Aufgefallen ist er an der jüngsten Bilanzpressekonferenz: Eloquent und humorvoll. Die Fähigkeit, griffig zu formulieren, hängt vermutlich mit seiner deutschen Herkunft zusammen. Was die selbstbewusste Haltung angeht: Immerhin trägt die bislang von ihm geführte SIG Combibloc den Konzern durch die Fährnisse von Ergebnisminderungen in den anderen Unternehmensbereichen. Allerdings konnte Rolf-Dieter Rademacher damals kaum wissen, möglicherweise nur ahnen, dass nicht nur VR-Präsident Willy Kissling, sondern auch CEO Roman Boutellier das Handtuch werfen würden.

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«Er ist ein hervorragender Verkäufer», so das einhellige Urteil in der Branche. Das spürt auch, wer ihm gegenübersitzt. Er hat eine «Batterie» von Produkten vor sich aufgebaut und muss immer wieder subtil daran erinnert werden, dass sein Gegenüber gekommen ist, um mehr über den Menschen Rademacher zu erfahren und keine Anlage zum Abfüllen von Getränken kaufen will.

Beinahe hätte Rademacher anstelle von SIG-Anlagen Waschmaschinen oder Kühlschränke verkaufen und elektrische Einrichtungen installieren müssen. Aber der Kelch ist an ihm vorübergegangen. «Ich hatte einfach keine Lust dazu», sagt er. Dabei hätten sich seine Eltern so gefreut, wenn er in ihr Geschäft für Haushaltsartikel eingestiegen wäre.

Brandneuer CEO

Rademacher zog das Wirtschafts-Gymnasium und eine Lehre im Versicherungskonzern Gerling vor, wo er später auf verschiedenen Kaderstufen tätig war. «Was mich in dieser Zeit prägte, sind die Kontakte mit Menschen aus verschiedenen Regionen und verschiedener Herkunft», blendet er zurück. Dass ihn aber ein Versicherungsfall in eine ganz andere Branche verpflanzen würde, hätte er sich nie träumen lassen. Aus dem Gerling-Konzern herausgerissen wurde der Versicherungsfachmann mit zahlreichen Zusatzausbildungen an namhaften Akademien in Köln und Hamburg durch einen tragischen Brandfall, der glücklicherweise keine Menschen- und Tierleben gefordert hatte. Bei Montagearbeiten auf einem grossen Schlachthof ging dieser in Flammen auf. Die Schadenssumme belief sich auf immerhin 45 Mio Fr. Rademacher handelte den Fall so professionell ab, dass er von der betroffenen Maschinenfabrik als CEO eingestellt wurde.

Fortan befasste er sich mit der Nahrungsmittelbranche. Das Unternehmen stellt Anlagen für Schlachthöfe her. Vorerst ging es um die Wurst, dann aber folgte ein wichtiger Schritt: Rademacher wechselte in die Getränkebranche, der er bis heute treu geblieben ist. Welche Frage man ihm auch stellt, er bringt es immer wieder zu Stande, eine Verbindung zu Getränkeverpackungen herzustellen, seien es Pet-Flaschen oder Kartongebinde.

Auf ihm ruht die Hoffnung des Verwaltungsrates und auch der Aktionäre, nachdem er Combibloc erfolgreich geführt hat. Diese Division wächst mit neuen Produkten über dem Marktdurchschnitt, während das zweite Standbein, SIG Beverage, noch wenig zum Unternehmensergebnis beiträgt. Seine Strategie, um dieses Missverhältnis zu verbessern, leuchtet ein: Nachdem eine Art Gesundheits- und Fitnesswahn ausgebrochen ist, werden immer mehr Zeitgenossen auf Getränke erpicht sein, die bald einer Medizin gleichkommen Nahrung, angereichert mit allerlei Vitaminen und Ingredienzien, welche die Haut straffen, den Stoffwechsel regulieren, angeblich den Alterungsprozess verlangsamen und Haare wie Nägel festigen.

SIG Beverage wird verstärkt Anlagen für Behältnisse entwickeln, die diese so genannten «Added value»-Produkte schützen vor all dem, was sie verderblich machen könnte: Licht, Sauerstoff und Keime. «Hier werden wir höhere Margen haben, denn im Massengeschäft sind sie derzeit gering. Das wollen wir ändern.» Rademacher spricht immer von «wir», dabei ist er die treibende Kraft. Sein Ehrgeiz ist es, im angesprochenen «Added value»-Bereich die höheren Margen zu sichern.

Mehr Pferde als Menschen

Was tut einer, der sehr viel arbeitet und in einem nahezu bedeutungslosen Dorf nahe Schaffhausen lebt? «Es heisst Guntmadingen. Hier gibt es beinahe mehr Pferde als Menschen», sagt er mit dem ihm eigenen Humor. Rademacher lebt dort in der Nähe seines Pferdestalles (ein umgebauter Schweinestall), wo sich sein Pferd «Clark» zusammen mit zehn weiteren Pferden auf einem vier Hektar grossen Gelände tummeln kann. Der Hannoveraner Wallach hat ihn auch schon mal zu Fall gebracht. «Das ist das beste Training für Manager. Man lernt fallen und wieder aufzustehen und sich selbst zum Weitermachen zu motivieren», sagt er lachend.

