Uster ist nicht Downtown Switzerland, die Bankstrasse nicht die Bahnhofstrasse, das nüchtern gehaltene Gebäude kein Finanzpalast. Im ersten Stock, hinter einer blitzblank klargewischten Glastüre, hat sich Roland Gafner mit seinem Unternehmen Trexco Treasury AG eingerichtet. Auch hier: Nüchternheit, die das Erscheinungsbild bestimmt.
Das mag einerseits im Umstand gründen, dass Gafner sein Domizil erst vor wenigen Wochen bezogen hat, andererseits aber auch im Bestreben, Seriosität auf den ersten Blick zu offenbaren. Denn das Business, in dem sich der gebürtige Zürcher bewegt, ist sowohl ein heikles wie ein intensives, ein spannendes wie eben auch ein nüchternes. Roland Gafner verwaltet Schulden. Nicht etwa die Rückstände zwielichtiger Zocker, sondern jene von öffentlich-rechtlichen Schuldnern wie Kantonen, Gemeinden oder Institutionen und Unternehmen.
Was das bedeutet? «Als Tresorier bin ich dafür verantwortlich, dass die Zahlungsfähigkeit meiner Kunden jederzeit gewährleistet ist. Bei Defiziten organisiere ich zinsgünstige Kredite, bei Überschüssen bin ich darum besorgt, dass das Geld gut angelegt wird - ich bin das Verbindungsglied zwischen Kunde und Markt.»
Soft- statt Hardcover
Das Büro von Roland Gafner, dem gut Deutsch mit «Kämmerer» oder «Kassenwart» zu Betitelnden: Ein Schreibtisch, ein Computer, ein Telefon, eine lederne Sitzgarnitur. Keine Staubfänger, kein Firlefanz. Reduktion auf das Notwendigste eben. Den Preis für die Sofas, sagt der Finanzfachmann, habe er tüchtig runtergehandelt, die Möbel zu günstigen Konditionen gekauft und bei der Miete eine beträchtliche Reduktion erwirkt. Einer, der für seine Klientel das Optimum herauszuholen im Stande ist, zieht bestimmt nicht den Kürzeren, wenn es um die eigenen Angelegenheiten geht.
Gafner schiebt die feinrandige Brille auf seiner Nase und die Krawatte unter dem eleganten Zweireiher zurecht. « gibts bei mir nicht, alles ist verhandelbar», sagt er dann mit fester Stimme. Gafner, ein Geizkragen? «Wenn Sie so wollen», zuckt er belustigt die Schultern, «von Berufes wegen ganz bestimmt. Und ja, ein bisschen färbt das natürlich auch aufs Privatleben ab.» Vor allem, wenn er in der Buchhandlung steht und nach einem literarischen Klassiker, seiner grossen Leidenschaft, Ausschau hält. Dann entscheide er sich mitunter ganz bewusst für das Taschenbuchformat und gegen das Hardcover aus Preisgründen. «Das ist wahrscheinlich wirklich ein Zeichen von déformation professionnelle», stellt er schmunzelnd fest und fügt dem bei, dass selbst die billigste Lösung hierzulande meist noch zu teuer ausfalle.
«Aber wir Schweizer sind uns nun mal nicht gewohnt, zu feilschen. Nein, das tut man nicht, man vertraut lieber darauf, dass der Preis schon stimmen wird.» Eine Haltung, die im Übrigen nicht allein die Menschen auszeichne, sondern vielfach auch Institutionen, Körperschaften und Unternehmen, weiss der alte Branchenhase aus Erfahrung.
Eine Händlerseele bekommt man in die Wiege gelegt oder nicht. Roland Gafner, der sein erstes Geld während seiner Schulferien auf dem Bau verdient hat und der nach Handels- und Rekrutenschule zu Beginn der 70er Jahre ins Welschland ging, um die französische Sprache zu lernen, hatte diesbezüglich Glück. So richtig «Klick» gemacht hat es, als er in die Dienste des Lausanner Brokers Tradition eintrat. In der Kreditvermittlung tätig habe er mit seinen Kollegen in Reih und Glied in einem Büro gesessen, den Telefonhörer am Ohr, in ständiger Verhandlung mit Kunden und Anbietern. «Eines Tages kam der Chef herein und stellte einen Kollegen, der gerade nicht telefonierte, zur Rede. Als dieser sich rechtfertigte, dass in Belgien, dem von ihm bearbeiteten Markt, gerade Feiertag sei und die Büros auf Grund dessen sowieso nicht besetzt seien, meinte der Chef nur: .» Dieser Satz habe sich in seinem Kopf festgesetzt wie kaum ein anderer, sagt Roland Gafner. Von da an sei für ihn klar gewesen: Probieren, probieren, probieren geht nicht gibts nicht.
