Die Klimawandel-Diskussion ist in vollem Gange, trotzdem verzichten die wenigsten auf ihren Flug in den Urlaub, wie Statistiken zeigen. Das wirft die Frage auf, wann wir Treibstoff CO2-neutralen Treibstoff schaffen. Eine Antwort stammt aus der Schweiz – von der ETH Zürich.
Forschende der Renommier-Hochschule haben eine Technologie entwickelt, die aus Sonnenlicht und Luft flüssige Treibstoffe herstellt. In einer Mini-Raffinerie auf dem Dach des ETH-Maschinenlaboratoriums in Zürich wird dieses revolutionäre Verfahren nun getestet. Hinter der Technologie steht ein Team rund um Aldo Steinfeld, Professor für erneuerbare Energieträger an der ETH.
CO2-neutraler Treibstoff aus zwei Zutaten: Luft und Sonnenlicht – das klingt nach einer Sensation. Die Technologie würde ein riesiges Potenzial für eine nachhaltige Luftfahrt, Schifffahrt oder auch andere Transportmittel.
«Flüssige Treibstoffe gehören nach wie vor zu den energiereichsten Stoffen. Sie beinhalten 20 bis 60 Mal mehr Energie als Batterien», sagt Philipp Furler. Er ist CTO des ETH-Spinoff Synhelion, das die Technologie nun marktfähig machen soll. Langstreckenflüge mit Batterien dürften auch künftig kaum möglich sein: «Batterien, die so viel erbringen könnten wie Kerosin, wären viel zu schwer», sagt Furler bei der Demonstration auf dem Dach der ETH.
«Funktioniert unter realen Bedingungen»
In Zürich haben die Forscher eine futuristische Solaranlage gebaut, die flüssigen Treibstoff ausschliesslich aus Umgebungsluft und Sonnenlicht produziert. Diese synthetischen Treibstoffe setzen bei der Verbrennung nur so viel CO2 frei, wie zuvor der Luft entnommen wurde.
Das Prinzip: CO2 und Wasser werden direkt aus der Umgebungsluft abgeschieden und mit Solarenergie aufgespalten. In einer Mini-Raffinerie wird das Produkt Syngas gewonnen. Es ist eine Mischung aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Syngas kann dann weiter zu Kerosin oder Methanol oder anderen Kohlenwasserstoffen verarbeitet werden – mithin zu Treibstoff für Flugzeuge oder Schiffe.
Die Prozesskette sei Meilenstein: «Mit dieser Anlage beweisen wir, dass die Herstellung von nachhaltigem Treibstoff aus Sonnenlicht und Luft auch unter realen Bedingungen funktioniert», erklärt Aldo Steinfeld, der ETH-Professor für Erneuerbare Energieträger.
Das Problem: die Menge
Die solare Mini-Raffinerie auf dem Dach der ETH soll die Umsetzung der Technologie aufzeigen – selbst unter den klimatischen Verhältnissen in Zürich. Doch zurzeit können die Forscher nur einen Deziliter Treibstoff pro Tag herstellen. Das ist natürlich noch viel zu wenig. Ein Langstreckenflug von Zürich nach New York benötigt rund 40'000 Liter Kerosin. «Die Produktionskosten sind noch viel zu hoch», sagt Philipp Furler. «Aber wir wollen die Technologie durch die zwei Spin-offs effizienter machen.»
Dabei arbeitet seine Firma Synhelion Hand in Hand mit dem Zürcher Startup Climeworks, das durch seinen CO2-Filter bereits international für Furore gesorgt hat und mittlerweile mit Volkswagen zusammenarbeitet.
Climeworks hat eine Technologie, um CO2 aus der Luft zu filtern – mit Synhelion würden daraus Flüssigtreibstoffe. Die beiden Spinoffs gingen aus der Forschungsgruppe von Aldo Steinfeld hervor.
Es braucht eine Mega-Solaranlage
Obwohl die Technologie derzeit noch in den Kinderschuhen steckt, will Furler und sein Team die Technologie auf industrielle Grösse skalieren und Wettbewerbsfähigkeit erreichen. Um aber dereinst genug Treibstoff zu gewinnen, braucht gewaltige Solaranlagen. «Eine Solaranlage von einem Quadratkilometer Fläche könnte pro Tag 20'000 Liter Kerosin produzieren», sagt der Forscher.
Das Potenzial dafür sehen die Forscher in Wüsten oder den trockenen Gebieten der Erde, aber auch in Spanien oder Süditalien. Theoretisch könnte man mit einer Anlage auf der Fläche der Schweiz oder eines Drittels der Mojave-Wüste in Kalifornien den Kerosin-Bedarf der gesamten Luftfahrt decken, sagt Furler.
Er hat grosse Pläne: «Bis 2025 wollen wir die erste kommerzielle Anlage in voller Grösse in Betrieb nehmen.» Sie soll rund 10 Millionen Liter pro Jahr produzieren können, sagt Furler. Damit wolle man einen Beitrag zur Verringerung des weltweiten CO2-Ausstosses beitragen.
Die Produktion der solaren Treibstoffe an der ETH Zürich funktioniert in drei thermochemischen Umwandlungsprozessen. Alle drei sind in der neuen Mini-Raffinerie auf dem Labordach integriert. Durch einen Adsorption-Desorption-Prozess werden CO2 und Wasser direkt aus der Umgebungsluft entnommen. Beide werden dem Solarreaktor im Fokus eines Parabolspiegels zugeführt.
Die Solarstrahlung wird durch den Parabolspiegel 3000-mal konzertiert, im Innern des Reaktors eingefangen und in Prozesswärme mit einer Temperatur von 1500 Grad Celsius umgewandelt.
Im Herzen des Reaktors befindet sich eine spezielle keramische Struktur aus Ceriumoxid. Die Schaumkeramik ist das Herzstück der ETH-Entwicklung. Dort werden in einer zweistufigen Reaktion - dem sogenannten Redox-Zyklus - Wasser und CO2 gespalten und Syngas hergestellt. Diese Mischung aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid wird mittels konventioneller Synthese in flüssige Treibstoffe weiterverarbeitet.
(sda/tdr)