Babykleidern und Bettwäsche, die unter dem Siegel «Naturaline» mit dem Etikett «100% Bio-Baumwolle» bald in den Handel kommen.
Die erfolgreiche Allianz von Coop und Remei hat schon auf internationaler Bühne für Aufsehen gesorgt. Beim Klima-Gipfel in Johannesburg 2002 erhielten die beiden Unternehmen den Preis «für nachhaltige Entwicklung von Partnerschaften» aus der Hand des obersten UN-Umweltschützers Klaus Töpfer.
Ein Prinzip, von demalle etwas haben
Für die Ehrung sprach sicher eines: Mit dem Anbau von Biobaumwolle werden die oft ausgemergelten Böden durch Fruchtwechsel und Chemieverzicht immerhin ein Viertel aller Pestizide wird weltweit im Baumwollsektor ausgebracht wieder aufgepäppelt. Die landwirtschaftliche Unterweisung erhalten die Bauern vom betriebseigenen Schulungsteam. Schon ist in Indien ein Stamm von überzeugten Biobauern herangewachsen. 250 Bauern wurden vor kurzem Aktionäre und besitzen seither einen 10000-Rupien-Anteilschein an ihrer mittlerweile rentablen Produktionsgesellschaft. Fünf Jahre müssen die Bauern das strenge Reglement von Verzicht auf Agrochemie und Gen-Saatgut eingehalten haben. Die neuen Samen aus dem Genlabor sind nach Aussagen von Hohmann die grosse Verführung für die Bauern: «Die Bauern, die Anteilseigner sind, sind hier aber rigoros: Wird ein Mitglied mit Gensaaten erwischt, fliegt es automatisch lebenslänglich aus der Gemeinschaft raus.»
Der Bioanbau lohnt sich. Denn die Bio-Baumwoll-Produzenten in Indien und Tansania sparen nicht nur das Geld für teure Spritzmittel und Kunstdünger, sondern profitieren zusätzlich von einer Extra-Prämie. Wichtig ist Hohmann, der für sein Geschäftsmodell das Wort vom «Allholder-Value» kreiert hat, dass die Bauern wieder in ihre ursprüngliche Verbindung zu ihrer Tradition und zum Boden treten. Zum Modell des «Allholder-Values» gehört aber noch etwas anderes: Auch in Europa wird auf ruinösen Wettbewerb verzichtet. Alle geschäftlichen Verbindungen basieren auf langjährigen Kontrakten. So bedient Remei neben Coop und WWF keine anderen Kunden in der Schweiz. Für die Expansion wird vor allem ins Ausland geschielt. Bereits sind Remei-Kollektionen in den Kaufhäusern von Monoprix in Frankreich, bei Coop Italien, beim Drogerie Markt oder beim Waschbär-Versand in Deutschland zu finden.
Firmen-Profil
Name: Remei AG, Lettenstr. 9, 6343 Rotkreuz/ZG, Tel. 041 798 32 32
Geschäftsleitung: Patrick Hohmann
Gründung: 1983
Umsatz: 23,5 Mio Fr.
Beschäftigte: 12
Produkte: Konfektionen und Baumwollgarne (70% biologisch)
Kunden: Coop und WWF (CH), Waschbär und Drogeriemarkt (D), Monoprix (F), Coop Italia (I)
Internet: www.remei.ch