Richemont-Präsident Johann Rupert ist ein Mann von altem Schrot und Korn. Der 72-jährige Milliardär aus Südafrika mag es nicht, wenn man ihm die Pistole auf die Brust setzt. Und doch sieht er sich derzeit von mindestens zwei Seiten unter Druck gesetzt.

Zweitens braucht Rupert dringend eine Lösung für die Tochterfirma Yoox Net-A-Porter (YNAP), einem Online-Shop für Luxusgüter. YNAP ist in Europa zwar klarer Marktführer, produziert aber im Gegensatz zur Konkurrenz seit Jahren Verluste und ist technisch rückständig. Ausserdem kämpft das Unternehmen mit einem veritablen Braindrain beim Führungspersonal – und das ebenfalls schon lange.

Johann Rupert hat seine Nachfolge bei Richemont mit dem YNAP-Deal verknüpft

Rupert will YNAP von seinen Büchern haben und sucht einen Deal mit Farfetch, einem Rivalen. Ziel ist es, YNAP an Farfetch zu veräussern und im Gegenzug eine Beteiligung an Farfetch zu bekommen. Doch entsprechende Verhandlungen ziehen sich bereits rund neun Monate hin – und die Investoren verlieren langsam den Glauben daran, dass der längst vorgespurte Deal überhaupt noch zu einem Abschluss kommen wird.

Die fünf Familien hinter den Luxus-Giganten

 

Fünf Familien haben auf dem Markt für Luxusgüter das Sagen: die Arnaults (LVMH), die Wertheimers (Chanel), die Pinaults (Kering), die Ruperts (Richemont) und die Hayeks (Swatch Group).

Alle sind schwer erfolgreich, haben Milliarden an Vermögen angehäuft. Und alle verfügen sie über ausgebaute Beziehungen in der Schweiz sowie Assets in der Schweiz – und das nicht nur in der naheliegenden Uhrenindustrie.

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Die beiden Probleme hängen zusammen: Ein Durchbruch bei YNAP würde Bluebell viel Wind aus den Segeln nehmen. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass dies bereits vor der GV Anfang September der Fall sein wird. Wie das Luxusbranchen-Portal «Miss Tweed» berichtet, strebt Richemont einen Deal bis Weihnachten an.

Rupert lässt sich viel Zeit, weil er indirekt auch seine eigene Nachfolge mit dem YNAP-Deal verknüpft hat. Die Verhandlungen mit Farfetch führt nicht der Patron selbst, sondern Richemont-Chef Jérôme Lambert mit Richemont-Verwaltungsrat Anton Rupert. Anton ist eines von drei Kindern von Johann Rupert. Und sein einziges Kind, das bei Richemont eine Rolle spielt.

Der 35-jährige Rupert sitzt seit 2017 als einfaches Mitglied im Richemont-Strategiegremium und ist bei diversen Vehikeln engagiert, mit welchen die Familie Rupert ihre Assets verwaltet. Allerdings hat ihn sein Vater bislang noch nie als möglichen Nachfolger ins Spiel gebracht.

Anton Rupert vor der grossen Feuertaufe 

Doch nun erlebt Rupert junior eine eigentliche Feuertaufe. Schafft er es, den YNAP-Deal zu für Richemont günstigen Konditionen unter Dach und Fach zu bringen, dürfte er schon bald in die Fussstapfen seines Vaters treten. Seine Legitimität als Johanns Erbe würde gestärkt, ebenso wie seine Akzeptanz bei Investoren wie Bluebell. 

Kurz: Gerade in der absehbaren Abwehrschlacht gegen Bluebell kommt dem YNAP-Deal überragende, regelrecht dynastische Bedeutung zu.

Eine Lösung müsste im Bereich des Möglichen liegen. Denn wie «Miss Tweed» unter Berufung auf anonyme Insider berichtet, wird im Wesentlichen nur noch um ein paar Prozentpunkte gefeilscht. Farfetch ist der Meinung, Richemont solle nach der YNAP-Übernahme durch Farfetch maximal 10 Prozent an Farfetch halten. Richemont wiederum schlägt einen Anteil von 12 bis 13 Prozent vor. Jeder Prozentpunkt, den Anton Rupert mehr herausholt, wird sein Ansehen als würdiger Nachfolger seines Vaters erhöhen.

Richemont hat bei YNAP Milliarden verspielt

Klar ist: Richemont hat mit YNAP sehr viel Geld verspielt. Seit seiner ersten Investition in den Online-Händler im Jahr 2003 dürfte Richemont rund 4,5 Milliarden Euro in das Unternehmen gesteckt haben.

Wenn Richemont nun einen Anteil von 10 Prozent an Farfetch für YNAP akzeptiert, wird das Unternehmen mit einem Umsatz von 2,8 Milliarden Euro mit knapp 320 Millionen Dollar bewertet. Und selbst wenn Rupert junior 13 Prozent herausholt, sieht die Rechnung nicht viel besser aus.

Die Chancen jedenfalls, dass es zu einem Deal kommt, stehen gut. Erstens will Richemont in erster Linie seine Verlustquelle YNAP loswerden. Zweitens sucht Farfetch den Zugang zu den Richemont-Starmarken Cartier und Van Cleef & Arpels, die beide hervorragend laufen und Farfetch hohe Erträge bringen dürften. Zudem ist auch der Kundenstamm von YNAP ein nicht zu unterschätzendes Asset für Farfetch.