Outsourcing deranderen Art
Den vertieften Zugang zur Tresorerie, zum Schuldenmanagement, fand der mittlerweile 53-Jährige in Diensten der Banque de Dépôts in Genf, wo ihm in den 80er Jahren als Mitglied der Geschäftsleitung die Führung des Geld- und Devisenhandels oblag. Es folgten acht Jahre als Unternehmensberater im Bereich Risk- und Treasury-Management und fünf Jahre bei der Swisscom, wo Gafner als Leiter Financial Services das Grosskunden-Leasinggeschäft aufgebaut hat. 2002 folgte dann der Wechsel in die kantonale Verwaltung von Genf, die damalige Finanzdirektorin und heutige Bundesrätin Micheline Calmy-Rey betraute ihn unter anderem mit der Staatstresorerie.
Gafner teilte die Schulden in kurz-, mittel- und langfristige Tranchen ein, finanzierte Privatplatzierungen im Ausland und sorgte damit für eine Dynamisierung der Tresorerie. Dadurch erreichte er im vergangenen Jahr für die Schulden des Kantons Genf einen Durchschnittszins von 2,58%, während andere Kantone Zinsen von 3 bis 3,5% zu tragen hatten. «Das klingt im ersten Moment vielleicht nicht nach sehr viel», bemerkt Roland Gafner, «bei einer Schuldenlast von über 12 Mrd Fr. allerdings tragen schon 0,25% dazu bei, die Finanzen beträchtlich zu entlasten.»
Mit seinem Modell vermochte der Genfer Tresorier mit Deutschschweizer Wurzeln das Interesse weiterer Stände zu wecken. Genf wurde von diversen Kantonen aus der Westschweiz angefragt, ob es nicht auch deren Schuldenverwaltung übernehmen könne. Was durchaus interessant klang, erwies sich indes als nicht realisierbar; allerdings, für den aufgrund seiner privaten Verhältnisse zwischen Genf und Uster Pendelnden ergab sich daraus eine neue Perspektive. Denn das Bedürfnis der Kantone und Kommunen nach einer externen, effizienten Tresorerie verlangte förmlich nach einem massgeschneiderten Angebot.
Roland Gafner verliess vor wenigen Wochen die Calvinstadt in Richtung Greifensee, machte sich selbstständig und gründete die Trexco Treasury AG. Als Mitstreiter im Verwaltungsrat konnte er den mit der Materie bestens vertrauten ehemaligen Leiter der Bundestresorerie, Peter Thomann, sowie Ernst Kellenberger, vormals Direktor Kapitalmarkt der Credit Suisse First Boston, gewinnen. Erster Kunde übrigens ist Gafners alter Arbeitgeber. Genf hat als erster Kanton überhaupt seine Tresorerie ausgelagert und diese der Trexco übergeben.
Scheitern verboten
Nach 30 Jahren in der Romandie ist Roland Gafner wieder im Züribiet sesshaft geworden. Das stundendauernde Hin und Her zwischen Arbeit und Privatleben entfällt fortan, was zweifelsohne ein Gewinn an Lebensqualität sei, betont der Vater zweier fast erwachsener Kinder, der in jungen Jahren einmal hatte Lehrer werden wollen. Viel freie Zeit für Hobbys allerdings bleibt ihm nicht. Demnächst nämlich soll aus dem Einmann- ein Kleinunternehmen mit drei bis vier Angestellten werden.
Sowieso, der Schritt in die Selbstständigkeit, ins freie Unternehmertum, erfordert vollen Einsatz, soll dieser sicher, fest und vor allem ohne Stolperer ausfallen. Der 53-Jährige verweist auf sein Alter und sagt: «Wenn man nicht daran glaubt, was man tut, dann sollte man es gleich ganz bleiben lassen. Ich für meinen Teil kann es mir gar nicht leisten, zu scheitern.»
Tresorerie und Exchange
Steckbrief
Name: Roland Gafner
Alter: 53
Funktion: Gründer, CEO und Mehrheitsaktionär Trexco Treasury AG
Wohnort: Uster
Familie: Geschieden, zwei Kinder, in fester Partnerschaft lebend
Karriere
1981-1989 Banque de Dépôts, Genf, Direktor und Mitglied GL
1989-1997 G-Associates SA, Genf
1997-2002 Swisscom, Leiter Financial Services
2002-2005 Kanton Genf, Direktor in der Finanzverw.; Leiter Tresorerie Firma
Trexco Treasury AG: Der Name steht für Tresorerie und Exchange. Entsprechend bietet Trexco, das sich als Bindeglied zwischen Markt und Kundschaft versteht, öffentlich-rechtlichen Körperschaften sowie institutionellen Anlegern und Unternehmen Dienstleistungen im Bereich Tresorerie an. Diese gehen von der kompletten Übernahme bzw. der Auslagerung der Tresorerie bis hin zu punktuellen Teilmandaten im Bereich des Schulden- und Anlagenmanagements, Finanzierungen im Geld- und Kapitalmarkt, Derivate, Risikomanagement, Strategieerarbeitung bis zum Bereich Cashmanagement/Infrastrukturen.