Eines der Pferde, die auf diesem Hof leben, ist sogar stellungspflichtig. Für den Freiberger «Eldorado» zahlt die Armee jedes Jahr 800 Fr. Damit kann ungefähr 60% seiner Vertilgungskapazität bestritten werden. Apropos Nahrung: Rademacher kocht leidenschaftlich gerne, am liebsten Pasta und ein saftiges Steak. «An mir ist ein Italiener verloren gegangen», findet er. Einzig die Zubereitung von Saucen scheint ihm weniger zu liegen. «Wenn ich mich trotzdem dazu ermuntere, welche herzustellen, geschieht das immer zum Entsetzen meiner Gäste.»

Entsetzt ist auch, wer erfährt, dass auf seinem Büchertisch nicht etwa anspruchsvolle Management-Literatur liegt, sondern Ausgaben von Jerry Cotton. «Das ist doch viel spannender zum Lesen.» Und noch mehr erstaunt, dass seine Lieblingsband «Plüsch» heisst. Sie ist vor allem mit dem Song Heimweh bekannt geworden. Wenn Rademacher den Inhalt dieses Liedes zitiert, wird er beinahe sentimental, ein Zug, der kaum auszumachen ist, wenn er von angestrebten Ebita-Margen und Markterschliessungen spricht.

Schweizer Hymne im Kopf

Hat er Heimweh nach Deutschland? «Nein, ich liebe die Schweiz; sie ist meine Heimat geworden. Ich finde, dass die Schweizer viel zu wenig stolz auf ihr Land sind; ich jedenfalls wäre das. Die vielfältige Kultur, die Berge und die schöne Landschaft, aber auch die Werte, die hier noch hochgehalten werden, sind doch einmalig.» Wenn Rademacher so spricht, wirkt er wie ein Standortförderer. Und dann kommt das Beste: «Ich kenne die Schweizer Nationalhymne und bin immer wieder erstaunt, dass viele Eidgenossen an den 1.-August-Feiern höchstens bei der ersten Strophe mitsingen können.»

Nach so viel Patriotismus züruck zu seinem wirklich nicht beneidenswerten Job. Wie geht er mit seinen Leuten um, die mit ihm zusammen einen steinigen Weg vor sich haben? Die Verdoppelung der Ebita-Marge im Beverage-Bereich ist beileibe kein Sonntagsspaziergang. «Sehen Sie, wenn es eines gibt, was ich nicht ausstehen kann, sind es nicht erbrachte, aber versprochene Leistungen. Dann werde ich stinksauer, es sei denn, man kann eine plausible Begründung vorbringen, wieso das abgesprochene Ziel nicht eingehalten wurde.»

Das gilt aber auch für ihn. Nach den verschiedenen Strategieanpassungen bei der SIG ist Konsolidierung angesagt dies bei gleichzeitigem Ausbau der bestehenden Geschäfte, von denen eines, SIG Combibloc, sehr erfolgreich operiert. Das andere Bein lahmt. Rademacher muss sehen, dass der Konzern nicht zu hinken beginnt.

Aber er versprüht Optimismus. Gemäss seiner Devise, dass ein Sturz vom Pferd nur bedeutet: Wiederaufsteigen und weiterreiten.

Darauf angesprochen, was er sich von einer guten Fee wünschte, gesetzt den Fall, er hätte nur drei Optionen, muss er sich nicht lange besinnen: «Eine Verdoppelung des Jahresergebnisses bei Beverage, eine frühzeitige Pensionierung (lacht) und acht Hektaren Land mit zehn Pferden.» Nicht ganz unrealistisch, aber ein bisschen verfrüht.



Profil

Name: Rolf-Dieter Rademacher

Funktion: CEO der SIG

Alter: 56

Wohnort: Guntmadingen

Familie: Geschieden, zwei Kinder

Karriere

1977-1979 Roth Werke GmbH

1979-1989 BANSS Maschinenfabrik, Managing Director

1989-1994 Riniker AG Schweiz, Managing Director

1994-2000 GEA AG Head Division Liquid Processing

2000-2004 Head SIG Combibloc

Seit 2004 CEO SIG Holding AG



Firma

Die SIG hat sich auf die zwei Standbeine, Getränkekartons (SIG Combibloc) und Getränkelinien (SIG Beverages), fokussiert. Das Unternehmensergebnis konnte im 1. Semester 2004 - verglichen mit der Vorjahresperiode - von einem Minus von 49 Mio Euro auf ein Plus von 25 Mio Euro gehoben werden. Zwei Probleme werden dem Unternehmen zu schaffen machen. Die Abhängigkeit vom Wetter und die geringe Investitionsneigung der Kunden. Mittlerweile sind die Anlagen so ausgeklügelt und potent, dass Durststrecken und Nachfrage-Überhänge mühelos überlebt werden können.